Wer bleibt auf der Strecke?
Heiße Debatten um Tiefgefrorenes: Arbeitsplatzvernichtung durch Landesbürgschaft?
(hk) Wenn Sie diesen GEGENWIND in der Hand halten, werden sie wahrscheinlich schon wissen, ob das Land Niedersachsen für die Firma „JadeKost“ eine Bürgschaft in Höhe von 35 Millionen Mark übernommen hat. Wir wissen’s noch nicht und wollen im folgenden Artikel darstellen, was an dieser Entscheidung so schwierig ist.
Der Bau der Tiefkühlfabrik JadeKost wurde vom Land mit ca. 18 Millionen Mark bezuschußt. Bei einer Investitionssumme von 100 Millionen DM und versprochenen 400 Arbeitsplätzen ist das der Rahmen, der durch das Gesetz abgedeckt ist. Daß hier unter Umständen der Bau einer Fabrik mit Steuergeldern unterstützt wird, durch den an anderen Standorten Arbeitsplätze gefährdet werden, gehört zum Einmaleins der Marktwirtschaft. Doch wenn es dieser neuen Firma dann nicht gelingt, in den Markt einzudringen und diese daraufhin beim Land vorstellig wird und um die Gewährung einer Bürgschaft von 35 Millionen nachsucht, müssen die Alarmglocken schrillen.
JadeKost produziert im Fischbereich keine eigenständigen Artikel, sondern die Standardware, die auch von den anderen Herstellern produziert wird (Fischstäbchen, Fischfrikadellen, Schlemmerfilet) und will mit seiner 30.000 Tonnen-Kapazität in einen 110 – 120.000 Tonnen-Markt eindringen, der von Iglo und Oetker und den sogenannten Zweitmarkenherstellern Frosta, Hussmann & Hahn (Cuxhaven) und Pickenpack (Lüneburg) ausgefüllt ist. Jadekost muß also einen Verdrängungswettbewerb inszenieren, in dem entweder JadeKost oder einer der anderen Zweitmarkenhersteller auf der Strecke bleibt. Für diese marktwirtschaftliche Auseinandersetzung fehlt JadeKost nun das nötige Geld, dafür benötigt Horst Bartels die Landesbürgschaft von 35 Millionen. Da ist es nicht verwunderlich, daß die anderen Tiefkühlfischproduzenten befürchten, daß ihre Betriebe dadurch unaufholbare Nachteile im Wettbewerb erleiden werden. Der Tiefkühlproduzent Pickenpack aus Lüneburg schrieb in dieser Sache an den niedersächsischen Ministerpräsidenten Schröder:
„In Wilhelmshaven ist in 1993 mit Investitionszuschüssen des Landes mit Firma JADEKOST ein Konkurrenzunternehmen errichtet worden, für dessen Verarbeitungskapazität im deutschen Markt keine entsprechende Nachfrage besteht. Dieses Unternehmen versucht nunmehr, in einem intensiven Verdrängungswettbewerb Marktanteile zu gewinnen. (…) Ein durchaus normaler Prozeß, der sich nach den Regeln unserer Marktwirtschaft von allein erledigen würde. Wenn jedoch ein solches Unternehmen nach wenigen Monaten seiner Tätigkeit erkennen muß, daß wegen Fehlens eines Vermarktungskonzeptes kein kostendeckender Absatz seiner Produkte möglich ist und seine Banken daher nicht bereit sind, ihm ausreichende Kreditlinien für Umlaufmittelkredite ohne zusätzliche staatliche Sicherheiten zu gewähren, so darf in einer solchen Situation mit Hilfe von Landesbürgschaften kein einseitiger Eingriff in die marktwirtschaftliche Ordnung unseres Landes erfolgen. ( …) Die vorstehend von mir geschilderte Situation müßte jedoch bei Gewährung einer Landesbürgschaft zwangsläufig zur Vernichtung von langjährigen Arbeitsplätzen im Bereich Cuxhaven, Lüneburg und Bremerhaven führen.“
Selbst der CDU-nahe Informationsdienst „Rundblick“ spricht von einem Verdrängungswettbewerb, „in dem ein mit Landesmitteln geförderter Newcomer mit offenkundig nicht kostendeckenden Preisen die Existenz von drei Konkurrenten bedroht“. Weiter heißt es im Rundblick, daß der Landeskreditausschuß dem Antrag stattgegeben habe, „obgleich die Treuarbeit die Finanzlage des Wilhelmshavener Unternehmens als äußerst kritisch beurteilt und den Bürgschaftsbedarf in den nächsten zwei Jahren sogar auf 50 Millionen Mark beziffert haben soll.“ Für Horst Bartels‘ Firma JadeKost ist die Gewährung der Landesbürgschaft eine Überlebensfrage. Für seine Konkurrenten ebenfalls. Keine leichte Entscheidung, die der Haushaltsausschuß da treffen muß.
DerJadeKost-Betrieb passt zweifelsfrei hervorragend in die Struktur Wilhelmshavens: Häfenabhängig, arbeitsplatzintensiv und eine Produktpalette, durch die der Name der Jadestadt „in aller Munde“ ist. Kein Mensch wäre gegen die Gewährung der Landesbürgschaft, wenn diese nicht zur Folge hätte, daß in anderen Betrieben in nächster Nachbarschaft der Betrieb eingestellt bzw. stark reduziert werden müßte. Der gewährte Investitionszuschuß von18 Millionen Mark muß für Bartels ausreichen, um seine ehrgeizigen Ziele zu erreichen. Ist er dazu nicht in der Lage, dann hat er zu hoch gepokert und verloren. Das wäre nicht nur für Horst Bartels schlimm, sondern vor allem für die Stadt Wilhelmshaven und die 250 Beschäftigten bei JadeKost.
Eine Anlage, die für den Ausstoß von 30.000 Tonnen Tiefkühlfisch konzipiert ist, in der aber jährlich nur 8.000 Tonnen produziert werden, erwirtschaftet nicht einmal die laufenden Betriebskosten. Ob es JadeKost gelingen kann, nach Gewährung einer Landesbürgschaft mit Dumpingpreisen einen größeren Marktanteil zu bekommen, ist mehr als fraglich, denn der den Dumpingpreisen folgende Preisverfall für Tiefkühlfisch würde über kurz oder lang dazu führen, daß auch die Firmen aus Cuxhaven und Lüneburg bei Herrn Schröder um die Gewährung von Landesbürgschaften ersuchen müßten. Wer wird deren Begehren dann ablehnen und sich dadurch der fortgesetzten staatlichen Bevorzugung eines einzelnen Unternehmens schuldig machen?
Hoch gepokert hat Horst Bartels wohl auch im Nordfrost-Geschäftsbereich seines Imperiums. Sein Rückzug aus dem Schlachthof Wilhelmshaven war dafür ein erstes Anzeichen. Der Auslastungsgrad der Nordfrost-Kühlhäuser beträgt man gerade 30 %. Das mit großem Presserummel (und 40 % Investitionshilfe) erbaute Kühlhaus in Zerbst steht nach uns vorliegenden Informationen leer. Das im Sommer 1993 von Horst Bartels erworbene Kühlhaus Frigotransit (Hamburg) wird seit November 1993 wieder zum Verkauf angeboten. Im September 1993 verkaufte Bartels den Frisia-Schlachthof in Hamburg-Norderstedt.
Wie es im Fleisch- und Fertigkostbereich der Firma JadeKost aussieht, ist uns nicht genau bekannt, doch der Markt ist in diesem Bereich ähnlich gesättigt wie bei Tiefkühlfisch. Auch hier wird es JadeKost nicht gelingen können, ohne eigenes Marketingkonzept einen der Produktionskapazität entsprechenden Marktanteil zu erreichen.
Die Anträge für die nächsten Landesbürgschaften können wohl schon ausgefüllt werden.
Hannes Klöpper
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