Heuschrecke Cerberus
Nov 302005
 

Mückenplage

Neues Futter für die Höllenhunde

(ub) Die Fondsmanagementgruppe Cerberus setzt ihre Einkaufstour quer durch Deutschland fort. Erneut verschlingt der US-Finanzriese ein Wohnungsunternehmen mit umfangreichem Wohnungsbestand in Wilhelmshaven. Betroffen sind diesmal Mieter im Stadtteil Wiesenhof. Ausgerechnet die Beteiligungsgesellschaft der Gewerkschaften (BGAG) verkauft ihre Immobilientochter BauBeCon mit ca. 20.000 Wohnungen an den US-amerikanischen Finanzinvestor. Die BauBeCon-Mitarbeiter fürchten um ihren Arbeitsplatz. Harsche Kritik ernten die Gewerkschaften auch vom deutschen Mieterbund.

CerberusNur wenige Wochen nach dem Kauf der Wilhelmshavener Wohnungsbaugesellschaft Jade hat der nach dem Fabelwesen aus der griechischen Mythologie benannte US-Investor Cerberus erneut zugeschlagen. Das Unternehmen BauBeCon Immobilien GmbH betreut eigenen Angaben zufolge rund 50.000 Wohnungen und Gewerbeobjekte im gesamten Bundesgebiet. Die ca. 20.000 Wohnungen in eigenem Bestand stammen zum Großteil aus der früheren gewerkschaftseigenen Neuen Heimat und befinden sich vornehmlich in Norddeutschland. Die ca. 200 Wilhelmshavener BauBeCon-Wohnungen finden sich u. a. in den Straßen Feldmark und Grashaus im Stadtteil Wiesenhof.

Die Plünderer sind da

– so titelt „metall“, das Monatsmagazin der IG Metall, im Mai dieses Jahres. Metall prangert an: „Finanzinvestoren aus Amerika schlachten deutsche Unternehmen aus… Rücksicht auf Menschen, Regionen oder Traditionen nehmen die amerikanischen Finanziers nicht. Wie Mücken saugen sie aus den Betrieben das Geld, um dann nach dem gleichen Muster weiterzuschwärmen. Leidtragende sind die Menschen… Die Investoren unterwerfen das Unternehmen einem kurzen Verwertungszyklus von drei bis fünf Jahren.“
In dieser Zeit geht es vor allem um eins: Die Kosten insbesondere im Personalbereich sollen drastisch gesenkt werden. Für die Belegschaften der betroffenen Unternehmen heißt das: Entlassungen, Lohnsenkungen und Mehrarbeit bei gleichem Lohn. Die BauBeCon-Belegschaft – gut informiert durch ihre Gewerkschaft – hat sich folglich vehement gegen den Verkauf der Immobiliengesellschaft gewehrt. Auf finanzielle und logistische Unterstützung ihrer Interessenvertretung mussten sie dabei diesmal allerdings verzichten. Die Hannoversche Allgemeine berichtete am 08.11.05 über Protestaktionen der Hannoverschen BauBeCon-Belegschaft und merkt an: „Oft werden Kosten und Organisation solcher Aktionen von den zuständigen Gewerkschaften getragen – die sind aber in diesem Fall als Anteilseigner der BGAG auf der Gegenseite.“

Wohnungsausverkauf

Noch ist nicht absehbar, welche Folgen der Eigentümerwechsel für die Mieter hat. Den Mietzins künftig auf einem Konto in New York zu wissen, von wo aus dann am Cerberusfond beteiligte Ölmultis aus den arabischen Golfstaaten bedient werden, ist sicherlich noch das kleinere Übel. Der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Dr. Franz-Georg Rips, beklagt in einer Pressemitteilung, dass weder die Gewerkschaftsholding BGAG noch der DGB auf die Proteste des Mieterbundes gegen den Verkauf reagiert haben, und fordert die Gewerkschaft auf, offen zu legen „ob, und wenn ja, welche Schutzrechte für die betroffenen Mieter vereinbart wurden.“
Die Zeitung „Die Welt“ beschäftigt sich am 11.11. d. J. mit dem „Ausverkauf am Wohnungsmarkt“. Laut dieser Zeitung „befinden sich aktuell schon über 550.000 Wohnungen in den Händen amerikanischer und britischer Finanzinvestoren. Und Marktexperten gehen davon aus, dass diese Zahl noch auf 1,6 Millionen Wohnungen steigen wird. Vor dem Hintergrund dieser enormen Dimension wird die Frage nach den Exit-Möglichkeiten immer lauter.“
Die bekanntermaßen alles andere als kapitalkritisch einzuordnende „Welt“ aus dem Axel-Springer-Verlag macht sich Sorgen, dass die neuen Herren allzu rüpelhaft mit den erworbenen Wohnimmobilien umgehen. „Denn bekanntlich haben solche Finanzinvestoren nur einen begrenzten Anlagehorizont von wenigen Jahren – bei Renditeerwartrungen auf das eingesetzte Kapital von 20 oder 25 Prozent.“ (ebenda) Das heißt, dass man in den nächsten Jahren sicherlich erneut über einen Eigentümerwechsel berichten wird. Ungewiss ist lediglich, ob der Wohnungsbestand parzelliert an Zwischenhändler verkauft wird. Oder ob man versucht, wie jetzt aktuell bei der WoBau Jade, die Wohnungen einzeln an Mieter oder private Kapitalanleger weiterzureichen. Am Ende der Verwertungskette werden interessante Steuersparmodelle mit so genannten Schrottimmobilien auf den Markt kommen.


Die Mückenillustrationen
auf dieser und der Titelseite haben wir dem Magazin ‚metall’ , Mitgliederzeitschrift der IG Metall, entnommen. Sie entstammen der Feder Silvan Wegmanns.

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