Südzentrale
Mrz 032004
 

Schiller, Goethe, Gegenwind

Ausstellung zur Südzentrale im Marinemuseum 

(iz) Die Sonne zaubert an diesem Vormittag eine Ahnung von Frühling über den Südstrand. Ein paar Dutzend ungeduldiger Besucher im Foyer des Marinemuseums erwartet ein ganz anderer Lichtblick: Corinna Janßen eröffnet ihre Ausstellung über die Südzentrale, die auf der anderen Seite des Hafens ihre geschichtsträchtigen Mauern in der Sonne wärmt.

Formell ist es ein Teil ihrer Diplomarbeit, den Corinna hier vorstellt. Tatsächlich ist es ihr Meisterstück. Über Jahre hat sie sich wissenschaftlich wie emotional mit dem Baudenkmal beschäftigt. Die Ergebnisse, die sie in Schriftform, höchst ansprechend gestaltet im Präsentationskarton, vorgelegt hat, finden sich hier verdichtet, dreidimensional, spürbar, erlebbar. Die Maschinenhalle, das Herzstück der Südzentrale, so erläutert die junge Frau in ihrer Einführungsrede, misst 60 Meter in der Länge und 20 Meter in der Höhe. Der Ausstellungsraum, den sie mit Wänden unterschiedlicher Höhe gestaltet hat, misst 6 mal 2 Meter. Dazu hat sie wiederum ein Modell gebaut, dessen Maße sich erahnen lassen.
Der Oberbürgermeister, oft Schirmherr mancher Veranstaltung weitaus geringerer Bedeutung, ist nicht anwesend. Für die Stadt spricht Kulturdezernent Jens Graul vorsichtig gesetzte Begrüßungsworte. Dass er sich für diese Ausstellung in diesen Räumen stark gemacht haben will, können wir ihm glauben. Dass er nach deutlichen Worten zur historischen Bedeutung des Baudenkmals Südzentrale keine Stellung beziehen will für dessen Erhalt, können wir ihm nicht verzeihen. Gute Sachen im Kopf, aber kein Rückgrat, dafür zu kämpfen. Schade.
Südzentrale_FundstückDies ist meine Hauptwand, deutet Corinna unter vier Augen auf die innere Stirnwand ihrer Installation. Dort sind Zitate aus dem GEGENWIND-Artikel vom August 2003 abgedruckt, Visionen und dazu Fotos vom Leben in der Maschinenhalle. „Ich schließe die Augen. Plötzlich höre ich einen Zug heranfahren, stählerne Reifen, Bremsen quietschen. Ich rieche Kohlenstaub und Schweiß” neben dem Foto eines verrosteten Flaschenzuges.
Der städtische Kulturdezernent soll not amused, nicht begeistert gewesen sein, dies namentlich zitiert zu lesen neben Zitaten von Schiller („Und neues Leben blüht aus den Ruinen“), Goethe, Le Corbusier, von Weizsäcker („Wer vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart”). Wohl weniger, weil Lokales nichts zu suchen hätte neben historischen Promis – auch ein hiesiger Marineoffizier wird zitiert -, sondern weil der Gegenwind unerwünscht ist in der Stadt.Südzentrale 5
Dabei geht es hier gar nicht um den GEGENWIND, sondern um die Südzentrale und Corinna. Dass sie sich wiederfindet darin, wie eine andere Frau ihre Empfindungen zur gleichen Sache ausdrückt – egal, ob diese für eine Zeitung, Briefe oder Tagebuch schreibt -, dass bestimmte Sätze aus dem GEGENWIND-Artikel sie „für diese Ausstellung ziemlich inspiriert” haben – das ist wohl zu hoch für den Kulturdezernenten männlichen Geschlechts, dessen von Amts wegen eingebauter politischer Filter neben Goethe den Marineoffizier, aber keinen GEGENWIND zulässt.
Nichtsdestotrotz spricht Graul mit der Frau vom ungeliebten Blatt. „Also den Wasserturm an der Gökerstraße von Frau Iwersen” – sie ist auch anwesend – „könnte man ja noch wiederbeleben. Aber die Südzentrale, da hätte man vor spätestens 5 Jahren …” „Herr Graul”, unterbreche ich, „wir fliegen zum Mars, und …” „Wie”, fragt er erschrocken, als hätte er was verpasst. „Nein”, beruhige ich ihn, „nicht Wilhelmshaven fliegt zum Mars, noch nicht, aber die Menschheit. Und da sollen wir die Südzentrale nicht restaurieren können?”

Eins! Aber nicht setzen!

Zurück zu Corinna und zur Südzentrale, um die es immer noch geht. Obwohl es nicht viel zu sagen gibt: Ich hätte ihr eine EINS gegeben, wäre ich ihre Professorin. Die schlichte und deshalb prägnante Schönheit des Gebäudes spiegelt sich in Form und Inhalt der Installation so wider, wie sie nur jemand gestalten kann, der das Gebäude mit Leib und Seele in sich aufgenommen hat. Die perfekte Mischung zwischen fachkompetenter Herangehensweise und gefühlsmäßiger Auseinandersetzung. Fotos, entweder gezielt vergrößert oder als Set zusammengestellt, aber immer passend. Fundstücke: eine Holztreppe, ein Fensterrahmen, ein Stück Stuck, Schilder – Weniges, aber gerade genug, was Corinna vor gedankenlosen Plünderern retten konnte.
Die Inhalte hat sie, unterstützt von einer ebenso jungen und bemerkenswerten Grafikerin, in ein corporate design, ein passendes einheitliches Erscheinungsbild von Formen und Farben mit hohem Wiedererkennungswert gefasst.
Eine glatte Eins, also, aber nicht setzen, sondern weitermachen! Wenn die Stadt dieses vielversprechende Talent nicht sofort einstellt, um Stadtgeschichte begreifbar zu machen und ganz nebenbei gewinnbringend zu vermarkten, wäre sie, die Stadt, ganz schön doof. Andererseits: Zwischen den kommunalpolitischen Mühlsteinen wäre das Talent Corinna Janßen, bisher im Genuss wissenschaftlicher Freiheit, todgeweiht. Vielleicht sollte sie sich doch besser andernorts entfalten.
Wie auch immer: Wer sich Corinnas Ausstellung zur Südzentrale entgehen lässt, hat wirklich was verpasst.

“Die Südzentrale in Wilhelmshaven – Eine Ausstellung gegen den Untergang eines Industriedenkmales” ist bis zum 31. März 2004 im Marinemuseum, Sonderausstellungsraum Prinz Adalbert, zu sehen. Täglich von 10 – 17 Uhr. Dort ist auch ein empfehlenswertes Buch zur Südzentrale erhältlich.

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top