Leserbrief
Nov 221993
 

Der im folgenden abgedruckte Leserbrief wurde am 5.10.93 an die Wilhelmshavener Zeitung gesandt und dort nie abgedruckt, obwohl die WZ erst zum 18.10. den Abdruck von Leserbriefen zum Thema „Wilhelm“ einstellte.

Die Wilhelmshavener Zeitung ist schon etwas Eigenes. Da wirft sich der Kommentator Westerhoff fürs Wilhelm-Denkmal in die Schanze, und Reporterin Schwarz liefert die Munition des Meinungsforschungsinstitutes Desenz. Sie schließen messerscharf: die Wilhelmshavener wollen Wilhelm. Das war letzten Samstag. Am Mittwoch davor hatte die WZ schon eine Breitseite gen „Denkmalskritik“ abgefeuert. Die Leserbriefspalte sichert derweil die Flanken: 10 : 2 für Willy, wenn ich recht gezählt habe.

Inzwischen hat‘ s hoffentlich bei jedem eingeschlagen, daß an des herzensguten Monarchen Missetaten nur irgendwelche Berater schuld waren, die Ausländer ohnehin das bessere Verhältnis zur deutschen Geschichte besitzen, die Statuenspender nur Lob verdienen – und daß es komischerweise diese „Denkmalskritiker“ gibt, die uns Willy „wegdiskutieren “ wollen.
Tja, warum gibt’s die wohl?
Eine gewisse Rolle spielt dabei die Scheinheiligkeit der WZ und das geistige Harakiri ihrer Redaktion. Darauf möchte ich mich im wesentlichen beschränken.

1) Herrn Babatz kennt man ja jetzt aus dem Fernsehen, Herrn Leffers aus der „Frankfurter Rundschau“. Warum nennt nicht die WZ, die Zeitung Wilhelmshavens, die Denkmalsspender? Die Leser würden nämlich Herrn Adrian, den Herausgeber, als organisatorischen Motor der Aktion kennenlernen! Die Freiheit der Meinung und die Information der Bürger ergeben sich aus den Besitzverhältnissen… Hat das die WZ zu verbergen?

2) Herr Westerhoff, Herrn Adrians Chefredakteur, rät denn auch den „Denkmalskritikern“: „Es gehört … dazu, Geschichte zu akzeptieren – nicht im Sinne kritiklosen Jubelns, sondern eher nachdenklich: Denk mal …“ Einverstanden, Herr Westerhoff! Aber wo bleibt der kritische oder auch nur informierende Beitrag Ihrer Zeitung zum Thema? Ich lese nur Wilhelmiaden auf Stammtischniveau. Den Artikel zu Brune-Druck und den Nationalsozialisten, seit 48 Jahren fällig, haben Sie doch sicher inzwischen fertig?

3) Frau Schwarz, die Redakteurin, liefert den Lehrern der Jadestadt Material zum Thema Manipulation. 1969 wurde nicht wegen Geldmangels das Denkmal nicht gebaut, sondern weil die SPD damals noch nicht wußte, wer Wilhelm ist. Es geht auch nicht um eine „Vervollständigung des Kaiser-Denkmals“, Frau Schwarz! Vielleicht fehlt der Statue demnächst die Federhaube. Dann stimmt Ihre Wortwahl … Beim Bericht über Herrn Desenz haben Sie dann wohl Ihr eigenes Zentralorgan verloren, wie ja auch des Orglers Name „Abwesenheit“ bedeutet. Der kurbelt für Wilhelm, sein gutes Recht. Wie repräsentativ sind aber wohl die Leute, die zu ihm gehen? (Genauso repräsentativ die wie in der WZ abgedruckten Leserbriefe – Anm. d. Red.) Und fast alle Befragten sind Leser Ihrer Zeitung, die für das Denkmal schreibt und das Meinungsmonopol besitzt. Unter diesen Bedingungen sind die knapp 30 % gegen das Denkmal erstaunlich!

4) Zu der von der WZ hergestellten Öffentlichkeit paßt das Verhalten der Stadtpartei SPD. Der zuständige Kulturausschuß wurde übergangen, dem Stadtrat wurde die Diskussion genommen, in der Abgeschlossenheit des Verwaltungsausschusses fiel die Entscheidung. Klammheimlich wollten Fraktionschef Bergner und Wilhelmshavens Schinkel, Dr. Sommer, die Denkmalsaufstellung „durchziehen“. Ein Fehler, denn derartige Deichgrafenart erzeugt nur Gegner.

Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich könnte mit einem Wilhelm-I.-Standbild leben. Unerträglich für mich sind aber die vordemokratischen Strukturen in Wilhelmshaven, die aus der Kaiserzeit zu stammen scheinen.

Mit freundlichem Gruß Hartmut Peters WHV

P.S.: (= können Sie veröffentlichen, sollen Sie aber nicht): Ich würde über die WZ nachdenken, wenn sie diesen Leserbrief ohne Sinnentstellung abdruckte.
Zu meiner Person: Ich bin kein Kommunist, sondern Träger der Theodor-Heuss-Medaille (1986) „wegen besonderer Verdienste um die Demokratie“.

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