Frauenmusiktage
Aug 101994
 

Künstlerisches Selbstbewusstsein

Nur Blöde denken bei „Frauen“ und „Rock“ zuerst an Kleidungsstücke

(iz) 45 Frauen fanden sich zu den diesjährigen niedersächsischen Frauenmusiktagen Ende Juli im Wilhelmshavener Pumpwerk zusammen. Die mittlerweile 4. Veranstaltung dieser Art war wieder mal ein voller Erfolg.

Aufgrund erheblicher Mittelkürzungen wurde diesmal ein Frauenmusikcamp auf dem Pumpwerkgelände organisiert. Dank des (fast zu) heißen Wetters förderte das jedoch eher den Spaß an der Sache.

Diesmal konnten auch nicht die vormittäglichen Workshops stattfinden, in denen sonst die einzelnen Instrumente einschließlich Vokal erstmal kräftig geübt wurden. So gab es reine Bandarbeit. Das heißt: in knapp drei Tagen bis zum öffentlichen Abschlußkonzert sich auf zum Teil völlig fremde Frauen einstellen, menschlich wie künstlerisch, und unter ungewohnten Bedingungen (in einem öffentlichen Kulturzentrum mit Gastronomie nicht gerade der Konzentration zuträglich) ein oder mehrere völlig neue Stücke einzuüben. Dabei wurden nicht nur Coverversionen geprobt (und mit eigenem Touch versehen), in der kurzen Zeit kamen sogar selbst erarbeitete Experimentalstücke zustande.

Die niedersächsische Frauenministerin ließ es sich nicht nehmen, dem Abschlußkonzert persönlich beizuwohnen. Nach mehreren gemischten Bands überzeugten auch wieder die A-Capella-Gruppe unter Leitung von Evelyn Gramel – eigentlich aus der Not geboren, um den zahlreichen Gesangsinteressentinnen eine Chance zu geben. Danach, erstmalig im Rahmen der Frauenmusiktage, überraschte die Flamenco-Gruppe mit einer Rumba Flamenca als Ergebnis dreitägiger schweißtreibender Arbeit.

Hauptgigs des Abends waren dann das Duo „Las Hermanas Avila“ mit fantastischem Flamenco und die fetzig-frechen „Linda Potatoes“ aus Bremen. Spätestens da vergaßen alle Teilnehmerinnen die Anstrengungen der letzten Tage, und die Party griff auch auf das begeisterte Publikum über.

Mit diesem Eindruck wird die Frauenministerin hoffentlich nach Hannover zurückgekehrt sein, um sich dafür einzusetzen, dass Frauenmusik weiterhin und stärker als bisher gefördert wird. Auch die Männer, die erst zum Abschlußkonzert an den Ereignissen teilhaben durften, haben begriffen, worum es geht: daß Frauen erstmal oder zwischendurch ihre eigene künstlerische Herangehensweise zu einem eigenen künstlerischen Selbstbewußtsein entwickeln müssen, ehe sie in diese (seltsamerweise) immer noch männlich dominierte Kunstsparte eintauchen und möglicherweise in „gemischten“ Bands was ganz Neues entstehen kann.

Das Pumpwerk mit Nebengebäuden, Garten und dem benachbarten Musiker/innenhaus war trotz aller unvermeidbarer organisatorischer Probleme eine Oase für diese Veranstaltung. Probleme? Dank an Marina Speckmann von der Wilhelmshavener Musikerinitiative – sie hat wieder mal alles in den Griff gekriegt. Nicht zu vergessen auch die Frauen, die die Kinder betreut und die Verpflegung organisiert haben.

Auf zu den Frauenmusiktagen 1995!

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