Wilhelmshaven kann stolz sein auf „Jonathan”
(iz) „Jonathan” wurde Ende 2003 als einer der besten Naturkostläden in Deutschland ausgezeichnet. Die LeserInnen der Zeitschrift „Schrot & Korn” lobten vor allem Beratung und Service. Aber „Jonathan” gehört nicht nur zu den besten, sondern auch zu den ältesten Biofachmärkten im Lande.
„Wann war das noch, als dein Bruder den Laden aufgemacht hat?”, frage ich Gerd ”Balu” Brandt. Seine Frau Angelika erinnert sich aus gutem Grund haargenau daran: In dem Jahr, als ihr Sohn Keno geboren wurde, erblickte auch „Jonathan” das Licht der Welt. 1982 gründete Walter Brandt den Laden mit dem Namen der beliebten Apfelsorte in der Rheinstraße 101. Keno und „Jonathan” sind jetzt also 22 Jahre alt.
Walter schloss eine lokale Marktlücke in einer Zeit, in der Natur-, Umwelt- und Ernährungsbewusstsein groß im Kommen waren. Einrichtung, Sortiment und Atmosphäre waren echt ”alternativ”. Von Anfang an war „Jonathan” auch ein Kommunikationszentrum für gesellschaftlich-politisch Interessierte. Durch die Lage in der Südstadt blieb die Kundschaft jedoch begrenzt.
Ein paar Jahre später zog der Laden in die Kieler-/Ecke Peterstraße um. Da die Peterstraße eher für Autos als für Fußgänger und Radfahrer ausgelegt ist, brachte erst der nächste Umzug Richtung Fußgängerzone, in die Börsen-/Ecke Mitscherlichstraße, wieder was von der alten Stimmung zurück.
Richtig gemütlich wurde es erst wieder, als Peter Busenius, der den Laden inzwischen von Walter Brandt übernommen hatte, mit „Jonathan” in die Marktstraße zog. Dort war ihm ein günstiges, weil kleines, schlauchförmiges Ladenlokal neben Leffers angeboten worden. Peter vollbrachte das Kunststück, das mittlerweile recht umfangreiche Sortiment dort einigermaßen überschaubar zu präsentieren. Den StammkundInnen war die Optik egal, für sie zählten weiterhin Qualität und Atmosphäre. Trotzdem war es kein Fehler, nochmals mit „Jonathan” umzuziehen, diesmal in die Grenzstraße, nördlich der Marktstraße, aber immer noch in der Fußgängerzone. Auf der großzügigen Fläche präsentierte sich jetzt ein himmlisches Angebot: gewohnt frisches Obst und Gemüse, eine große Kühlung mit Biowurst und –käse, feine Weine, beste Pasta, eine Vielfalt von Brotaufstrichen, Kosmetik für jeden Typ und auch sonst fast alles für den täglichen Bedarf. Zu dieser Zeit erstürmten Bio-Fertigprodukte wie Kartoffelpüree den Markt, wodurch weitere Käuferschichten gewonnen wurden. Kam man dann voll bepackt aus dem Laden, lockte gegenüber das Café ”Fresh” zur Einkehr für einen Milchkaffee, ein spätes Frühstück oder in jedem Fall einen Klönschnack.
„Wenn die Länder des Überflusses den Entwicklungsländern gerechte Preise für ihre Produkte zahlen würden, könnten sie ihre Unterstützung und ihre Hilfspläne für sich behalten.“
Bischof Dom Helder-Camara, Brasilien (Website Mercado Mundial)
Diese heile Welt der kleinen Fluchten aus Hektik und Konsumrausch bekam einen heftigen Riss, als Peter Busenius 1999 plötzlich starb. Doch gerade hier zeigte sich, dass „Jonathan” immer mehr gewesen ist als eine Einkaufsmöglichkeit: Peters Frau stand nicht allein. Freunde halfen, die Existenz der Institution „Jonathan” aufrechtzuerhalten, ”senkrecht zu halten”, sagt Gabi Sternberg, die seit März 1992 im Laden arbeitet. Durch ehrenamtliche Mitarbeit wurde der Betrieb gesichert, bis „Jonathan” in gute Hände verkauft werden konnte. Wiebke Steinberger, die als erste zugesagt hatte, schnappte Merle Mänz den Laden vor der Nase weg. Die junge Frau, die in Oldenburg wohnte, war jedoch bald überfordert, so dass schließlich Merle „Jonathan” übernehmen konnte, zuerst mit einer Teilhaberin, dann allein.
Im April 2002 zog „Jonathan” zum vorläufig letzten Mal um. Als das Porzellangeschäft Ostendorf in der Markt/Ecke Mitscherlichstraße schloss, nutzte Merle Mänz die Gelegenheit, die schön renovierten Räume am Ende der Fußgängerzone zu einem akzeptablen Mietpreis zu übernehmen. Dort hat sich der Laden im besten Sinne etabliert. Nur intern werden dann und wann noch kreative Veränderungen vorgenommen. „Ach, Sie haben auch eine Kühlung?”, sollen wenig forschungsresistente Kundinnen unlängst festgestellt haben, nachdem das zuvor raumteilende Obst- und Gemüseregal verschoben worden war. Das passt ins immer noch nicht ganz überwundene Klischee von Bioläden? Der Punkt ist, dass zunehmend neue KundInnen kommen, die sich erstmal zurechtfinden müssen – und dann nicht nur in der Kühlung echt gute Sachen finden.
Ausgezeichnet angekommen
Nach einem langen Weg ist „Jonathan” jenseits irgendwelcher Nischen angekommen. 22 Jahre sind eine lange Zeit, mehr als eine Generation von Naturkostkindern. Viele Umzüge zeugen von Risikofreudigkeit, nur vier Besitzer von Kontinuität und Erfolg. Stammkunden können sich heute kaum vorstellen, dass es je etwas anderes gab als „Jonathan” und Merle Mänz, doch es bleibt die Erinnerung an Peter Busenius und vor allem an Walter Brandt, ohne den es „Jonathan” nicht gäbe.
Mit zwei weiteren Geschäften ist Naturkost in Wilhelmshaven stets erreichbar. Aber ist sie auch erschwinglich? Die meisten gucken eher darauf, wie voll, und nicht wie gut der Einkaufskorb ist. Einwohner anderer Nationen geben bis zu 50 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aus. In Deutschland sind es nur 12 bis maximal 20 Prozent. Erst gesundheitliche Probleme wie Allergien, ein erhöhter Cholesterinspiegel oder lebensbedrohliche Folgen der Massentierhaltung wie BSE bringen viele Menschen auf den Boden der Tatsachen zurück: Gesunde, nachhaltig produzierte Nahrungsmittel können nie teuer sein. Bessere Vertriebsstrukturen und eine wachsende Produktpalette haben Bioläden das Klischee von verschrumpeltem Gemüse und Askese längst genommen. Die steigende Nachfrage hat zu Preissenkungen bis zum Niveau konventioneller Nahrungsmittel geführt. 100 Gramm guter Käse sind im Supermarkt auch nicht unter 1,50 Euro zu haben.
„Jonathan” ist das beste Beispiel für den schwierigen, aber richtigen Weg einer nachhaltigen Angebotsstruktur. Wir gratulieren zur bundesweiten Auszeichnung und zum generationsüberdauernden Bestehen und wünschen weiterhin viel Erfolg.
Imke Zwoch
Natürlich & fair einkaufen in WHV
Jonathan Naturkost Markstr.94, Tel. 13438. Mo-Fr 9-18.30 Uhr; Sa: 9.30-14 Uhr.
Naturata eG Gökerstr. 58, Tel.: 31257.
Mercado Mundial Posener Str.60, Tel.: 569906, Fax.:368976
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