Friedens-Litera-Tour
‚Dem Grauen begegnen, trotzdem spielen und gemeinsam darüber reden!‘
So lautete der Beschluß des Ensembles der Landesbühne zum ersten Wochenende im Golfkrieg. Ab Samstag 22.00 Uhr, im Anschluß an die Premiere von ‚Harold an Maude‘, hielten sie im Foyer des Stadttheaters eine 24-stündige Lesung von Texten gegen den Krieg durch.Trotz des ständigen Kommen‘ und Gehens war die Atmosphäre von der fast andächtigen Stille im Hörerkreis geprägt. Selbst die zwei/drei Male, als sich im Widerhall auf bezeichnend zu den aktuellen Geschehnissen erscheinende Literaturpassagen die Stimmung nach außen kehrte, schien der gedämpfte Beifall die friedvolle Ruhe eher noch unterstreichen zu wollen.
Lediglich in den Pausen bzw. nach Schluß der Vorstellungen, wenn die Theaterbesucher parlierend aus dem großen Saal ins Foyer strömten, wich das Insichgekehrtsein einer gespannten Aufmerksamkeit und die Vortragenden hoben die Stimme an, um die entstandene Geräuschkulisse zu übertönen. Es bewirkte, bis auf das Erwachen einer gewissen zoologischen Neugier, nichts anteilnehmendes. Zu krass prallten dann zwei Stimmungswelten aufeinander, die nicht zu überbrücken waren …..
Mehrere Stunden bin ich diese ‚LiteraTour‘ mitgegangen; mal unter vier – mal unter vierzig Verweilenden. Die bewegendsten Passagen auf dieser Wanderung waren für mich die überlieferten Reden von Häuptlingen nordamerikanischer Indianer, die sie dem ‚großen weißen Vater in Washington‘ übermitteln ließen (Ich wußte vorher noch gar nicht, daß davon so viele vor dem Vergessen bewahrt worden sind.).
Ohne jedes Pathos legten sie dar, was sie mit dem Land, das sie auf Geheiß des weißen Mannes (friedlich oder mit Gewalt) zu verlassen hatten, verband:
Sie seien, wie ihre Freunde – die Tiere und Pflanzen – aus der Erde, auf der sie leben, hervorgegangen und bei jedem Schritt wäre ihnen bewußt, dass sie über die wieder zu Erde gewordenen Körper ihrer Ahnen wandelten. Sie würden nicht verstehen, wie man das durch ein beschriebenes Papier (Vertrag) ungeschehen machen könne. Sie wollten aber über das Angebot des ‚großen weißen Vaters‘, in ein Reservat zu gehen, beraten. Denn sie wüßten, daß andernfalls die weißen Männer mit ihren Gewehren kommen und sie töten würden.
Nicht nur die todesverachtenden Krieger sollten zu Wort kommen. Auch die geschwächten Alten und die kinderaufziehenden Frauen sollten gehört werden, denn sie würden erfahrungsgemäß anders über die Qualen und das Leid des Krieges urteilen als die kampfwütigen jungen Männer.
Man danke dem ‚weißen Vater‘ für das großherzige Angebot, wo er doch die Macht habe, sie einfach mit seinen Gewehren zu vernichten. Nach der Beratung werde man dem ‚großen weißen Vater in Washington‘ die getroffene Entscheidung mitteilen lassen….
Gestärkt verließ ich am frühen Sonntagmorgen den Lesemarathon mit dem festen Willen, den ständig lauernden Frust auf Distanz zu halten.
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