Containerhafen, Naturschutz und die EU: Was Herr Westerhoff nicht lesen will
(iz/bund) „Beschwerde gegen den JadeWeserPort“, so fasste WZ-Chefredakteur Jürgen Westerhoff eine Pressemitteilung zusammen, die er vom Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) erhalten hatte. Besser gesagt: Er interpretierte die ihm zugesandte Vorlage recht frei. Deswegen sollen hier der wahre Inhalt und die Hintergründe dargestellt werden.
„Beim geplanten JadeWeserPort in Wilhelmshaven geht die Europäische Kommission jetzt der Beschwerde der Umweltverbände LBU, BUND, AKN und WWF nach“ lautet der erste Satz der Pressemitteilung (im Folgenden PM) und konzentriert damit alle wichtigen Fakten. „Beim“ JadeWeserPort“ (JWP) steht da, nicht „gegen“. Die Beschwerde richtet sich nämlich nicht gegen den Hafen als solchen, sondern bezieht sich auf den Voslapper Groden. Der soll für die Planung des Hafens in Anspruch genommen werden, wie dem derzeit abzustimmenden Strukturkonzept konkret zu entnehmen ist.
Die Fläche hat sich aber – außerhalb der von Raffinerie und PVC-Werk genutzten Bereiche – zu einem national bedeutsamen Lebensraum für bedrohte Pflanzen und Tiere entwickelt. Vor diesem Hintergrund „hatten die Umweltorganisationen (wiederholt) die Niedersächsische Landesregierung aufgefordert, das rund 800 ha große Gelände in Wilhelmshaven als EU-Vogelschutzgebiet der Kommission zu melden und dauerhaft zu schützen“ (Zitat PI). Im ersten Satz der PI steht auch, welche Verbände gemeinsam die Beschwerde eingelegt haben, vier nämlich, von denen einer, der Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (LBU), eine Vielzahl von Naturschutz-Vereinigungen vertritt. Die Kreisgruppe Wilhelmshaven des NABU (Naturschutzbund Deutschland) beschwerte sich folgerichtig über Westerhoffs Verallgemeinerung „mehrere Umweltverbände“ und distanzierten sich von der Beschwerde, weil der Vorstand den JWP befürwortet.
Noch eine wichtige Info ist, dass die EU die Beschwerde angenommen hat. „Die Annahme unserer Beschwerde lässt hoffen, dass die Kommission die Landesregierung nun drängt, das Gebiet mit Rohrdommeln, Blaukehlchen und weiteren bedrohten Vogelarten unter den Schutz der EU zu stellen.“ Dazu Westerhoff: „Die Landesregierung geht in einer Stellungnahme davon aus, dass der Beschwerde nicht stattgegeben werde, weil die behaupteten Voraussetzungen nicht vorlägen.“ Der Forderung der Verbände liegen jedoch umfangreiche vogelkundliche Kartierungen zu Grunde, die im Ergebnis den von der EU vorgegebenen Kriterien EU für ein meldepflichtiges Vogelschutzgebiet entsprechen. Westerhoff hingegen glaubt, dies sei nur die „Meinung der Umweltschützer“.
Die EU-Kommission teilt aber die „Meinung“ (besser: Rechtsauffassung) der Umweltverbände: In ihrem letzten Schreiben an die Bundesregierung vom April 2003 hat sie den Voslapper Groden ausdrücklich als auszuweisendes Gebiet genannt, wie der PI zu entnehmen ist. Auszug aus dem Schreiben (S. 33): „Auch in Bezug auf die folgenden Gebiete erscheint die Ausweisung oder Erweiterung notwendig: Voslapper Groden (Wilhelmshaven): eines der 5 wichtigsten Gebiete für Rohrdommel, … Tüpfelsumpfhuhn … und Blaukehlchen … in Niedersachsen und damit von nationaler Bedeutung …“
Warum bleibt das Land trotzdem untätig? Die Verbände haben eine Vermutung: „Das Zögern Niedersachsens erklären sich die Organisationen damit, dass ein EU-Vogelschutzgebiet die Pläne für den JadeWeserPort stören würde.“ Und warnen vor den Folgen: „Das Land riskiert mit seiner Untätigkeit hohe Strafgelder.“ Die EU hat bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil die EU-Vogelschutzrichtlinie hier zu Lande nur unzureichend umgesetzt wird … Um dem zuvorzukommen, forderten die Umweltorganisationen die Landesregierung erneut auf, den Voslapper Groden als EU-Vogelschutzgebiet zu melden.
Das hätte noch einen Vorteil für die Planer des JadeWeserPorts: Bei Nichtmeldung kann die EU eine absolute Veränderungssperre bzw. einen Baustopp für das Schutzgebiet verhängen, wie es in anderen Ländern schon vorgekommen ist.
Kommentar:
Mensch, Herr Westerhoff!
Wenn der Chefredakteur unseres Tageblattes sich schon nicht mit EU-Recht auskennt, hätte er ja mal in die Gelben Seiten gucken und den BUND-Landesverband anrufen können. Oder die Kreisgruppe Wilhelmshaven, auf deren Veranlassung die Beschwerde ins Rollen gekommen ist. Dass er als Verfasser der unausgegorenen Meldung zeichnet, ist besonders schlimm. Obwohl er nicht gerade ein Verfechter linker oder ökologischer Ansichten ist, so hebt er sich doch in der Regel durch die journalistisch-handwerkliche Qualität seiner Beiträge vom Rest seiner WZ-Redaktion ab. Wir sind ziemlich enttäuscht.
Es klingt wieder mal, als seien die Umweltverbände die Bösen, die Verhinderer von Arbeitsplätzen. Dabei haben sie sich, vom wiederholten Vorschlag bis zur Beschwerde, nur an geltendem EU-Recht orientiert. Wie soll es je ein vereintes Europa geben, wenn sich immer wieder einzelne Staaten – und zwar in der Regel die reichsten – über gemeinsame Beschlüsse hinwegsetzen? Zudem ist die Vorgehensweise der Verbände, in Hinblick auf drohende Strafgelder bis zur Veränderungssperre, ausgesprochen fair gegenüber dem politischen Gegner.
Imke Zwoch
Hinweise für interessierte LeserInnen und Herrn Westerhoff:
Den genauen Text der Verbändebeschwerde finden Sie unter
www.lbu-niedersachsen.de/text/aktuelles/2003/07/eu_beschwerden.htm.
Die Pressemitteilung unter
www.bund-niedersachsen.de/Presse/Juli 2003.
Auszüge aus dem EU-Schreiben an die Bundesregierung unter
www.wattenrat.de/Aktuelles/Juni 2003.
Dort können Sie auch den kompletten Text abrufen.