Gegenwind 1993
Nov 221993
 

Die Hosen runter

Nach wenigen Wochen Diskussion ist vom Mythos Kaiser Wilhelm I. kaum etwas geblieben

gw118_titelInhalt

♦ GREENPEACE in Aktion: Mit allen Mitteln versuchte ICI die Entnahme von Wasserproben aus ihrem Abflußrohr zu verhindern. Wer nichts zu verbergen bat, braucht keine Polizei und Feuerwehr

♦ Stadtkünstler in Wilhelmshaven – ein halbes Jahr ohne finanzielle Not nur für die Kunst leben! Ein Traumjob!? Unser letzter Stadtkünstler wollte nach diesem sorgenfreien Jahr sogar aufhören, künstlerisch zu arbeiten. Wir befassen uns mit dem „Warum“.

♦ Massenarbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, nationalistische Kriege in allen Ecken der Welt, verhungernde und erfrierende Menschen. Tag für Tag beweist der Kapitalismus, daß er nicht in der Lage ist, die Probleme der Menschheit zu lösen. Doch lohnt ein neuer sozialistischer Anlauf? „Sozialismus oder Barbarei!“

♦ Wie wird aus einem kleinen Alu-Deckel eine Kaninchenzuchtstation in Togo?

♦ Utta Schüder contra Rolf Rütters: Gibt es in Niedersachsen einen Anti-PVC-Beschluß?

♦ Eckard Kelbch ist nach 27 Jahren aus der SPD ausgetreten. Unsere Frage: „Wer verlässt wen?“

♦ Seit Jahren warten viele LehrerInnen auf eine Anstellung – Im Gespräch mit Ministerpräsident Schröder und Kultusminister Wernstedt präsentierten sie ihre Probleme und Forderungen.

♦ Die Veranstaltungen der K-Gruppen waren besser besucht – TIC im Fernen Osten


 

Zum Titelbild: Für wenige Minuten konnten Wilhelmshavens BürgerInnen ihren Kaiser mit heruntergelassenen Beinkleidern bewundern. Die Statue, ein Werk von Burkhart Königshoff, steht jetzt im Cafe Finke, Virchowstr. 32. Foto: Tunnat


Die Druckausgabe zum Runterladen: Gegenwind 118

Nov 221993
 

Tarnen, täuschen und verpissen

so lautet wohl das neue, kaiserlich-militärische Demokratieverständnis dieser Stadt. Richtungsweisende Beschlüsse wie die Aufstellung des Kaiserdenkmals oder des U-Bootes am Südstrand werden im Schnellverfahren und an der Bevölkerung bzw. an den zuständigen Fachausschüssen vorbei vom Verwaltungsausschuß und dem Rat der Stadt (oder gar im Grunde von der Verwaltung?) gefällt. OB Menzel äußerte sich auf dem Kunstmarkt anläßlich der Enthüllung eines alternativen, d. h. kritischen Kaiserdenkmals dahingehend: „Die Kaiserkritiker , das sind doch nur die Leute, die ohnehin immer gegen alles sind. “ Sprach’s, nachdem er kurz zuvor anläßlich des Jahrestags der Reichsprogromnacht sich für die Opfer einer Gewaltherrschaft eingesetzt hatte, die nur deshalb erfolgreich war, weil eben nicht genug Menschen erstmal alles, was von oben kommt, in Frage gestellt haben. Menzel weiter: „Das ist doch nur eine Minderheit, die gegen das Kaiserdenkmal sind. “ Ob Mehr- oder Minderheit, darüber läßt sich nicht streiten, solange die Statistik allein auf dem subjektiven Mist der Wilhelmshavener Zeitung oder des Orglers Desenz gewachsen ist. Wohl aber läßt sich darüber streiten, warum auf einmal die Meinung sogenannter Minderheiten, lebendiger Ausdruck eines pluralistischen Systems und seit langem Zielgruppen wählerstimmensüchtiger Parteien, ins politische Abseits gestellt werden sollen.
Man könnte Herrn Menzel theoretisch noch zustimmen, daß die Abstimmungsergebnisse der gewählten VertreterInnen des Kommunalparlaments die Meinung ihrer WählerInnen repräsentieren. Weit gefehlt: Abtrünnige des Fraktionszwangs werden jetzt ganz öffentlich mit Partei-Mobbing bedroht – so die SPD-Abgeordneten Ursula Aljets und Walter Heide, die gegen eine Aufstellung des U-Bootes votierten. Wer sich dem Konflikt zwischen Mobbing und Gewissen entziehen will, kann sich seit neuestem einfach verpissen, d.0h. während der Abstimmung werden die Toiletten des Rathauses aufgesucht, sodaß man/frau bei der Frage nach dem eigenen Votum nach allen Seiten hin abgesichert ist.

Nov 221993
 

Bangen

um den Arbeitsplatz müssen immer noch die Beschäftigten der Firma Wessel-Hydraulik (vgl. GW 116). Aus dem Zweigwerk in Giebolderhausen (Nähe Göttingen) wurden acht Mitarbeiter nach Wilhelmshaven versetzt. Der Betrieb soll in den Stadtnorden umziehen. Für den Neubau sind schon 1,8 Mio DM verbaut worden; doch seit einigen Wochen passiert auf der Baustelle nichts mehr. Für die Vollendung des Neubaus ist eine Bürgschaft über 3,8 Mio DM erforderlich. Die Stadt Wilhelmshaven hat die Übernahme dieser Bürgschaft schon abgelehnt. Man hofft jetzt auf das Land. (noa)

Nov 221993
 

ABM

heißt nach wie vor das Zauberwort mit dem die Stadt Wilhelmshaven versucht, die mittlerweile dramatische Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt einzudämmen. Die Arbeitslosenquote stieg bekanntlich im Oktober dieses Jahres auf 17 % und erreichte damit den höchsten Stand seit 1955. Über den Sinn der einzelnen AB-Maßnahmen mag man streiten. Die zumindest zeitweilige Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß und die befristete Wiedererlangung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld lindert die finanzielle Not der ABM-Beschäftigten. Auf eine derzeit vom Grünflächenamt durchgeführte ABM wurden wir von einem Wilhelmshavener Arzt aufmerksam gemacht. Bei Minustemperaturen, Schneetreiben und eisigem Seewind war eine Gruppe ABM-Beschäftigter mit dem Beseitigen von Unkraut auf der Deichkrone beschäftigt. Der Krankenstand dieser Arbeitsgruppe soll angesichts derart widriger Arbeitsbedingungen zeitweilig 50% betragen haben. (ub)

Nov 221993
 

Vielfältig

ist der Protest der Wilhelmshavener LehrerInnen gegen die angekündigte Arbeitszeitverlängerung. Die geplanten Maßnahmen reichen von Briefen an Kultusminister und/oder Ministerpräsident über Elternbriefe bis hin zur Einstellung sämtlicher außerunterrichtlicher Tätigkeiten. Einigen Kollegien ist es gelungen, die Eltern ihrer SchülerInnen für die Unterstützung des Protests zu gewinnen; so sammeln z.B. Eltern der Schule Salzastraße Unterschriften gegen die Arbeitszeitverlängerung und für die Einstellung junger Lehrkräfte.(noa)

Nov 221993
 

Sag Nein

nie-wieder-kriegWolfgang Borcherts großes Gedicht gegen Krieg und Militarismus paßt nicht zum Volkstrauertag. Diese Meinung vertraten jedenfalls mehrere Mitglieder des Marinebundes im Anschluß an eine Veranstaltung zum Volkstrauertag im Stadttheater. Für diese Herren ist der Volkstrauertag noch immer der Heldengedenktag längst vergangener Zeiten. (hk)

Nov 221993
 

Gläsernes Abflußrohr

Greenpeace zieht Abwasserproben bei ICI

(ft) Oft hatte Greenpeace bei der ICI-Wilhelmshaven um Überlassung von Proben der Abwässer gebeten, die von der Firma in die Jade gepumpt werden. Doch weder Proben noch Ergebnisse wurden von der ICI preisgegeben. Ende Oktober holte sich Greenpeace selbst den Stoff, der aus den Rohren kommt.

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Nov 221993
 

Kriminalisiert

Auf besorgte Bürger reagiert die Firma ICI nur mit einer Flut von Strafanzeigen. In den letzten Wochen konnten die Greenpeace-AktivistInnen, die am 9. und 10.11.1992 die Werkstore der ICI blockierten, nur vor Gericht ihre Beweggründe für die Blockade des PVC-Produzenten darlegen. Ein Vertreter der ICI war bei diesen Gerichtsverfahren nicht anwesend. Die menschenverachtende Aussage des ICI-Geschäftsführers Schütze, daß man zwar weiß, „daß PVC gefährlich ist, aber Menschen sterben auch in Betten – deshalb schafft man doch keine Betten ab“, war für einige Wilhelmshavener BürgerInnen Auslöser, sich spontan an der Blockadeaktion von Greenpeace zu beteiligen. Der Preis dafür war ein Strafbefehl über 30 Tagessätze a 30.- DM – wahlweise 30 Tage Knast. Im Namen des Volkes wurde Recht gesprochen. Im Namen des Volkes?
Der nächste Gerichtstermin gegen Greenpeace-Aktivisten findet am 13. Dezember 1993 um 14.00 Uhr im Amtsgericht Wilhelmshaven (Marktstraße) statt.

Nov 221993
 

Einsichten eines Pausenclowns

Retrospektive des Wilhelmshavener Stadtkünstlers mit bitterem Nachgeschmack

(iz) Eine Stadt, die chronisch pleite ist und im allgemeinen gern am Kulturetat spart, leistet sich einen Stadtkünstler. Aus den 1.000 Mark, die sie sich das monatlich kosten läßt, sollte sie logischerweise ein Gewinnmaximum im Bereich Kultur, Kommunikation und Image herausschlagen. Umgekehrt soll der Künstler durch das Stipendium Gelegenheit erhalten, sich für einen begrenzten Zeitraum frei und ohne Sorge um den Lebensunterhalt der Kunst zu widmen. In Wilhelmshaven sieht die Praxis wieder mal ganz anders aus.

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Nov 221993
 

Zwei Veranstaltungstage lang hörten Linke verschiedener Denkrichtungen einander zu

(red) Zum 75. Jahrestag der Novemberrevolution fand am 5. und 6. November im Pumpwerk und im Gewerkschaftshaus ein „Ratschlag“ zur Frage „Lohnt ein neuer sozialistischer Anlauf?“ der Bürgerinitiative für Sozialismus in Zusammenarbeit mit dem DGB-Kreis Wilhelmshaven und der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben statt.

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Nov 221993
 

In neuen Räumen

Im Oktober 1993 ist die Galerie M in die Südstadt umgezogen. Nach mittlerweile 15jährigem Bestehen befindet sie sich nun in dem 1888 als Garnisons-Waschanstalt erbauten Gebäude in der Kanalstraße 43, das 1922 als erste Jugendherberge Wilhelmshavens eingeweiht wurde. Seit 1988 hatte der verstorbene Sohn der Galeristin, der Künstler Olaf Marxfeld, in dem Gebäude gelebt und gearbeitet. 160 m2 stehen nun der Galerie zur Verfügung, während ein Raum für das hinterlassene Werk des Künstlers verbleibt. Nach 1jähriger Umbauzeit wurde das alte Gemäuer zwischen Weserstraße und Bontekai im Oktober 1993 seiner neuen Bestimmung übergeben. Derzeit ist dort eine Ausstellung mit Fotografien des Stadtkünstlers Peter Schneider zu sehen.
Galerie M, Kanalstraße 43, Weser-/Einmündung Allerstraße

Nov 221993
 

Informationen und Kulturprogramm am Welt-Aids-Tag

5 Jahre besteht die Wilhelmshavener Aidshilfe inzwischen und in diesen Tagen bekommt die Einrichtung durch den jüngsten Blutplasmaskandal eine steil ansteigende Bedeutung als Beratungsanlaufstelle für HIV-infizierte Menschen. Mit mehreren Wortbeiträgen, Informationen und Filmen wird am Mittwoch, dem 1. Dez. anläßlich des Welt-AIDS-Tages ab 14.00 Uhr im Kulturzentrum Pumpwerk von kompetenten Fachleuten der Nachmittag gestaltet. Nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden der Wilhelmshavener Aids-Hilfe, Herrn Dr. Prött, folgt ein Referat des HIV-Facharztes Dr. Natt von der Ambulanzstation des Krankenhauses Sanderbusch. Mit der Gewalt gegen Schwule beschäftigt sich der Wortbeitrag von Jörg Lührmann von der Göttinger Aids-Hilfe. Christoph Schmidt-Peters, von der Niedersächsischen Aids-Hilfe gibt Auskunft über die finanzielle Situation der Einrichtungen. Gabi de Winter, Geschäftsführerin der Aids Hilfe Wilhelmshaven, wird über die Situation nach der Blutplasmaaufdeckung berichten und auf die Möglichkeiten zur Drogenselbsthilfe eingehen.
Ab 20.30 Uhr wird nach dem schwerverdaulichen Nachmittag die Möglichkeit zur musikalischen Entspannung geboten. Die Fun Company haben als Westernhagen Band bereits Furore gemacht. Marius selbst wäre absolut verblüfft, wenn er sie hören würde.
Auch der Sänger bewegt sich wie Westernhagen. Ob „Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“, „Johnny Walker“ oder „Sexy“, die Fans singen wie beim Original mit lauten „Marius“ Rufen begeistert mit. Neben dem Cover Repertoire spielt die Gruppe auch eigene Stücke.

Nov 221993
 

Frauenliste

 

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… vor langer Zeit, da begab es sich in den letzten Tagen des Jahres zur Winterzeit, daß ein großes Fest begangen wurde, weihnachten genannt! Dieses Fest beruhte auf dem Glauben, daß zu Beginn unserer Zeitzählung ein Knabe namens Jesus geboren worden ist, der den Menschen als der Heiland galt. Er hatte viel Gutes für die Menschen getan und ist für sie am Kreuz gestorben. An Weihnachten nun wollten ·die Menschen seiner gedenken und ebenfalls Gutes tun. Das endete aber leider darin, daß hauptsächlich die Frauen, die leider nicht die gleichen Rechte wie die Männer hatten, Gutes taten, indem sie ihre Familie umsorgten, bekochten, bebackten, verwöhnten und Geschenke brachten, während die Männer sich bedienen und verwöhnen ließen.
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Nov 221993
 

Entwicklungshilfekreis sucht Alu-Presse

(ft) Eigentlich wollte der Entwicklungshilfekreis der Heppenser Kirche nur eine Kleinanzeige im GEGENWIND veröffentlichen: „Alupresse gesucht“. Diese Anzeige erweckte die Neugier der Redaktion, und es entstand daraus ein Artikel, wie man mit alten Zahnpastatuben und Joghurtbecherdeckeln eine Apotheke in Togo finanzieren kann.

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Nov 221993
 

PVC-Odysee

PVC-Fan Rütters blieb bis heute eine Antwort schuldig

(iz) Mittlerweile sollte es sich rumgesprochen haben, daß PVC und andere Chlorchemikalien bei der Produktion, im Gebrauch und bei der Entsorgung umwelt- und gesundheitsschädlich und damit auch volkswirtschaftlich bedenklich sind. Es gibt jedoch hiesige Kommunalpolitiker und Medien, die ihr Ohr nur an der Industrie haben. Diese Erfahrung mußte jedenfalls die Schortenser Ratsfrau und stellvertretende Bürgermeisterin Utta Schüder machen.

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