Putzteufel
Feb 082011
 

Gar nicht putzig

Städtische Gebäudereinigung wird weiter zu Tode gespart

(iz) Vor acht Jahren begann die Stadt, die Reinigung städtischer Gebäude zu privatisieren. Durch weitere Sparfuchs-Ambitionen sind inzwischen nicht nur die Beschäftigten betroffen, sondern auch die hiesigen Firmen.

PutzteufelBis 2003 war die Reinigung der öffentlichen Gebäude vollständig in öffentlicher Hand. Dann startete ein „Modellversuch“ an vier Schulen (IGS, BBS Friedenstraße, Hafenschule, Schule Kathrinenfeld). Mit Beschluss des Rates vom 26.3.2003 ging die Reinigung für ein halbes Jahr an vier regionale Firmen. Man rechnete mit Kosteneinsparungen, die durch den Versuch belegt werden sollten. An Hand der Ergebnisse sollte der Rat dann über den zukünftigen Anteil der Fremdreinigung entscheiden. Mit dieser Vorgabe ließ sich schon erahnen, welches Ergebnis der „Versuch“ haben würde.
Im November 2004 beschloss der Rat einstimmig, die Fremdreinigung an den vier Schulen, die an der Testphase teilgenommen hatten, fortzusetzen. Die Umstellung weiterer Gebäude von der Eigen- in die Fremdreinigung sollte „im Rahmen der natürlichen Fluktuation“ fortgesetzt werden. „Wir beugen uns damit dem Zeitgeist, aber stolz sind wir nicht darauf“, gab damals SPD-Sprecher Neumann zu. FDP-von Teichman meinte, die Arbeitsplätze und Einkommen blieben doch erhalten, nur eben privat und billiger als städtisch. Neumann klärte ihn auf, warum Firmen billiger arbeiten – „Die Mitarbeiter werden dort schlechter bezahlt, sie stehen am Ende der Verdienstkette.“

Durch die „natürliche Fluktuation“ sind jetzt nur noch 80 von ehemals 120 Mitarbeiterinnen im städtischen Reinigungsdienst beschäftigt. Laut Dieter Kanth, Vorsitzender des städtischen Personalrates, wird der Ratsbeschluss „nach Gusto ausgelegt“: nicht nur durch „natürliche Fluktuation“, auch durch Abfindungen und Versetzungen machte man die Bahn frei für private Reinigungsfirmen.

Beschwerden häufen sich
Im Mai letzten Jahres informierte der ver.di-Arbeitskreis „Putzteufel“ den Rat mit einem Flugblatt über die Missstände im öffentlichen und privaten Reinigungswesen: harte Arbeit unter enormem Zeitdruck für wenig Lohn und wenig Respekt für das Geleistete. „Sei es durch Personalabbau oder durch Dumpinglohn, Sparen um jeden Preis.“ Darunter leidet auch die Qualität: „An allen 33 Schulen wurde die Reinigung halbiert, und nur noch 16 Schulen werden von den Beschäftigten des städtischen Reinigungsdienstes gereinigt.“ Trotz Fremdvergabe ist die Stadt nie ganz aus der Pflicht: Reinigungsleistung und Arbeitsschutzvorschriften müssen trotzdem durch städtische Mitarbeiter kontrolliert werden. Und die scheinbare Ersparnis durch Privatreinigung fällt auch dann wieder auf die öffentliche Hand zurück, wenn die Beschäftigten durch niedrige Löhne zu Aufstockern nach SGB II werden.

Mindestlohn ohne Wirkung
Zwischenzeitlich gab es bundesweit eine Menge Ärger um Dumpinglöhne für Reinigungskräfte. Seit dem letzten Jahr gibt es nun einen Mindestlohn von 8,40 Euro, seit dem 1.1.2011 sind es 8,55 Euro. Wie schaffen es die Firmen dann, billiger zu sein als die Eigenreinigung? Ganz einfach: Indem den Angestellten mehr Fläche pro Stunde aufgedrückt wird. Sie sollen flotter sein, haben aber, wie eine Reinigungskraft uns sagte, oftmals noch nicht einmal einen Revierplan, der für einen effektiven Arbeitsablauf und erst recht bei Objektwechsel und Vertretung eigentlich unverzichtbar ist. Das Ergebnis: „In den Schulen häufen sich mittlerweile die Beschwerden über die mangelhafte Reinigung, die auf die Sparmaßnahmen zurückzuführen sind“, so der AK Putzteufel. Die Frauen denken dabei auch an ihre „Endkunden“, nämlich die Schulkinder, die ein Recht auf gesunde und hygienische Verhältnisse in den Schulen haben.

Die Sparfüchse der GGS
Zum 01.01.2008 wurden die Hausmeister- und Reinigungsdienste auf die städtische Tochtergesellschaft GGS (Grundstücke und Gebäude der Stadt Wilhelmshaven) übertragen. Zu dieser Zeit waren sieben Firmen an 17 Standorten in der Fremdreinigung eingesetzt; die Kosten dafür beliefen sich auf 540.000 Euro.
Die GGS sieht es laut Beteiligungsbericht als vordringliche Aufgabe, die Kosten der Gebäudeflächen drastisch zu senken. „Das kann geschehen durch die Reduzierung der Gebäudeflächen und die Steigerung der Produktivität … In den nächsten Jahren werden die Hauptanstrengungen auf eine Optimierung dieser Strukturen gerichtet sein müssen, mit dem Ziel, die Aufgaben, die durch GGS wahrgenommen werden, möglichst kostengünstig erbringen zu können, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Einnahmesteigerungen auf Grund der für GGS gegebenen Aufgaben kaum möglich sind.“
Mitte Juni 2010 schrieb die GGS die Reinigung der Gebäude, die bereits fremdgereinigt wurden, europaweit aus. Dabei zogen die hiesigen Firmen den Kürzeren, ein Anbieter aus einem anderen Bundesland erhielt den Zuschlag. Der war (bei einer Größenordnung von einer knappen halben Million) etwa 30.000 Euro billiger. Wie geht das? Seit dem 10.3.2010 sind die Mindestlöhne für Reinigungskräfte doch allgemeinverbindlich – allerdings nicht für Betriebe, die überwiegend andere Leistungen erbringen. Viele derartige Dienstleister, die im großen Maßstab bundesweit tätig sind, haben auch Grünpflege, Immobilienverwaltung, Sicherheitsdienste etc. im Portfolio, sind also nicht an die Tariflöhne gebunden. Eine Rolle soll auch die Möglichkeit zum günstigeren Großeinkauf von Reinigungsmitteln spielen.
Eigentlich hat die Stadt – mit ihren Töchtern – ja eine Vorbildfunktion. „Ich kaufe hier“ soll die BürgerInnen motivieren, heimische Kaufleute und Dienstleister zu unterstützen statt die Billigheimer am Stadtrand oder im Internet. Doch die Stadt selbst spart sich noch zu Tode.
Der Personalrat setzt sich unterdessen verstärkt für eine Rekommunalisierung städtischer Aufgaben ein, also die Rücknahme des „Outsourcing“. Der Gesamtpersonalrat der Stadt Wilhelmshaven wurde übrigens unlängst für seine „innovative Personalratsarbeit in schwierigen Zeiten“ für den Deutschen Personalräte-Preis 2010 nominiert und zur Verleihung im November nach Berlin eingeladen.

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