Gespräch mit Norbert Schmidt
Aug 101994
 

Die SPD sind wir alle

(ef/noa) Er ist 45, verheiratet, Vater einer Tochter, echter Banter Brite, hat bei Krupp gelernt und gearbeitet („Ich habe im Akkord geschuftet“ ), hat sich auf dem 2. Bildungsweg zum Gewerbelehrer hochgelernt, ist seit 1987 in der SPD und nun seit dem 28. Mai 1994 der erste Mann der Wilhelmshavener SPD: Norbert Schmidt aus Neuengroden. Er gab uns trotz permanenter Terminnot die Gelegenheit zu einem Gespräch. Er hat etwas zu sagen – er ist unser erster Gesprächspartner, der nicht unsere erste Frage abwartete, sondern gleich loslegte.

Schmidt: Ich sehe meine Aufgabe als SPD-Vorsitzender darin, Pflöcke einzuschlagen – das sind ganz bestimmte Personen, auf die  ich mich hundertprozentig verlassen kann. Das ist eine ganz wichtige Sache – ich werde nicht immer alles richtig machen, aber wenn ich immer damit rechnen muß, daß mir die Piranhas an die Hacken gehen, dann werde ich nie zu einer Sicherheit kommen.

Gegenwind: Nach dem Pragmatiker (WZ-Erkenntnis) Klaus Vogel und dem linken Himmelsstürmer (dito) Peter Junklewitz hast jetzt du, Norbert Schmidt, die Führung der Wilhelmshavener SPD übernommen. Bist du nun ein linker Pragmatiker, ein pragmatischer Linker oder überhaupt nicht links oder nur ein bißchen?
Schmidt: Ich wehre mich dagegen, mich in eine bestimmte Form pressen zu lassen. Ich bin angetreten, um neue Formen in die politische Arbeit meiner Partei einzubringen. Das kann ich nicht allein tun; dazu brauche ich einen aktiven Vorstand, und ich meine, den habe ich. Ich kann, wie schon gesagt, nur Pflöcke einschlagen und die Richtung bestimmen. An die Arbeitsgruppen innerhalb des Vorstandes habe ich Aufgaben delegiert, und erste Erfolge haben sich schon gezeigt.

gw123_spdGegenwind: Du bist z.Z. noch Ortsvorsitzender in Neuengroden, nun auch UB-Vorsitzender und dazu noch Ratsherr. Läßt sich all das vereinbaren?
Schmidt: Ich meine ja. Ich muß hier aber sagen, daß ich im nächsten Monat meine Funktion als Ortsvereinsvorsitzender abgeben werde. Prinzipiell bin ich gegen jede Ämterhäufung, sehe aber in der Konstellation UB-Vorsitzender/Ratsherr keine solche. Letztlich sollen doch nach meinem Verständnis die langfristigen Perspektiven von der Partei bestimmt werden. Peter Junklewitz hat da einen anderen Kurs gefahren. Der Rat soll dann so gut wie möglich diesen Weg durchsetzen. Dann ist es doch gut, wenn man in diesem Gremium vertreten ist, an Informationen kommt und zur Sache reden kann.

Gegenwind: Lange Zeit war das Verhältnis SPD – DGB gelinde gesagt gestört. Bisher scheint sich daran noch nichts geändert zu haben. Was wirst du tun, um es zu verbessern?
Schmidt: Ich will mich nicht festlegen und aber alles versuchen, um wieder zu Gemeinsamkeiten zu kommen. Wir haben eine gemeinsame Geschichte, und die Bänder sind nicht zerrissen, aber es gibt atmosphärische Störungen. Ich habe schon ein erstes Gespräch mit Manfred Klöpper geführt, und weitere werden folgen. Wenn wir es nicht schaffen, uns an einen Tisch zu setzen und trotz abweichender Meinungen zu sprechen, zu diskutieren, um den richtigen Weg zu finden, dann können wir nicht weiterkommen – das gilt nicht nur für SPD/DGB, sondern auch für die Arbeit innerhalb meiner Partei. Ich werde versuchen, im Unterbezirk wieder eine Ebene zu den Gewerkschaften und den Unternehmerverbänden aufzubauen; dazu brauche ich einige Zeit.

Gegenwind: Es ist befremdlich, Unternehmerverbände und Gewerkschaften in einem Atemzug genannt zu hören. Da sollte doch eine größere Ferne sein.
Schmidt: Das sehe ich nicht so. Wir müssen auch mit denen zusammenarbeiten, die Geld in diese Region bringen. Ich wehre mich auch gegen solche Attribute, daß man sagt, wir müssen den Unternehmern mehr Kälte entgegenbringen. Ich habe meine Probleme damit zu sagen: Das sind unsere Freunde, und das sind unsere Feinde. Es geht mir um die Sache, und wenn wir hier Arbeitsplätze schaffen wollen, dann können wir es uns nicht leisten, nein zu sagen zu bestimmten Namen, zu bestimmten Firmen.

Gegenwind: Andernorts hat die SPD einen „linken Flügel“. Gibt es den hier nicht, oder läßt die offensichtlich starke SPD-Rechte, die schon mal als die „kaiserliche“ bezeichnet wird, linke Meinungen gar nicht erst aufkommen, ignoriert sie oder stellt Vertreter linker Denkart ins politische Abseits?
Schmidt: Sagen wir erst einmal: Die SPD, das sind wir alle. Nun gibt es hier in unserer Partei kleine Zirkel, die ihre eigene Politik machen. Es muß deshalb unsere Aufgabe sein, es öffentlicher zu machen, immer größere Zirkel zu bilden, vielleicht sogar die Ortsvereine zu vergrößern -letzteres möchte ich in Anführungszeichen setzen, da hier noch größere Hürden genommen werden und neue Erkenntnisse greifen müssen. Ich vergleiche unsere zwölf Ortsvereine mit zwölf Eisschollen, die in der Jade dümpeln und sich nicht tangieren. Höchstens einmal im Jahr zum Parteitag treffen die Vertreter der Ortsvereine zusammen. Es ist deshalb mein Ziel, ein größeres Wir-Gefühl in Gang zu setzen, Begriffe wie „Solidarität“ wieder neu zu besetzen. Das sind für mich keine abgedroschenen Werte. Ich habe auch Utopien, und so gesehen bin ich vielleicht ein Linker. Ich habe aber auch einen klaren Blick für das Machbare.

Gegenwind: In deiner Partei schwebt über Parteitagen, Konferenzen, Sitzungen der Geist von „SPD 2000“. Wie willst du ihn auf den Boden holen?
Schmidt: SPD 2000 ist für mich keine Frage. SPD 2000 muß umgesetzt werden. Wir verändern uns, die Gesellschaft verändert sich, also muß sich auch die Partei verändern. Wir haben die Thesen des Programms bereits in zwei Veranstaltungen diskutiert. Jetzt ist ein Bruch entstanden. Ich werde alles daran setzen, daß dieses Programm bei uns durchgesetzt wird. Zumindest in Teilen, denn manches ist bei uns nicht durchführbar. Anderes hingegen könnten wir bald verwirklichen.

Gegenwind: Von den Wilhelmshavener Jusos hört man nichts. Gibt es sie überhaupt noch?
Schmidt: Hier kann ich gleich an SPD 2000 anknüpfen, wo gefordert wird, sich mehr um die Jugend zu kümmern. Wir müssen bei uns bei Null anfangen, denn Jusos gibt es bei uns nicht mehr.

Gegenwind: Wie ist es dazu gekommen?
Schmidt: Man hat in der Vergangenheit die jungen Genossinnen und Genossen nicht ernstgenommen.

Gegenwind: Im Oktober wird ein neuer Bundestag gewählt. Man hat noch nicht viel vom SPD-Wahlkampf gehört. Wann geht’s denn los?
Schmidt: Die Auftaktveranstaltung findet im September statt. Am 19. August kommt Scharping auf seiner Sommerreise nach Wilhelmshaven. Gleich nach den Sommerferien geht es dann los. Die Wahlkampfleitung will dann den Bürgern vor Augen führen, was für eine schlimme Politik die Regierung macht.

Gegenwind: Abschließend eine Frage zu deiner persönlichen Einschätzung: Wie geht die Wahl aus?
Schmidt: Ich bin davon überzeugt, daß die SPD in der neuen Regierung sein wird.

Gegenwind: Vielen Dank für das Gespräch.

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