Schmidt und Koch
Okt 211998
 

Schmidt & Koch will aktive Betriebsräte mundtot machen

Die fristlose Entlassung zweier Betriebsräte sorgt bundesweit für Proteste

(hk) Die Schmidt&Koch-Gruppe gehört nach Auskunft eines IG Metall-Sprechers zu den Hardlinern in den Tarifverhandlungen. Und in einen solchen Betrieb passen nun mal keine aktiven Gewerkschafter – das jedenfalls scheint die Geschäftsleitung von Schmidt & Koch nicht nur zu meinen, sondern auch in die Tat umsetzen zu wollen.

Ein IG Metall-Sprecher zum GEGENWIND: „Bei der Schmidt&Koch-Gruppe (V.A.G. und Audi-Händler mit fast 20 Betrieben in Niedersachsen/Bremen) sollen engagierte Betriebsräte und Gewerkschafter anscheinend mundtot gemacht werden. Ansonsten ist nicht zu erklären, dass innerhalb von fünf Tagen die fristlose Kündigung der Arbeitsverhältnisse von dem Betriebsratsvorsitzenden Autohaus Wilhelmshaven Nord GmbH (AWN) und von der Betriebsratsvorsitzenden Auto Martens GmbH&Co in Oldenburg (Schmidt&Koch-Betrieb ab 1.1.99) bei den jeweiligen Arbeitsgerichten angestrebt wird.“ Die IG Metall sieht in den Kündigungen eine „willkürliche Maßnahme und Schikane gegenüber den Betriebsratsvorsitzenden und eine Behinderung der Betriebsratsarbeit. Grundgesetzlich verankerte Gewerkschaftsrechte und das Betriebsverfassungsgesetz dürfen nicht zum Spielball der Arbeitgeber werden.“

Inzwischen rollt die Protestlawine quer durch die Republik. Die IG Metall-Betriebsrätekonferenz Ende September protestierte gegen die „skandalöse versuchte Kriminalisierung der Betriebsräte“ und forderte die sofortige Zurückziehung der Kündigungen. Der Beauftragte der VW AG Wolfsburg, Peter Seeck, betonte, dass die Vorgehensweise von Schmidt&Koch nicht im Sinne des Volkswagenkonzerns sei. Erich Vitt vom IG Metall-Vorstand aus Frankfurt bot seine Hilfe zur Beilegung des Konfliktes an. Inzwischen haben sich der VW-Arbeitsdirektor, der VW-Gesamtbetriebsrat und viele andere Personen und Gremien in den Konflikt eingeschaltet.

Schmidt&Koch wirft den beiden Betriebsräten (betroffen sind noch weitere Betriebsratsmitglieder und Beschäftigte) Betrug vor, weil sie angeblich die Fahrzeuge ihrer Lebenspartner reparieren ließen und falsch abrechneten. Bei den Vorwürfen handelt es sich, so die IG Metall, um „tagtägliche Serviceleistungen für die Kunden“, durch die sich die V.A.G.-Betriebe besonders auszeichnen. Die übliche Servicearbeit soll plötzlich ein Kündigungsgrund sein.

Darum sorgt das Vorgehen der Geschäftsleitung nicht nur bei Gewerkschafts- und Betriebsfunktionären für Proteste – auch die Kunden fühlen sich verunsichert. Einer dieser Kunden schrieb am 30.9. an das Autohaus Wilhelmshaven Nord:

„Sehr geehrte Damen und Herren,
eigentlich wollte ich nur einen Inspektionstermin für meinen VW Golf vereinbaren, und dies natürlich vertrauensvoll bei meinem langjährigen Kundendienstberater Jürgen W.
Mit Bedauern habe ich Ihren telefonischen Aussagen vom 16./30. September entnehmen können, dass Ihr Mitarbeiter Herr W. einem offenen Verfahren unterworfen ist/auf unbestimmte Zeit in Urlaub ist bzw. so Ihre Aussage heute, man (!?) am 17. November mehr weiß.
Nach den diffusen Auskünften habe ich etwas nachgeforscht und feststellen müssen, dass Sie einen Ihrer kompetentesten Mitarbeiter, der für mich immer wieder ein Grund war, AWN als Autohaus und Werkstattbetrieb zu empfehlen, entlassen wollen. Zur Last gelegt wird ihm augenscheinlich eine Eigenschaft, die Sie in Ihrer „Corporate Identity“ (Aufmerksam – Wendig – Nett / AWN) geradezu herausstellen, nämlich Servicestärke.
Gerade dieses für mich bis heute selbstverständliche Prinzip der mir bekannten Kundendienstberater und –monteure war es, was Ihren Betrieb auszeichnete: Mal eben ohne Anmeldung auf den Werkstatthof zu fahren um nachschauen zu lassen, ob die Scheinwerfereinstellung noch stimmt, der Keilriemen nachgespannt werden muss oder die selten benutzt hintere Tür einen Tropfen Öl braucht. Gerne haben Ihre Kundendienstmonteure – darunter auch Herr W. – hier eben geholfen. Dafür war man gerne bereit, die anfallenden größeren und kleineren Reparaturen über AWN abwickeln zu lassen – obwohl so manch anderer KFZ-Betrieb da preisgünstiger gewesen wäre.
Heute höre ich nun, dass diese durchweg von allen mir bekannten Mitarbeitern so ausgeübte Service-Praxis, die von der Firmenleitung wohl nicht nur gewünscht, sondern ausdrücklich auch im Rahmen der Kundenanbindung genutzt und beworben wurde, nun im Umkehrschluss Herrn W. zur Last gelegt wird. Dies ist lächerlich und ich kann hier als Kunde nur mit Entsetzen und Unverständnis reagieren. (…).“

Ob Schmidt&Koch auf solche Briefe reagieren wird, ist eher unwahrscheinlich, denn die Kündigungen haben eindeutig einen gewerkschaftspolitischen Charakter. Die beiden entlassenen Betriebsräte sind nicht nur im Betrieb, sondern auch in der Gewerkschaft aktiv. Z.B. als Mitglieder in der Tarifkommission. Im Kfz-Handwerk liegt noch immer vieles im Argen. Probleme, die die Betriebsräte und ihre Gewerkschaft angepackt haben. Und so etwas passt den Hardlinern bei Schmidt&Koch nicht in den Kram.

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