Winkelzüge
Spielt die Stadt weiterhin mit gezinkten Karten?
(hk) Die Auseinandersetzung um das Gebiet Güter-/Ladestraße geht unverändert weiter – und die Stadtverwaltung schreckt, so jedenfalls hat es den Anschein, nicht einmal davor zurück, den Niedersächsischen Landtag falsch zu informieren.
Die Stadt möchte in diesem Gebiet Gewerbebetriebe ansiedeln, Wilhelmshavens Natur- und Umweltschutzgruppen dagegen wollen das Gelände, als einen der letzten naturnahen Räume in der Stadt Wilhelmshaven, vor weiterer Zerstörung bewahren und verweisen auf andere „ökologisch weit weniger schutzwürdige“ freie Gewerbeflächen im Stadtbereich.
Während die Stadt mit der unrichtigen Begründung, daß ansiedlungswillige Interessenten da seien, bereits eine Erschließungsstraße westlich des Tierheims bauen ließ, wohl um „vollendete Tatsachen zu schaffen“, stritten die Naturschützer mittels Eingaben weiter.
Auf ihre Eingabe/Petition an den Niedersächsischen Landtag bekamen die Naturschutzgruppen Mitte November eine Antwort des Niedersächsischen Sozialministeriums. In dieser Antwort heißt es unter anderen, daß das Gebiet südlich der Güterstraße (gegenüber der Pyramide von Ripken & Ripken) nach den Erhebungen der Stadt Wilhelmshaven dem Biotopschutz nach § 28a des niedersächsischen Naturschutzgesetzes unterliegt; es sei nicht beabsichtigt, so weiter in der Antwort des Niedersächsischen Sozialministeriums, diese Fläche zu bebauen.
Diese Angaben hat das Sozialministerium, das geht eindeutig aus dem Schreiben hervor, von der Stadt Wilhelmshaven bekommen. Die Umweltverbände waren zwar von der Antwort auf ihre Petition nicht gerade begeistert, sahen darin allerdings die Möglichkeit, daß große zusammenhängende Flächen von der Bebauung ausgenommen werden und hielten darum erst einmal still.
Wahrscheinlich waren sie zu still. Die Werber der Stadt jedenfalls verhielten sich nicht so ruhig. In der letzten Woche platzte dann die Bombe (allerdings noch hinter verschlossenen Türen): gerade einer der Hauptzankäpfel, eben die Fläche südlich der Güterstraße, soll jetzt doch bebaut werden. Ein „Investor“, wie es heute immer so schön heißt, hat großes Interesse an genau dieser Fläche bekundet. Und da in Wilhelmshaven schon das Wort „Investor“ dazu führt, daß die Verwaltungsbeamten jegliche Scham gegenüber Natur, Umwelt, Geschichte usw. verlieren, soll das Biotop „plattgemacht“ werden.
Die Natur- und Umweltverbände sahen sich daraufhin erneut veranlaßt, an den Niedersächsischen Landtag zu schreiben und auf die Ungereimtheiten zwischen der schriftlichen Antwort auf ihre Petition und der Planungsrealität der Stadt Wilhelmshaven hinzuweisen: „Nach uns vorliegenden zuverlässigen Informationen beabsichtigt die Stadt Wilhelmshaven hingegen, eben diese geschützte Fläche für Gewerbeansiedlung und Bebauung umzufunktionieren und das dortige Naturinventar zu vernichten. Entsprechende Maßnahmen sind schon für die nächsten Wochen zu befürchten“, so die Natur- und Umweltverbände in ihrem Schreiben an den Präsidenten des Niedersächsischen Landtags.
An die Bezirksregierung Weser-Ems als Fachaufsichtsbehörde wurde ein ähnliches Schreiben gesandt. Darin heißt es unter anderem: „Wir haben Grund zu dem Verdacht, daß solche Vorhaben mit den Angaben der Stadt Wilhelmshaven gegenüber dem Land Niedersachsen nicht in Einklang stehen.“ Abschließend weisen die Naturschützer die Bezirksregierung „im Interesse des Biotop- und Artenschutzes darauf hin, daß auch ‚Gefahr im Verzug‘ vorliegt.“
28.11.1918
Gespannt darf man schon jetzt darauf sein, wie sich die Stadt Wilhelmshaven diesmal aus der Affäre ziehen wird, beweist die Antwort des Niedersächsischen Landtages auf die Petition der Natur- und Umweltverbände doch eindeutig, daß die Stadt gegenüber dem Landtag die Unwahrheit gesagt hat bzw. daß zwischenzeitlich hinterrücks eine Änderung der Planungen stattgefunden hat.
Beide Möglichkeiten werfen ein bezeichnendes Licht auf die Art und Weise, wie in der Stadt Wilhelmshaven mit Bürgerrechten umgesprungen wird. Die Herren im Rathaus verwalten diese Stadt, als wären sie nur gegenüber dem am 28.11.1918 abgedankten Kaiser rechenschaftspflichtig. Die parlamentarische Kontrolle der Stadtverwaltung durch den Rat der Stadt ist in solchen und ähnlichen Fragen zu einer Farce verkommen, sitzen doch in der großen Oppositionspartei die richtigen Baulöwen, denen selbst die bürgerferne Gangart von SPD/FDP noch viel zu lasch ist.
War das Zustandekommen der Ansiedlung der Reha-Klinik zwar rechtlich noch einwandfrei und zeugte nur von einer gehörigen Ignoranz gegenüber den BürgerInnen unserer Stadt, ist dieser neuerliche Vorgang anders zu bewerten.
Sollte die Stadt Wilhelmshaven im Nachhinein von ihrer ursprünglichen Absicht, die Fläche nicht zu bebauen, abgegangen sein, wäre eine Abstimmung mit den Natur- und Umweltverbänden der Stadt das Mindeste gewesen, was sie hätte tun müssen, zumal sie verpflichtet ist, für diese Fläche (vor ihrer Zerstörung) adäquate Ersatzbiotope von gleichartigem Typ und Arteninventar zu sichern.
Sollte die Stadt Wilhelmshaven gegenüber dem Sozialministerium bewußt die Unwahrheit gesagt haben, wären personelle Konsequenzen unausweichlich.
Hannes Klöpper
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