Biopol
Aug 101994
 

Überlebenshilfe für die Chlorchemie?

Kommentar:

Seit beinahe einem Jahrzehnt geistert das Wort Biopol durch die Diskussionen, wenn es um die Ersetzung des von der Produktion bis zur Endlagerung/Verbrennung Giftstoffe freisetzenden PVC geht. Die Gegner der Chlorchemie fordern seit Jahren die Produktionsaufnahme dieses aus Zucker gewonnen, verrottenden Kunststoffs. Doch die Bereitschaft, da einzusteigen, war seitens der ICI, in deren Labors dieser Stoff entwickelt wurde, nie besonders groß.
In den letzten Jahren spitzte sich die PVC-Diskussion zu – damit erhöhte sich auch der Druck auf die ICI, endlich das Geheimnis des Biopols zu lüften. Es ging darum, festzustellen, inwieweit dieser Stoff zur Ersetzung des PVC taugt. Nun hat die chemische Industrie Ernst gemacht: Gesponsert mit Steuermillionen brachte die ICI-Tochter Zeneca das Produkt Biopol auf den Markt.
Die Produktionsaufnahme wurde von wohlwollenden Stimmen aus Umweltministerien und anderen Institutionen publicityträchtig begleitet. Die Diskussion um den Umweltkiller PVC geht in erster Linie darum, diesen Stoff grundsätzlich durch umweltverträglichere Materialien zu ersetzen und für die Bereiche, wo es momentan keine Stoffe gibt, die dem PVC vergleichbare positive Eigenschaften haben, Ersatzstoffe jenseits der Chlorchemie zu entwickeln.
Doch was macht die chemische Industrie? Sie bietet uns gerade in dem Bereich, in dem Kunststoffe absolut überflüssig sind, ihr Biopol an. Mit großem Werbeaufwand werden mit Biopol beschichtete Papiertüten für 50 Pfennig als Einkaufstaschen angeboten. Gerade in einem Bereich, in dem die Plastiktüte (nicht aus PVC!) schon zu mindestens 50% durch Leinen-, Jute-, Papier- und andere Einkaufstaschen ersetzt wurde, versucht die chemische Industrie, durch Biopol wieder Fuß zu fassen.
Die Diskussion um die Ersetzung des PVC durch umweltverträglichere Stoffe wird weitergehen – und zu hoffen ist auch, daß die Biopol-Forschung nicht bei der Beschichtung von Papiertüten stehenbleibt, sondern sich in Bereiche vorwagt, die jetzt noch vom PVC beherrscht werden. Ganz leicht wird es die Firma Zeneca dabei allerdings nicht haben: Schließlich gehört die Firmenmutter ICI zu den größten PVC-Produzenten der Welt. Und die ICI wird mit Gewißheit keine Konkurrenz an der Mutterbrust säugen.

Hannes Klöpper

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