Gedanken und Stimmungen zum Wahlausgang
Auf den nächsten beiden Seiten setzen wir uns mit einigen wenigen Aspekten des Ergebnisses der niedersächsischen Landtagswahl 1994 auseinander. Es geht nicht um tiefschürfende Analysen, selbst der Sturz der FDP ins Bodenlose wird nicht erwähnt – eben nur Gedanken und Stimmungen.
Wilfrid Adam Foto: Tunnat
REP auf Vor- oder Vorbeimarsch?
Mit Genugtuung haben Vertreter der Großparteien festgestellt, daß man bei dieser Landtagswahl in Niedersachsen den REPublikanern mit 3,7 % den Einzug in den Landtag verwehren konnte. Doch ist dies nicht das Verdienst der beiden Großen, die im Wahlkampf nicht oder nur zaghaft die politische Auseinandersetzung mit der Rechtspartei suchten. Wenn, dann war es das Verdienst des „klugen Bürgers“. Doch täuscht der Durchschnittswert von 3,7%. In einigen Gegenden, Städten und Stadtteilen konnten die REP beachtliche Zugewinne machen. Im Stadtteil Hannover-Nordwest erhielten sie 7,8 Prozent, wie überhaupt rund um die Landeshauptstadt ein REP-Nest zu sein scheint, denn in allen diesen Wahlkreisen bekamen sie über 5 Prozent.
Auffällig ist weiterhin, daß in den Wahlkreisen, in denen die CDU die Direktmandate gewann, der Anteil der REP meist unter 3 Prozent blieb. In Wilhelmshaven konnten sich die Rechten von der Landtagswahl 1990 zu 1994 bei den Zweitstimmen von 481 auf 1.536 verdreifachen (ein Vergleich der Erststimmen ist nicht möglich, da es 1990 keinen Direktkandidaten der REP gab). Im Stadtnorden (Anteil an Wahlkreis 99) stieg die Zahl von 265 auf 665.
Erwin Fiege
Kommentar:
Der absolute Schröder
Das war sicherlich kein Traumergebnis für die alternative und linke Bewegung in Niedersachsen: Die SPD erringt die absolute Mehrheit im Niedersächsischen Landtag. Gelang es den Grünen in der vergangenen Legislaturperiode oft noch, die Repräsentanten des rechten SPD-Flügels in Schach zu halten, werden diese ihre denkbar knappe Mehrheit von einer Stimme zur Durchsetzung ihrer Politik einsetzen.
Die Nichtbeteiligung der Grünen an der Regierung hat sowohl positive als auch negative Aspekte. Positiv ist, daß die Grünen in der Opposition sich wieder darauf besinnen können, wo eigentlich ihre Aufgabe in der Politik liegt. Die Krötenschluckerei in der Rot-Grünen Regierung hat ihnen so manchen Kratzer eingebracht, den es gilt in der Opposition zu beseitigen. Negativ an der Oppositionsrolle der Grünen ist, daß damit ein Frühwarndienst für die an der Basis arbeitenden Initiativen (nicht nur aus dem Umweltbereich) wegfällt und die Mitberücksichtigung der Interessen der nicht parteipolitisch organisierten Basisgruppen nur noch schwerlich Eingang in Regierungsentscheidungen finden wird.
Für Wilhelmshaven könnte das Ausscheiden der Grünen aus der Regierung besonders negative Auswirkungen haben, denn hier sind Planungen angelaufen (z.B. Jadeport und Verlegung der Binnenschiffahrtsgrenze), die eine Beteiligung der Grünen an den anstehenden Entscheidungen unbedingt erfordert hätte.
In Wilhelmshaven sticht neben dem großen Sieg des SPD-Kandidaten Adam das weit über dem Landesdurchschnitt stehende Ergebnis der Republikaner ins Auge. In einzelnen Wahlbezirken gaben mehr als 8% der WählerInnen dieser rechtsextremen Partei ihre Stimme. Nur in 9 Wahlkreisen (von Hundert) konnten die Republikaner noch bessere Ergebnisse erreichen. Das sind schlimme Zeichen, die hier in der Jadestadt gesetzt wurden.
Hannes Klöpper
Kommentar
Mit 5,21 Prozent für die REPs, 0,1 Prozent für die NPD und 0,1 Prozent für die mit Lyndon LaRouche verbundene Partei der bibeltreuen Christen liegen die Rechten in Wilhelmshaven deutlich über dem Landesdurchschnitt.
Wenn es auch erfreulich ist, daß die rechtsextremen Republikaner den Einzug in den Landtag nicht geschafft haben, so muß es doch bedenklich stimmen, daß die Neofaschisten in unserer Stadt ein so hohes Ergebnis erzielen konnten.
Ein Grund für diesen im Vergleich zu den 3,7 Prozent auf Landesebene recht hohen Erfolg der braunen Rattenfänger ist mit Sicherheit die hohe Arbeitslosigkeit in Wilhelmshaven. Aber auch bei der Partei der Nichtwähler dürften sich die Rechten für dieses Wahlergebnis bedanken. Darauf wies insbesondere auch Wilfrid Adam bei der Wahlparty im Pumpwerk hin. Wie er waren auch die Vertreter der anderen Parteien betroffen über das gute Abschneiden der Faschisten.
Dieses Ergebnis mit der sicherlich recht hohen Zahl der Protestwähler zu begründen, verharmlost den Erfolg der Rechtsextremen. Mit der Bezeichnung „Protestwähler“ werden Leute entschuldigt, die aus Unzufriedenheit mit den „großen“ Parteien ihre Stimme einer Partei geben, die mit ausländerfeindlichen und neofaschistischen Parolen wirbt. Ein solcher Protest kann doch nur bedeuten, daß diese Wähler sich die Übernahme zumindest eines Teiles der rechtsextremen Parolen durch die Altparteien wünschen und somit einen gewissen Rechtsruck in der deutschen Politik, womit sie in der Vergangenheit ja auch teilweise Erfolg hatten (u. a. Artikel 16 Grundgesetz – Grundrecht auf Asyl).
Niemand kann behaupten, nichts von den wahren Absichten der Rechten gewußt zu haben. Wie menschenverachtend die REPs denken, zeigt sich in der Unterteilung der Ausländer in gute Gastarbeiter, die schon seit Jahren hier leben und arbeiten, und parasitäre Scheinasylanten, die angeblich nur nach Deutschland kommen um hier abzukassieren.
Wer einerseits Skinheads als nützliche Idioten sieht und bei Veranstaltungen als Saalordner beschäftigt, sich andererseits aber bei Bedarf von diesen primitiven Schlägern distanziert und im Wahlkampf vorgibt, härter gegen rechte Gewalttäter vorgehen zu wollen, muß die Wähler für ausgesprochen naiv halten.
Solchen Leuten darf man nicht auf den braunen Leim gehen, auch nicht aus Protest.
Thomas Sobel