Die Nordsee stirbt auch ohne uns
Naturschutzkongress: Wiederbelebung von Worthülsen
(iz) Anläßlich des 2. Europäischen Naturschutzjahres veranstaltete das Niedersächsische Umweltministerium am 11. August in der Stadthalle den Kongreß „Chancen für den Naturschutz“. Chancen bot die Veranstaltung jedoch in erster Linie den politisch Verantwortlichen, zu zeigen, daß sie viel zu erzählen und nichts zu sagen haben und sich dabei wieder sämtliche Hintertürchen offen halten.
Ähnlich wie bei den Ministerkonferenzen der Nordseeanrainerstaaten ist es müßig, die unverbindlichen Aussagen z. B. von Monika Griefahn oder Ministerpräsident Schröder hier zu wiederholen.
Der einzige, der sich traute, die Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung zu stören, war Holger Wesemüller, der sich das als Chef des renommierten Umweltverbandes WWF leisten konnte. Er knallte einen stichhaltigen Forderungskatalog für das Wattenmeer auf den Tisch und mahnte langjährige Versäumnisse an.
Unter anderem forderte Wesemüller die Stärkung der Nationalpark-Verwaltung. Derzeit sind die Kompetenzen unter verschiedensten Behörden zersplittert – für die Arbeit wenig effektiv und für BürgerInnen undurchschaubar. Im neuen Nationalpark Harz z. B. ist die Verwaltung gleichzeitig für andere Nutzungsinteressen wie Forst oder Jagd zuständig – die einzige Chance für den Naturschutz gegenüber anderen Nutzungsinteressen.
Wesemüller fand es“ beschämend“, daß nach fast 10 Jahren, die der niedersächsische Park besteht, noch kein Konzept für Schutz, Pflege und Entwicklung vorliegt. Bislang konnte die Veröffentlichung immer wieder von anderen Nutzungsinteressen ausgehebelt werden. Derzeit tobt der Kampf um die Sommerdeiche, welche das Vorland von der natürlichen Entwicklung abschließen. Als Ausgleichsmaßnahme für den Bau der Europipe durchs Wattenmeer ist im Planfeststellungsbeschluß festgeschrieben, den Münstersommerpolder im Harlinger Land wieder den Gezeiten zu öffnen. Küstenschützer jedoch schüren die Angst vorm „Blanken Hans“, um das zu verhindern. Wesemüller stellte klar, daß Sommerdeiche historisch nie dem Küstenschutz, sondern allein der landwirtschaftlichen Nutzung gedient haben.
Fast revolutionär erschien Wesemüllers Forderung ach Sperrung der Ostenden der Ostfriesischen Inseln für den Tourismus – letzte Brutgebiete bedrohter Wat- und Küstenvögel und Tummelplatz für Wanderer und Wassersportler. Und immer noch fällig ist die Schaffung eines Betreuungssystems durch hauptamtliche „Ranger“ – das Erfolgsrezept nicht nur z. B. in US-amerikanischen Nationalparken, sondern auch im Bayerischen Wald und vielen Parks in den Neuen Bundesländern. Hiesige Tourismusgemeinden verteufeln nach wie vor, entgegen allen positiven Erfahrungen, die Ranger als Touristenschreck.
Verbal konnten sich die anwesenden Vertreter der Politik, des Fremdenverkehrs, der Jagd oder des Küstenschutzes den meisten Forderungen wohl anschließen – wenn nicht gerade die eigenen Interessen berührt werden. Die Podiumsdiskussion gab jedenfalls kaum Anlaß zur Hoffnung auf ein verändertes Bewußtsein oder Annäherung der Interessen.
Dem Waffenstillstand auf dem Kongreß wird wieder ein Medienkrieg der alliierten Naturschutzgegner folgen. Immer noch gilt: wer am lautesten schreit und klagt, dem wird Gehör geschenkt. Empört sind die Schreihälse nur, wenn auch der Naturschutz aus den betulichen Birkenstock-Leisetretern schlüpft und wies HB- Männchen mit dem Fuß aufstampft. Hauptsache, er tut es – auch jenseits solcher Beschwichtigungskongresse.
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