ICI-Blockade
Sep 131993
 

„...dann wird Widerstand zur Pflicht!“

Erster ICI-Blockierer am Amtsgericht Wilhelmshaven verurteilt

(ft) Als die internationale Umweltschutzorganisation Greenpeace am 9. und 10.11.1992 die Werkstore der ICI Wilhelmshaven blockierte, um auf einen Ausstieg aus der PVC-Produktion hinzuwirken, stellte die ICI Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs und gewalttätiger Nötigung. Nun kam es zum ersten Prozeß.

Greenpeace fuhr vor die Tore der ICI, um ein Gespräch mit der Geschäftsführung zu führen und diese vom PVC-Ausstieg zu überzeugen.
PVC (Polyvinylchlorid) ist ein Hauptverursacher der zunehmenden Dioxinverseuchung von Mensch und Umwelt. Bei der Herstellung, Verwendung und Beseitigung von PVC werden Dioxine freigesetzt. Schon heute nehmen die Bundesbürger doppelt soviel Dioxin auf, wie das Bundesgesundheitsamt für verantwortbar hält. Die ICI wich, trotz klarer Argumentation gegen das PVC, keinen Schritt von ihrem Standpunkt für die PVC-Produktion ab.
„Wir wissen, daß PVC schädlich ist, aber Menschen sterben auch in Betten – deshalb schafft man keine Betten ab!“, so Herr Schütze von der ICI. Daraufhin entschloß sich Greenpeace, die ICI-Tore zu blockieren.
Während der Blockade konnten die Angestellten das Tor passieren, um die Schicht zu wechseln, jedoch stauten sich die LKW vor
und hinter dem Tor. Ihnen blieb die Zu- und Ausfahrt versperrt. Die ICI stellte Strafantrag, und die Polizei stellte die Personalien von 25 Greenpeace-AktivistInnen fest.
Zu Beginn der Frühschicht am 10.11.92•“verschärfte“ Greenpeace die Blockade und versperrte auch den Arbeitern den Zutritt zum Werk. Der Werksschutz schnitt ein Loch in den Zaun, um einen weiteren Eingang zu schaffen. Es kam zu gewalttätigen Übergriffen seitens der ICI-Angestellten. Zwei Greenpeacer wurden leicht verletzt, und die UmweltschützerInnen entschlossen sich, die Blockade aufzugeben, um weitere Verletzungen zu verhindern.
Sechs Monate später flatterte den AktivistInnen der Strafbefehl ins Haus: Dreißig Tagessätze à dreißig DM zuzüglich Verwaltungskosten, insgesamt knapp tausend DM pro Person.
Greenpeace legte Widerspruch ein. Eine Gerichtsverhandlung ist mittlerweile abgeschlossen; vierundzwanzig folgen in den nächsten Wochen. Dem Oberstaatsanwalt waren Greenpeace-Aktionen nicht ganz unbekannt, vertrat er den Staat schon in Prozessen gegen Greenpeace-AktivistInnen u. a. in Sachen Europipe im vergangenen Jahr. Auf den Antrag des Verteidigers auf Einstellung des Verfahrens wegen Nichtigkeit ging er nicht ein, da Greenpeace „schon öfter die Chance hatte, solche Aktivitäten künftig zu unterlassen“. Da der Angeklagte sich am Tor festgekettet hatte, dieses auch freiwillig zugab, wurde der Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllt, denn um sich festzuketten, mußte er die Kette mit den Händen hinter den Gitterstäben entlang führen und befand sich somit auf Besitztum der ICI. Der Richter sah beide in der Anklageschrift aufgeführten Tatbestände, gewalttätige Nötigung und Hausfriedensbruch, als erfüllt und verurteilte den Angeklagten zu den vom Oberstaatsanwalt geforderten dreißig Tagessätzen, halbierte jedoch jeden Tagessatz auf fünfzehn DM, da der Angeklagte als Student kein geregeltes Einkommen hat, nicht vorbestraft ist und vollkommen zu seiner Tat stand.
Die nächste öffentliche Gerichtsverhandlung findet am 4. Oktober 1993 um 14 Uhr im Amtsgericht Wilhelmshaven, Marktstraße, im Raum 47 statt.
Wer mehr Informationen zu PVC und dessen Folgen haben möchte, kann sich bei der Wilhelmshavener Greenpeace-Gruppe informieren.

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