Schadstoffe
Sep 131993
 

Zwei Schritte vor, einen zurück

Zahnärzte werden schärfer kontrolliert als die ICI

(buw/uw) Lange Wege nehmen internationale und nationale Beschlüsse zum Schutz der Nordsee, bis sie zur Umsetzung an die Jade gelangen.

Im Verlauf der 3. Internationalen Nordseekonferenz in Den Haag beschlossen Umweltminister Töpfer und Co. öffentlichkeitswirksame Maßnahmen zum Schutz der Nordsee. So etwa die Halbierung von bestimmten Schadstoffmengen, die via Einleitungen in die Nordsee gelangen dürfen , innerhalb von 10 Jahren.
So soll die Einleitung von Schadstoffen (von Quecksilber bis hin zu den Dioxinen) branchenbezogen, durch die Anwendung des „Standes der Technik“ und des umweltverträglichsten Verfahrens, schon am Produktionsort verringert werden. Zur Umsetzung dieser Beschlüsse dienen auf nationaler Ebene das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und weitere Verwaltungsvorschriften. Die vom WWF (Worldwide fund for nature) Ende Juni der Öffentlichkeit vorgestellte Studie „Einleitkataster Deutsche Nordseeküste“ des Hamburger „Instituts für Ökologie und Politik“ zeigte, daß die Umsetzung dieser Beschlüsse schwerwiegende Defizite aufweist. Gerade einige Wilhelmshavener Produktionsstätten belegen hierbei keine Spitzenplätze. So kommt bei ICIs PVC-Produktion nicht die gleiche Strenge des Gesetzes zum Einsatz wie bei Wilhelmshavens Zahnärzten. Das heißt, gerade dort, wo Schwermetalle und andere organische Schadstoffe anfallen, existieren im Sinne des WHG keine Mindestanforderungen an das Einleiten von Abwässern, die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen.
Den Betreibern des Kraftwerkes scheint es sogar an dem vorgeschriebenen Bescheid für das Ableiten von Abwässern aus der Rauchgaswäsche zu mangeln. In anderen Bereichen, die durch gültige Abwassereinleitungsverwaltungsvorschriften (AbwVwV) geregelt werden, entsprechen die Einleit-Erlaubnisbescheide der Firmen nicht diesen Vorschriften. So sind die entsprechenden Papiere von lCI-Atlantik 10, die von Beta 12 Jahre alt und nie an die zum Teil strengeren AbwVwV angepaßt worden. Zweifelsohne entsprechen diese Bescheide allem, nur nicht mehr dem „Stand der Technik“ .
Ob jedoch die Umstellung auf umweltverträglichere Produktionsverfahren im Falle des Chlor produzierenden ICI-Atlantik-Werkes noch einen Sinn macht, ist fraglich. So haben die Umweltminister der Nordseeanrainerstaaten beschlossen, noch bestehende Chlor-Alkalianlagen auf Quecksilberbasis „so bald wie möglich“ schrittweise stillzulegen. Bis zum Jahre 2010 sollen alle Anlagen dieser Art verschwunden sein. Es steht noch zu hoffen, daß dieses Ziel auf behördlichem Wege von Den Haag nach Wilhelmshaven nicht ähnlich verschleppt wird, wie die Umsetzung anderer internationaler Bestimmungen im Umweltschutz.
Diese wenigen Beispiele der Behördenpraxis vor Ort zeigen auf, wie sehr diese hinter der sicherlich alles andere als schnellen internationalen Entwicklung hinterherhinken. Durch solche Untätigkeit setzen sich die Kontrollbehörden dem Verdacht der Kumpanei mit der Industrie aus; zumindest tragen sie stark an der Verantwortung für die Verschmutzung unserer Umwelt bei, dabei sollen sie diese doch bekämpfen.

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top