Wohin mit dem TenneT-Umspannwerk?
Mrz 162021
 

BUND fordert: Die Energiewende darf nicht zulasten des Natur- und Landschaftsschutzes gehen

Umspannwerk Fedderwarden. Foto: BUND

Umspannwerk Fedderwarden. Foto: BUND

(red) Der Ausbau der Infrastruktur für die Energiewende läuft auf Hochtouren. In unserer Region geht es vor allem um die Einspeisung der Energie aus den Offshore-Windparks ins Strometz. Aktuell sucht die TenneT TSO GmbH eine Standort für ein zweites Umspannwerk – zunächst auf eigene Faust. Das kam nicht gut an, als die Begehrlichkeiten öffentlich wurden. Die Sengwarder Bürger:innen fühlen sich übergangen. Auch aus Sicht des BUND kommt der von TenneT bislang favorisierte Standort östlich des Dorfes nicht in Betracht – und ebenso wenig die von der Stadt vorgeschlagene Alternative im Naturschutzgebiet Voslapper Groden.

Nachdem zunächst die Gerüchteküche gebrodelt hatte, stellten Mitarbeiter:innen von TenneT vergangene Woche auf Einladung des Ortsrates Sengwarden ihre Planungen in der öffentlichen Sitzung des Gremiums vor. Gut zwei Dutzend Bürger:innen nahmen die Gelegenheit wahr, den Sachstand zu erfahren und Fragen zu stellen. TenneT ließ durchblicken, dass die Herangehensweise – eine Standort-Sondierung, ohne von vorn herein die Stadt und die Öffentlichkeit einzubeziehen – nicht sehr geschickt war. Es wurde Besserung gelobt, ein Bürgerdialog soll angeboten werden und nun sind alle aufgefordert, in den nächsten 4 Wochen weitere Standortvorschläge zu machen.

Einen Vorschlag hatte die Stadt bereits gemacht: Eine Fläche im Voslapper Groden (Nord). Der Voslapper Groden war anfangs der 1970er Jahre auf Wattflächen aufgespült worden, um Industrie dort anzusiedeln. Die Hoffnungen auf den großen Boom erfüllten sich nicht, bis auf die Raffinerie (heute nur noch Tanklager) und das PVC-Werk blieb die Nachfrage aus und die Natur holte sich die ungenutzten Flächen zurück. Eine Vielzahl seltener Pflanzen und Tiere siedelte sich an und einige besonders bedrohte Brutvogelarten waren ausschlaggebend, dass ein großer Teil der ehemaligen Spülfläche den Status eines europäischen Vogelschutzgebietes bekam. Damit war das Land Niedersachsen verpflichtet, das Gebiet nach nationalem Recht als Naturschutzgebiet zu sichern. Und dieser Status lässt sich nicht einfach wieder aufheben, hierfür legt die EU strenge Kriterien an.

Insgesamt zeigt sich, wie aufgrund vielfältiger Begehrlichkeiten und Nutzungsansprüche die verfügbaren Freiflächen bundesweit und eben auch in unserer Region immer knapper werden (Stichwort: Flächenfraß). Statt immer nur um einzelne Flächen zu feilschen und dabei verschiedene bewahrende Interessen wie Landwirtschaft, Naturschutz und Erholung gegeneinander auszuspielen, bedarf es einer vorausschauenden Gesamtplanung. Unter diesem Aspekt hat die BUND Kreisgruppe Wilhelmshaven Position zu dem aktuellen Vorhaben „Umspannwerk Wilhelmshaven 2“ bezogen.

Position der BUND Kreisgruppe Wilhelmshaven zur Standortsuche für das Umspannwerk „Wilhelmshaven 2“ der TenneT TSO GmbH

Im Rahmen der Netzanbindung für die Offshore-Windparks sucht die Firma TenneT einen Standort für ein neues Umspannwerk. Der Flächenbedarf für die Energiewende darf nicht zu Lasten von Naturschutz, Landwirtschaft und der ortsansässigen Bevölkerung gehen.

Unweit von Fedderwarden an der A29 hat TenneT bereits ein Umspannwerk  errichtet. Für ein weiteres Umspannwerk (Arbeitstitel „Wilhelmshaven 2“) nebst 2 Konvertern wird eine Fläche von knapp 40 ha benötigt. Dafür hat der Vorhabenträger das Gebiet zwischen der Hofstelle Utters und dem Industriegleis östlich von Sengwarden ins Auge gefasst.

Solarpark bei Sengwarden. Foto: BUND

Solarpark bei Sengwarden. Foto: BUND

Erst nachdem die Pläne bekannt wurden, kam die Beteiligung der Stadt und der Anlieger ins Rollen. Der Bereich um Sengwarden ist bereits durch verschiedene infrastrukturelle Maßnahmen belastet. So entsteht nördlich der Utterser Landstraße gerade auf 13 ha Fläche ein Solarpark. Und im Zuge der Elektrifizierung der Bahnstrecke soll das Industriegleis auf mehr als 2 km Länge mit einem gut 10 m hohen Galeriebauwerk eingehaust werden, um den Funkmast auf dem Bundeswehrgelände Sengwarden vor elektromagnetischen Störfeldern zu schützen. Deshalb wehren sich die Anwohner:innen entschieden gegen den Bau des Umspannwerks direkt vorm Dorfeingang. Seitens der Stadt und des Umweltministeriums wurde dann der Voslapper Groden Nord als Alternativstandort ins Spiel gebracht. Dieser ist Europäisches Vogelschutzgebiet (Teil des europaweiten Schutzgebiets-Systems NATURA 2000) und entsprechend als Naturschutzgebiet gesichert.

Aus Sicht des BUND kommt keine der beiden Flächen – weder das Schutzgebiet Voslapper noch die Hofstelle Utters – als Standort für ein Umspannwerk in Betracht.

Das Naturschutzgebiet Voslapper Groden darf, nach den rechtlichen Vorgaben für NATURA 2000-Gebiete, erst dann für eine anderweitige Nutzung entwidmet werden, wenn die sogenannte FFH-Verträglichkeitsprüfung bzw. die damit verbundene Ausnahmeprüfung zum Ergebnis kommt, dass

  • das Projekt bzw. der Plan aus den gesetzlich geforderten Gründen eines öffentlichen Interesses zwingend notwendig ist und die konkret betroffenen Natura 2000-Belange nachweislich überwiegt,
  • zumutbare Alternativen, den mit dem Projekt bzw. Plan verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, nicht gegeben sind.

Und die Fläche im Bereich Utters ist (laut Landschaftsrahmenplan der Stadt Wilhelmshaven) ausgerechnet einer der naturschutzfachlich wertvollsten Standorte innerhalb des landwirtschaftlich genutzten Komplexes im Nordwesten der Stadt.

Unsere Forderung: Die Standortsuche für das Umspannwerk muss gemeinsam mit allen Beteiligten und ohne betriebswirtschaftliche Ausschlusskriterien seitens TenneT nochmal von vorn beginnen. Dabei müssen auch Flächen im Landkreis Friesland mit einbezogen werden. In erster Linie sollten bereits erschlossene Flächen bzw. Industriebrachen ins Auge gefasst werden. So wird z.B. das seit Jahrzehnten offen gehaltene Gelände für ein Flüssiggasterminal ganz im Norden des Voslapper Grodens nicht mehr benötigt und direkt anschließend gibt es ungenutzte Betriebsflächen der Vynova.

Bei der Standortsuche sollten sich Naturschutz, Landwirtschaft und ortsansässige Bevölkerung nicht durch einen künstlich erzeugten Zeitdruck auseinanderdividieren lassen. Denn auch, wenn man sich nicht bei allen Themen einig ist: Hier gibt es das gemeinsame Ziel, unsere historisch gewachsene Marschlandschaft so weit wie möglich vor einer weiträumig verteilten baulichen Übernutzung zu schützen.

Naturschutz und Landwirtschaft haben gerade gemeinsam den „Niedersächsischen Weg“ eingeschlagen. Eine Forderung dieses Programms, das im niedersächsischen Naturschutzrecht konkretisiert wird, ist die Begrenzung und Beendigung der Flächenversiegelung. Noch werden täglich bundesweit fast 60 ha Freiflächen neu verbaut und versiegelt, ob für Straßen, Energieanlagen, Neubausiedlungen oder Amazon-Verteilcenter – und fast immer auf Kosten der Landwirtschaft und des Naturschutzes. Unbebaute Flächen sind eine zunehmend knappe Ressource, gleichzeitig haben sie eine existenzielle Bedeutung für den Natur- und Klimaschutz, den Boden- und Wasserhaushalt und unsere Ernährung.

Die Forderung nach einem nachhaltigen, sparsamen und sorgfältigen Umgang mit dieser Ressource soll den Ausbau erneuerbarer Energie und damit die Umsetzung der Energiewende nicht in Frage stellen. Es geht nicht um das „ob“, sondern um das „wo“ und „wie“. Am Ende wird es immer Kompromisse geben, jedoch dürfen nicht ausgerechnet wertvolle Naturrefugien das Wunschkonzert der Planungsträger anführen.

Weitere Stellungnahmen zu den Planungen für das Umspannwerk:

Presseinformation der SPD

Gruppe FDP / FW im Rat der Stadt

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