Mit Händen und Füßen
Über die Arbeit der städtischen Ausländerberatung
(noa/ub) Entgegen allen Befürchtungen ist der ganz große Zustrom von Asylbewerbern aus dem Irak nach dem Krieg ausgeblieben. Gleichwohl sind das von der Diakonie betriebene Flüchtlingswohnheim in der Marienstraße und das städtische Wohnheim am Banter Deich voll belegt. Und trotz der Verschärfung des Asylgesetzes kommen nach wie vor neue Migranten auch in die Jadestadt. Der Gegenwind hat mit Marianne Janss und Rainer Päsler über ihre Arbeit in der Ausländerberatung gesprochen.
Asylantragsteller, das sind Menschen, die nach Gefängnis, Folter, Hunger, Bürgerkrieg und Flucht notdürftig untergebracht sind in einem fremden Land und konfrontiert sind mit einer fremden Sprache, einer fremden Kultur und nicht verständlichen Vorschriften und Anordnungen. Sie sind entwurzelt, verletzt und psychisch erschöpft, haben Freunde und Familienangehörige verlassen müssen. Sie haben ihren Besitz verloren, stehen vor dem Nichts und müssen wieder bei Null anfangen.
Marianne Janss und Rainer Päsler sind seit vielen Jahren in der Ausländerberatung tätig. Janss hat schon die so genannten boat people Anfang der 80er Jahre betreut. Damals haben Millionen südvietnamesische Flüchtlinge ihr Land auf dem Seeweg über das Südchinesische Meer verlassen. Diejenigen, denen die Flucht gelang (Hunderttausende ertranken oder wurden von thailändischen Piraten ermordet) genossen besonders in den westeuropäischen Ländern großzügig und freundlich Aufenthalt (dem Kommunismus entkommen!). Später kamen die Flüchtlinge aus den bürgerkriegszerrütteten Balkanländern. Heute heißen die Herkunftsländer der Flüchtenden Sierra Leone, Angola, Kamerun, China, Mongolei, Irak oder Sudan.
Welcher Flüchtling in welcher Stadt untergebracht wird, entscheidet in Niedersachsens die Zentrale Anlaufstelle in Braunschweig. Hier werden die Menschen nach Quoten geregelt im Land verteilt. Wen es nach Wilhelmshaven verschlägt, der wird in der Regel zunächst in den beiden noch bestehenden Wohnheimen untergebracht. Unmittelbar danach setzt die Arbeit der Ausländerberatung ein. Die Asylbewerber werden unterstützt bei den ersten kommunalen behördlichen Kontakten. Scheinbar banale Dinge müssen organisiert und besorgt werden. Kein leichtes Unterfangen bei oftmals fundamentalen Verständigungsschwierigkeiten.
Päsler: „Wir reden mit Händen und Füßen.“ Janss: „Wenn es ganz schwierig wird, haben wir die Möglichkeit, so genannte Sprachmittler einzuschalten. Das sind Leute, die neben ihrer jeweiligen Muttersprache auch relativ gut Deutsch sprechen können.“ Im Gegensatz zur Arbeit mit ausgebildeten vereidigten Dolmetschern kann es da schon mal vorkommen, dass so ein Sprachmittler mehr kommentiert und subjektiv interpretiert, als nüchtern den Wortlaut zu übersetzen.
Die Mitarbeiter der Ausländerberatung organisieren die ersten Schritte der Neuankömmlinge und sind wichtige erste Ansprechpersonen. Für viele Ausländer sind sie auch nach Jahren noch einzige Anlaufstation bei individuellen Schwierigkeiten und Benachteiligungen.
Besonders neue Migranten machen immer wieder unliebsame Erfahrungen mit skrupellosen Geschäftemachern. Flüchtlinge, die aufgrund besonderer Umstände sofort eine Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt anmieten können, sind willkommene Opfer für Wohnraumspekulanten, die ihre an sich unvermietbaren Bruchbuden gern gegen regelmäßige Mietüberweisungen des Sozialamtes Migranten überlassen. Windige Versicherungsvertreter und Zeitschriftendrücker haben leichtes Spiel mit den ahnungslosen und verunsicherten Ausländern. Marianne Janss und Rainer Päsler: „Oftmals hilft schon ein behördliches Schreiben der Mitarbeiter der Ausländerberatung, um Verträge, die ganz offensichtlich unter Ausnutzung der besonderen Schwierigkeiten der Migranten zustande kamen, rückgängig zu machen.“
Zuhören, Rat geben und konkrete Hilfsangebote organisieren sind wesentliche Elemente der Arbeit der Ausländerberatung. Besonders mit neu zugewiesenen Migranten soll behutsam ein vertrauensvoller Kontakt aufgebaut werden.
Darüber hinaus ist aber auch der Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ein wichtiges Feld der Ausländerberatung. Maßnahmen zur Förderung von Integration, Bildungsangebote und Projekte für Migranten (z.B. Sprachkurse) oder multikulturelle Veranstaltungen sind entscheidende Eckpunkte der Migrationssozialarbeit.
Marianne Janss und Rainer Päsler weisen darauf hin, dass besonders Niedersachsen auf Landesebene eine Reihe von Hilfsangeboten entwickelt hat, die den Integrationsprozess von Migranten fördern. Städte wie beispielsweise Hannover haben die Arbeit der Ausländerberatung erweitert durch Angebote, die insgesamt die soziale Benachteiligung und Diskriminierung von Ausländern beseitigen sollen. Ein großer Schritt in diese Richtung sind so genannte ‚Referate für interkulturelle Angelegenheiten’. Diese Referate haben u. a. die Aufgabe, das friedliche und konstruktive Zusammenleben von Menschen aus unterschiedlichen kulturellen Zusammenhängen zu fördern. Eine Rahmenkonzeption für ein solches ‚Referat für interkulturelle Angelegenheiten’ hat die Wilhelmshavener Ausländerberatung jetzt vorgelegt. Darin heißt es u. a.: „Die Ausländerbeauftragten des Bundes, der Länder und der Gemeinden haben 1996 Empfehlungen für die Stelle eines kommunalen Amtes für zugewanderte Minderheiten bzw. multikulturelle Angelegenheiten herausgegeben. Kernpunkte dieser Empfehlungen für die Kommunen sind:
Einwanderung akzeptieren; kulturelle Vielfalt bejahen; interkulturellen Austausch fördern… Bekämpfung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt… Herstellung gleicher Rechte… Maßnahmen zur Beschäftigungspolitik… interkulturelle Öffnung der Gesellschaft…. Antidiskriminierungsarbeit.“
4.071 ausländische Menschen (Stand: 31.12.02) aus insgesamt 83 Nationen leben in Wilhelmshaven. Sie stellen damit einen Bevölkerungsanteil von knapp 5 %. Ein großes Problem ist die Arbeitslosigkeit: Wegen der hohen Arbeitslosenquote im Arbeitsamtsbezirk erhalten Asylbewerber und „Geduldete“ (das sind Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die aber wegen der politischen Lage in ihrem Heimatland nicht ausgewiesen werden) keine Arbeitserlaubnis. Die Arbeitslosenquote bei ihnen beträgt 46,35 % (Stand: März 2002).
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