Pumpwerk-Umbau
Jan 281991
 

Man wird sehen

Das Ende der pumpwerklosen Zeit ist in Sicht

(hk/iz) Seit über einem Jahr ist das PUMPWERK geschlossen. Seit dieser Zeit fragen sich viele Wilhelmshavener, ob das PUMPWERK nach dem Umbau noch DAS PUMPWERK sein wird. Der GEGENWIND ging dieser Frage auf den Grund.

Wir führten ein Gespräch mit drei Leuten vom Pumpwerk-Team: Stefan Leimbrinck, Jürgen Mangels und Tasso Olbertz.

Gegenwind: Seit über einem Jahr ist das Pumpwerk dicht. Wie seht ihr die Auswirkungen der „pumwerklosen“ Zeit auf Wilhelmshaven?
Tasso: Es ist mit Sicherheit ein kulturelles Loch entstanden. Wir haben in der Zeit versucht, mit diversen „PUMPWERK VOR ORT“-Veranstaltungen diese Lücke nicht zu groß werden zu lassen. Doch diese Veranstaltungen wurden nicht vom Pumpwerk-Publikum besucht, da waren eher Theaterbesucher.
Jürgen: Das Pumpwerk hat einen auswärtigen Besucheranteil von 50 bis zu 60, 70%. Die fehlten bei den Veranstaltungen völlig.
Tasso: In der Zeit haben aber auch andere Einrichtungen einen Teil aufgefangen oder sind dazu gewachsen.

Gegenwind: Und nach der Wiedereröffnung werdet ihr dann in Konkurrenz zu diesen Einrichtungen gehen?
Tasso: Wir brauchen unser Publikum, unsere Besucher aus der Stadt und aus dem Umland wieder. Wir werden aber mit diesen Einrichtungen kooperativ zusammenarbeiten. Denn es ist ja wichtig, daß in der Umgebung weiterhin was stattfindet.

Gegenwind: Wie wird das neue Pumpwerk sich vom alten unterscheiden?
Stefan: Natürlich gibt es Veränderungen, die ja mit den Veränderungen im Verhalten und Bewußtsein der Menschen einhergehen. Eine positive Veränderung ist, daß wir durch den Neubau die Möglichkeit haben, einen ständigen Treff anbieten zu können – über das Bistro. Früher mußtest du vorne an der Kasse deinen Obolus abdrücken und dann rein in die Veranstaltung. Spontan sagen: Ich gehe jetzt ins Pumpwerk auf’n Bier oder um Leute zu treffen und mit denen zu reden das ging nicht. Jetzt kannst du jeden Tag ins Pumpwerk gehen, ohne Eintritt, ohne Veranstaltung. Das ist ein großes Plus. Wir werden auch verstärkt Möglichkeiten für junge Familien schaffen. Im Außenbereich werden wir einen Kinderspielplatz bauen, im Gebäude wird es eine Spielecke geben.
Zum programmatischen Bereich: Die Sachen, die gut waren, werden auch weiterhin laufen. Wir werden versuchen, im Bereich der Angebotskultur ein qualitativ noch besseres Programmangebot zu machen. Dabei werden wir aber den sozio-kulturellen Bereich nicht vernachlässigen.
Das Pumpwerk steht ja auf mehreren Säulen. Da ist die Angebotskultur, wo wir gute professionelle Veranstaltungen anbieten. Die zweite Säule ist der Bereich der sogenannten Minderheitenkultur, wo experimentelle, kleinere semiprofessionelle und Amateurgeschichten laufen. Eine weitere Säule ist der Bereich der politischen Arbeit. Da wird das Pumpwerk auch weiterhin die „Offene Bühne“, die Plattform zur Auseinandersetzung bieten. Eine andere wichtige Säule ist der Bereich der Ausländerkulturarbeit.

gw098_pumpwerkGegenwind: Werdet ihr in Zukunft mehr in die Terminkalender der Konzertagenturen eingebunden sein?
Tasso: Nein. Wir werden die Angebotskultur qualitativ verbessern. Das bedeutet, daß wir bezüglich hochqualifizierter Veranstaltungen weniger anbieten, dafür aber das Niveau anheben – das ist ja auch ein Stück vom Sinn des Umbaus.
Wir mußten das Fassungsvermögen des Pumpwerks vergrößern, weil die Produktionskosten für Veranstaltungen sich in den letzten Jahren verdreifacht haben. Eine mittelprächtige Geschichte im Rock-Pop-Bereich kostet heute 10-15.000 Mark – und das ließ sich nicht mehr finanzieren. Die Eintrittspreise wären in schwindelnde Höhen geklettert.
Gegenwind: Wird das Pumpwerk jetzt eine „Stadthalle fürs Kleine“?
Tasso: Wenn BAP auf Tour geht, dann kann das künftig auch hier laufen und wir müssen nicht in die Stadthalle. Verlagerungen von typischen Stadthallenveranstaltungen hierher wird es nicht geben.

Gegenwind: Ist euer neues Konzept nicht so angelegt, daß dadurch wieder bestimmte Gruppen ausgegrenzt werden? Wird das Pumpwerk zur Juppie-Stätte?
Tasso: Mit dem Umbau wollen wir die Bedürfnisse der Menschen berücksichtigen – da bedarf es Veränderungen. Doch der Charakter des Pumpwerks wird sich nicht verändern – man erkennt es auch nach dem Umbau auf Anhieb wieder. Wir haben ja nicht mit Plexiglas und Plastik den Charakter versaut. Das vorhandene bauliche Konzept wurde erweitert und verbessert.
Stefan: Die Distanz der Jugendlichen zwischen 14 und 18 zum Pumpwerk ist relativ groß. Die kommen punktuell zu ihrer Veranstaltung, aber es ist im Grunde genommen nicht ihr Haus in dem sie sich wohlfühlen. Wir werden verstärkt daran gehen, diese Altersgruppe hier ins Haus zu holen, zu binden, damit sie sich hier heimisch fühlen. Deswegen werden wir hier eine neue Stelle Jugendkultur schaffen.
Jürgen: Diese Jugendkulturstelle ist erst einmal eine ABM-Stelle – finanzielle Mittel von uns stehen nicht zur Verfügung. Wir denken aber, daß sich die Stelle etablieren wird – das wird von uns angepeilt.

Gegenwind: Ein Problembereich des alten Pumpwerks war die Gruppenarbeit. Beinhaltet das neue Konzept hier eine Verbesserung? Können die verschiedenen Initiativgruppen z.B. aus dem Umwelt- und Friedensbereich hier mit besseren Arbeitsbedingungen rechnen?
Stefan: Das geht nur punktuell. Für Veranstaltungen steht das Pumpwerk natürlich offen, das ist ja Teil unseres Verständnisses der Pumpwerk-Arbeit. Aber feste Gruppenräume wird es nicht geben.

Gegenwind: Das Verhältnis des Pumpwerks zu einem Teil seiner Basis wird sich dann wohl weiter verschlechtern. Ist das Pumpwerk ohne die Arbeit solcher sozialer Gruppen noch ein sozi-kulturelles Zentrum, wenn die wirkliche Arbeit dieser Gruppen weiterhin in irgendwelchen Hinterzimmern stattfinden muß?
Jürgen: Wir wollen versuchen, das neue Bistro für diese Arbeit zu nutzen. Der Laden wird 6 oder 7 Tage in der Woche geöffnet sein.

Gegenwind: Für uns klafft das auseinander – die Veranstaltungen werden dann geballt wieder hier stattfinden, aber für die Gruppenarbeit gibt es keinen Platz.
Jürgen: Der vor einigen Jahren fertig gestellte Anbau war ja mal als Gruppenraum gedacht, aber die Situation bei den Veranstaltungsproduktionen hat sich geändert. Alles wurde in den Anbau gepackt. Die Initiativen wurden letztendlich in irgendeine Ecke gedrängt. Wir haben uns daraufhin gesagt, daß es keinen Sinn hat, etwas halbherzig zu machen – dann lassen wir es lieber ganz. Für aktuelle Sachen haben wir natürlich auch in Zukunft die Möglichkeit, Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Für ständige Termine und Treffs können wir allerdings nichts anbieten.
Stefan: Im konkreten Fall, wie jetzt mit dem Golf-Krieg – da würde hier schon was laufen. Da wäre hier im Pumpwerk mit Sicherheit ein ständiger Infotreff. Dafür ist das zukünftige Pumpwerk ideal. Wir stehen als Personen ja auch dafür, daß gerade solche Geschichten auch zukünftig hier stattfinden. Da haben wir großes Interesse dran und dafür werden wir uns einsetzen.

Gegenwind: Gibt es auch Veränderungen in der Entscheidungsstruktur? Seid ihr als Team noch die Herren im Haus?
Jürgen: Da hat sich schon was verändert. Stefan, Tasso, Helmut und ich, wir sind weiterhin das Pumpwerk-Team. Wobei Helmut Bär eine zusätzliche Funktion als Veranstaltungsleiter der Freizeit GmbH hat.
Gegenwind: Und was bedeutet das?
Tasso: Wir sind nach wie vor ein Team. Es gibt keine zusätzlichen Entscheidungsbefugnisse von Helmut Bär, die hat nur der Geschäftsführer Kramp.
Jürgen: Es hat sich nichts geändert – der Geschäftsführer war und ist unser Vorgesetzter. Wir konnten immer sehr locker arbeiten und er hat uns immer freie Hand gelassen. Was sich geändert hat ist, daß wir jetzt nicht mehr den direkten Weg zu Kramp, sondern den über Helmut Bär gehen. Wenn wir alle einer Meinung sind, werden wir auch weiterhin als relativ autonomes Team arbeiten. Das liegt zum großen Teil an uns selbst, wie wir uns da durchsetzen.

Gegenwind: Welchen Sinn hat diese Umstrukturierung?
Jürgen: Die Geschäftsführung der Freizeit will einen Ansprechpartner haben. Helmut vertritt unsere Interessen gegenüber der Geschäftsführung und deren Interessen uns gegenüber.
Stefan: Helmut versteht sich als Teil des Pumpwerk-Teams. Zusätzlich soll er im gesamten Bereich der Freizeit GmbH die Aktivitäten besser koordinieren. Das mag in Bereichen richtig und nötig sein. Im Bereich der freien Kulturarbeit, so wie wir sie hier im Pumpwerk machen, da könnte es problematisch werden. So ein Haus lebt von der freien Entscheidung, von der Kreativität. Erst die Zukunft wird zeigen, inwieweit wir den nötigen Spielraum noch haben – das wird uns die praktische Arbeit zeigen.

Veränderungen
Im Gespräch mit dem Pumpwerk-Team haben wir natürlich auch über die baulichen Veränderungen gesprochen.
Um nicht den ganzen Gegenwind mit diesem Gespräch füllen zu müssen, haben wir einige grundsätzliche Veränderungen zusammengefaßt:

  • Ein Bistro oder Kneipe (über die genaue Bezeichnung ist man sich noch nicht ganz einig) im Foyerbereich soll dafür sorgen, daß wir immer ins Pumpwerk können – auch wenn keine Veranstaltung läuft oder die Veranstaltung nicht interessiert.
  • Man/frau muß nicht mehr durch den Regen gehen um drückende Geschäfte auf dreckigen Toiletten zu erledigen.
  • Die Garderobensituation wurde verbessert.
  • Es gibt zukünftig ein Foyer, wir müssen also nicht mehr bis zur Deichbrücke Schlange stehen, um an eine Eintrittskarte zu kommen.
  • Der Veranstaltungsraum wurde in seinem Fassungsvermögen vergrößert. Statt max. 600 können jetzt 800 bis 1.000 Leute den Veranstaltungen lauschen und das bei verbesserten Sicht- und Hörbedingungen.
  • Die Arbeitssituation für die Pumpwerk- MitarbeiterInnen wurde durch viele Maßnahmen verbessert.
  • Für die Künstler wurden Garderoben- und Duschräume geschaffen.
Kommentar:

Schon ganz gut, aber….

Der Umbau des Pumpwerks war nötig – nicht nur für die Besucher , sondern auch für die Künstler und wohl noch mehr für die Mitarbeiter.
Zwar stellen die Mitarbeiter des Pumpwerks die durchgeführten Veränderungen als ihr eigenes Werk dar – und das wird auch so stimmen. Trotzdem können wir nicht völlig mit dem Umbau zufrieden sein – die Rolle, die das Pumpwerk in der Stadt spielte, wurde aufgeweicht.
Es ist nicht der herkömmliche Kulturbetrieb, der Schaden genommen hat. Bei Veranstaltungen von BAP, Supercharge, Wader u.ä. Kassenmagneten wird es zum unübertroffenen Pumpwerk-Feeling kommen.
Doch wie wird sich diese „hallige“ Atmosphäre, die durch die Vergrößerung entstanden ist, bei einer Veranstaltung der BUW zum Thema „Beta-Oil“ auswirken? Massenhaft 60 Leute in einer 1.000-Personen-Halle? Schon im alten Pumpwerk fühlte man/frau sich nach einem Blick in die Runde verloren.
Keine Berücksichtigung fanden auch die Forderungen von politischen und kreativen Gruppen, im Pumpwerk eine Heimat zu finden. Waren in anfänglichen Zeiten solche Basis-Aktivitäten Aushängeschild fürs Pumpwerk, spricht heute keiner mehr von deren struktureller Unterstützung.
Das Pumpwerk könnte sich zu einer fest kalkulierbaren Einrichtung der „Wilhelmshaven setzt Zeichen“-Fraktion etablieren. Dafür, daß das nicht geschieht, steht die Mehrheit des alten Pumpwerk-Teams.
Wie sich die Beförderung eines Team-Mitgliedes in Richtung Chefetage auswirken wird, wird, wie Stefan sagte, erst die Zukunft zeigen. Klar ist aber, daß damit der Zipfel eines Gängelbandes in die weitgehend autonome Entscheidungsstruktur des Teams gehängt wurde.

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