Kämpferisch
Neujahrsempfang des DGB
(mt) Am 22. Januar lud der Deutsche Gewerkschaftsbund zum Neujahrsempfang im Gewerkschaftshaus in der Weserstraße ein. Manfred Klöpper, DGB- Regionsvorsitzender Oldenburg-Wilhelmshaven, hielt die Neujahrsansprache; auch Frieslands Landrat Sven Ambrosy und Oberbürgermeister Eberhard Menzel sprachen zu den Gästen.
Hoch motiviert, voller Kraft und kämpferisch gab sich an diesem Morgen der DGB. Die Kolleginnen und Kollegen stünden vor großen Aufgaben, welche es zu bewältigen gilt, stellte Manfred Klöpper fest. Die Krise sei mittlerweile überstanden, vor allem, weil die Werktätigen dies finanzierten. Trotzdem seien die Löhne immer noch zu gering. Klöpper prangerte an, dass die Arbeitgeber dies mit der geringen Binnennachfrage begründen. Genau hier setzte Klöpper an. Die Betriebskosten müssten endlich steigen, da gerade die Werktätigen die Ökonomie gerettet haben. So hätten sie nun Anspruch auf höhere Löhne, auf die sie nun schon mehrere Jahre warteten. Die ArbeiternehmerInnen dürften nicht mehr alles auf sich abwälzen lassen. Mehr sozialversicherungspflichtige Jobs hätten oberste Priorität.
Mehr Brutto
Die Legende von der sinkenden Arbeitslosigkeit sei eine Lüge. So hätten zwar mehr ArbeitnehmerInnen eine Anstellung, jedoch arbeiteten sie deutlich weniger Stunden, wodurch immer mehr keine Sozialabgaben zahlen würden. Minijobs und steigende Abgaben für Festangestellte seien die Folgen.Doch steigende Sozialabgaben seien nicht immer schlecht, so Klöpper. Was die Rentenversicherung anginge, so fordert er eine Erhöhung der Beiträge, um eine staatliche Rente langfristig zu sichern. Es könne nicht sein, dass immer mehr Werktätige einen immer größeren Anteil vom Netto für private Rentenversicherungen aufwenden müssten. „Mehr Brutto“ statt „mehr Netto vom Brutto“ ist seine Forderung, denn nur so können langfristig die Sozialsysteme entlastet und dadurch für mehr Sozialgerechtigkeit gesorgt werden.
Die KollegInnen müssten sich wehren gegen die Eingriffe in die Tarifautonomie, bei denen es immer zu Lasten der ArbeitnehmerInnen ginge. Auch in Bezug auf die Erwerbslosen fordert Klöpper zu Solidarität auf. Immer mehr ALG II-Empfänger müssten gegen ihre Bescheide klagen, da das Job-Center seinen Aufgaben nicht angemessen nachgehe. So sei die Arbeitsloseninitiative eine gute und wichtige Einrichtung, welche es zu unterstützen gelte, auch und gerade von der Kommune. Klöpper verwies auf die Stadt Oldenburg, die die ALSO schon seit langem unterstützt. Von Seiten der Gewerkschaft müsse die Forderung nach höheren ALG II-Sätzen immer wider erneuert werden. Die fünf-Euro-Regelsatzerhöhung sei unzumutbar. Hier werde die Menschenwürde aufs schwerste verletzt.
Investitionen blieben aus
Oberbürgermeister Menzel sieht positiv in die Zukunft. Der JadeWerserPort schaffe neue Arbeitsplätze. Andere Unternehmen werden in die Stadt gezogen. Hierbei sei es wichtig, für ausreichend Gewerbeflächen zu sorgen. Rund 800 ha Fläche seien von ökonomischem Interesse, sobald der JWP in Betrieb ginge. Aufgabe sei es nun, diese Flächen nutzbar zu machen, indem das Vogelschutzgebiet aufgelöst werde. Großes Vertrauen setzt der OB in die Bürgerarbeit. Sie sei ein Weg in die Dauerbeschäftigung, hierbei würde auf angemessene tarifliche Lösungen geachtet werden. Aber auch Sorgen macht sich der OB. Große angekündigte Investitionen seien ausgeblieben, so z.B. von Ineos oder E.ON. Ebenso sei die Raffinerie eine seiner Sorgen. Hier sei die Gewerkschaft in der Pflicht, sich für den Erhalt solcher Arbeitsplätze einzusetzen.
Unser aller Aufgabe sei es, jungen Menschen eine Existenzmöglichkeit in Wilhelmshaven zu geben. Immer mehr Menschen verließen die Stadt. Der OB betonte die Wichtigkeit der Gewerbesteuer für die Handlungsfähigkeit der Stadt. Die Kommune dürfte nicht immer „am Katzentisch sitzen“ bleiben.
Hier nimmt er auch das Land in die Pflicht. Aufgabe des Landes sei es, für ausreichende Finanzierung zu sorgen, statt stets auf Fusionen von Kommunen und Landkreisen zu drängen.
Zauberwort Solidarität
Die Friesen hätten eine negative Erwartungshaltung, stellt Landrat Sven Ambrosy (SPD) in seiner Rede fest. Wenn es um unsere Region ginge, hätten die Menschen kein Vertrauen. Dabei liege es gar nicht an uns, sondern an den schlechten Entscheidungen von außen, dass unsere Region strukturschwach sei. Dies erkenne man schon an den Touristen: Wäre es hier so furchtbar, kämen sie gar nicht erst, um ihren Urlaub hier zu verbringen. Wir müssten nur an uns glauben. Solidarität sei das Zauberwort.
Die Menschen aus Wilhelmshaven und Friesland müssten gemeinsam die anstehenden Probleme lösen. Dabei sei der gegenseitige Neid nur kontraproduktiv. Temporär ginge es Friesland sehr gut, was jedoch auch Wilhelmshaven zugute kommen würde. Wichtig sei es, für ausreichend gefüllte Kassen auf kommunaler Ebene zu sorgen. Oft hätten viele Politiker gute Ideen, welche dann an leeren Kassen scheiterten.
Vielleicht wird die anstehende Maritime Konferenz daran etwas ändern, hofft Manfred Klöpper. Hierbei käme es aber gerade auf die Gewerkschafter an, sie seien entscheidend dafür, dass nicht nur Marketing, sondern auch die Interessen der Arbeitnehmer in die Entscheidungsprozesse einfließen würden.
Kommentar
Zu schön, um wahr zu sein.
Selbstbewusst, von seiner eigenen Kraft überzeugt und voller Tatendrang startet der DGB ins neue Jahr. Vieles hat man sich vorgenommen, mehr Brutto, mehr Alg II, Erhalt und Schaffung von Arbeitsplätzen und eine starke Solidarität, davon spricht man an diesem Morgen. Doch hört man diese lobenswerten Ziele, bekommt man den Eindruck, dass da irgendwie etwas nicht zusammenpasst, als sei die Gewerkschaft eine ganz andere als die der vergangenen Jahre. Denn wenn es um die Interessen der Arbeitnehmer geht, kommt man nicht umhin festzustellen, dass sie in den letzten Jahren sehr versagt haben.
Sinkende Löhne, eine de facto komplette Abschaffung des Kündigungsschutzes sowie Armut per Gesetz haben die Interessenvertreter der ArbeitnehmerInnen gebilligt. Nicht zu vergessen die Finanzierung der Krise durch die Arbeitnehmer, die einen heißen Herbst zu Folge haben sollte, von dem man höchstens als lauwarmes Herbststürmchen reden kann.
Hält man sich dies vor Augen, so könnten bei dem einen oder anderen die Forderungen eher als leere Phrasen im Gedächtnis bleiben, statt sie als kämpferischen Aktionsplan zu verstehen. Es reicht eben nicht, gegenüber seinen KollegInnen das „Rote“ vom Himmel zu versprechen, Solidarität mit den Erwerbslosen zu bekennen, aber wenn es darauf ankommt, sich Politik und Wirtschaft zu beugen und dies mit der sogenannten „Sozialpartnerschaft“ zu begründen.
Die Gewerkschaften sind mächtig. Sie sind das Sprachrohr für Millionen Werktätige und Erwerbslose. Jetzt wird es Zeit, diese Macht endlich einzusetzen! Den Worten müssen Taten folgen.
Dafür bedarf es wesentlich mehr Mut. Mut zu Streiks, zu ernsten Tarifverhandlungen und den Mut, auch vor dem politischen Streik nicht zurückzuschrecken. Damit aus der Utopie Wirklichkeit wird!
Hoch motiviert, voller Kraft und kämpferisch, das soll die Gewerkschaft von morgen sein, denn “seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche„.Matthias Tiller
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