SolarLokal
Feb 012007
 

Sonnenwende

Wilhelmshaven steigt ein bei SolarLokal

(iz/hk) Alle reden vom Klimawandel, doch kaum jemand ist bereit, seinen Energie fressenden Lebensstil zu ändern. Regenerative Strom- und Wärmequellen spielen noch keine maßgebliche Rolle. Einzig die Windenergie ist auf dem Vormarsch, geballt belastet sie jedoch das Landschaftsbild und insbesondere die Vogelwelt. Solarzellen und -kollektoren wären auch in unseren Breiten eine optisch wie ökologisch vertretbare Alternative, die bislang eher stiefmütterlich behandelt wurde. Das soll sich jetzt ändern.

Im Dezember 2006 berichteten wir über die Antwort zu einer Anfrage der SPD im Rat zur Nutzung von Solarenergie auf Wilhelmshavener Dächern. Demnach wurde bisher manches geprüft und wieder verworfen. Einzig auf dem Dach des Reinhard-Nieter-Krankenhauses produzieren Solarkollektoren fleißig Strom. Umweltdezernent Jens Graul deutete jedoch an, dass man sich gemeinsam mit dem Landkreis Friesland der Initiative „Solar lokal“ anschließen wolle. Kein leeres Versprechen: Mitte Januar gab es dazu eine erste Informationsveranstaltung im Ratssaal, mit Vertretern der Verwaltungsspitzen, Umweltfachbereiche und Solartechnikanbieter aus Wilhelmshaven und Friesland.

SolarLokal

solarSolarLokal ist eine bundesweite Imagekampagne für Solarstrom in Kreisen, Städten und Gemeinden. Träger sind die Deutsche Umwelthilfe e. V. und der Solarstromkonzern SolarWorld AG. SolarLokal wird unterstützt von allen drei kommunalen Spitzenverbänden – dem Deutschen Landkreistag, dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund. Ziel ist, den Anteil des umweltfreundlichen Solarstroms an der Energieversorgung zu erhöhen. Gemeinsam mit den Kommunen wird über die Presse und mit Plakaten, Faltblättern und Aktionen aktiv für Solarstrom geworben. Die Verwaltungsspitzen der beteiligten Kreise, Städte und Gemeinden sind dabei wichtige Multiplikatoren. Bürgerinnen und Bürger werden über die Vorteile von Strom aus Sonne informiert und haben die Möglichkeit zur Installation einer Solarstromanlage durch einen örtlichen Handwerker – „ein Gewinn für regionale Wirtschaft, Umwelt und Kommune“, so die Initiatoren.

Solarenergie hat Charme

Wilhelmshavens Oberbürgermeister Menzel und Frieslands stellvertretender Landrat Olaf Lies unterstrichen den Willen von Stadt und Kreis, der Nutzung der Sonnenenergie ab sofort einen höheren Stellenwert einzuräumen, sei es bei der Planung von Neubaugebieten (z.B. der Ausrichtung der Dächer) oder der Untersuchung und Nutzung bestehender Dachflächen. Allein in Wilhelmshaven werden, so Stadtrat Jens Graul, 10 Schuldächer auf ihre Eignung untersucht. Strom aus Sonnenenergie ist charmant – mit diesen Worten beschrieb der Fachbereichsleiter Umwelt Gerold Janssen die hohe Akzeptanz der Sonnenenergie in der Bevölkerung.

Wer bezahlt’s?

Der durch Solarenergie erzeugte Strom wird mit 49,21 ct pro Kilowattstunde vergütet – und das ist schon ein lohnendes Geschäft, wie die anwesenden Vertreter der Öko-Solar GmbH und der P&S-Solar GmbH deutlich machten. Bezahlt wird diese Förderung letztendlich durch den Strompreis. Ein normaler Haushalt trägt monatlich mit ca. 1 Euro die Förderungskosten für die erneuerbaren Energieträger. Das ist ein Wert, der mit dem bekannten Kohlepfennig zur Förderung des unwirtschaftlichen Kohlebergbaus konkurrieren kann. Ein Vertreter des örtlichen Handwerks machte deutlich, dass die erneuerbaren Energien gar nicht so weit von ihrer Wirtschaftlichkeit entfernt seien. Es entstehe nur immer der Eindruck, dass Strom aus Kohle, Atom usw. günstiger sei, weil die immensen Kosten für die Entsorgung nicht mit in die Berechnungen einfließen. Letztendlich sei der Solarstrom sogar günstiger, weil das Geld hier besser angelegt sei als in der Beseitigung der Umweltschäden durch die konventionellen Stromerzeuger Kohle, Gas und Kernenergie.

Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG)
§ 1 (1) Zweck dieses Gesetzes ist es, insbesondere im Interesse des Klima-, Natur- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen, die volkswirtschaftlichen Kosten der Energieversorgung auch durch die Einbeziehung langfristiger externer Effekte zu verringern, Natur und Umwelt zu schützen, einen Beitrag zur Vermeidung von Konflikten um fossile Energieressourcen zu leisten und die Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien zu fördern.
(2) Zweck dieses Gesetzes ist ferner, dazu beizutragen, den Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis zum Jahr 2010 auf mindestens 12,5 Prozent und bis zum Jahr 2020 auf mindestens 20 Prozent zu erhöhen.
Netzwerk

Auch die „Wärmeschutzpartner Wilhelmshaven-Friesland“, ein Netzwerk von Energieberatern, Handwerksbetrieben und Firmen der Kredit- und Immobilienbranche, die seit mehreren Jahren über Möglichkeiten der Energieeinsparung im Gebäudebereich informieren und beraten, werden nun die Imagekampagne SolarLokal unterstützen. Gerold Janßen, der Vorsitzende der Wärmeschutzpartner: „Solarenergie ist bisher schon Gegenstand unserer Informationen und Beratungsaktivitäten zur energetischen Gebäudesanierung sowie der Umsetzung durch unsere Fachbetriebe. Für uns ist es daher nur konsequent, mit SolarLokal zu kooperieren.“

Die Solarbundesliga

Eine wesentliche Maßnahme ist es also, die Nutzung der Sonnenenergie aus der Exotenecke rauszuholen. Die Aktivitäten sollten sich aber nicht auf die Photovoltaik (Stromerzeugung) beschränken, die mit deutlich höheren Investitionskosten verbunden ist als die schlichten Kollektoren zur Wärmegewinnung für Heizung und Warmwasser. Zwar wird der erzeugte Strom, der ins öffentliche Netz eingespeist wird, mit bis zu 57 Cent pro Kilowattstunde vergütet, bis zur Amortisierung braucht es aber einen langen Atem.
Parallel zu SolarLokal läuft das Projekt „Solarbundesliga“, bei der sowohl Solarstrom als auch –wärme im Spiel sind. Die Solarbundesliga ist eine Rangliste der bei der Solarenergienutzung erfolgreichsten Kommunen in Deutschland. Sie soll für die lokalen Akteure einen Anreiz bilden, verlässliche Gesamtzahlen zu ermitteln – beispielsweise durch Zählung auf den Dächern oder Umfragen bei Installateuren.
Tabellenführer sind bisher (wie oft beim Fußball) die Bayern. Was nicht daran liegt, dass im Süden die Sonne öfter scheint. Denn die Messlatte ist nicht die erzeugte Energie, sondern die Kollektorfläche pro Einwohner bei der Solarwärme und die pro Kopf installierten Kilowatt beim Solarstrom. Nicht nur beim Kicken hat also Bremen (momentan Platz 758 von derzeit 1002 teilnehmenden Kommunen) die Möglichkeit, München (Platz 685) in die Schranken zu verweisen. Auf Platz 11 steht denn auch schon ein Dorf in Schleswig-Holstein. Die Weser-Ems-Region ist bisher nur dünn vertreten. Was den Einstiegszeitpunkt angeht, ist Wilhelmshaven keineswegs das Schlusslicht. Mit dabei sind z. B. Bassum (Platz 404), Wiefelstede (452), Emden (493), Osnabrück (630) und Westerstede (649).

Routine statt Exotik

Mit einer medienwirksamen Auftaktveranstaltung und einigen Plakaten ist es nicht getan, sonst verläuft SolarLokal hier genauso im Sande wie die „Lokale Agenda 21“ (für die SolarLokal wiederum ein wichtiger Baustein ist). Unterstützende Aktivitäten müssen zur selbstverständlichen Routine werden. So sollten die zuständigen Ämter der Stadt bzw. die Immobilienabteilungen der Banken bei jedem Haus- oder Grundstückverkauf oder Bauantrag die Käufer über die Nutzung von Sonnenenergie auf dem Dach, Technik, Kostenrahmen und Finanzierungsmöglichkeiten informieren. Bei jedem Kreditinstitut liegen die Vordrucke für Kreditanträge bei der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau).
Bei Neubauten sollte eine solartechnisch günstige Dachexposition gleich eingeplant werden. Laut Umweltdezernent Jens Graul sind in unserer nordischen Stadt die Giebel überwiegend nach Süden ausgerichtet, die Dachflächen nach Ost und West, was die Energieausbeute vermindert – das kann man zukünftig ändern. Auch hiesige ArchitektInnen sind gefordert, ihre Kundschaft dahingehend zu beraten. Ein der Verfasserin bekannter Landwirt aus dem Wangerland (der zuvor schon Energie aus Wind und Gülle erzeugte) hatte das Fundament für seine neue Maschinenhalle bereits gegossen, als ihm einfiel, das er den Dachstuhl um 90 Grad drehen und somit eine komplette Breitseite für Photovoltaik schaffen könnte. Gesagt – getan. Wir fliegen zum Mond, warum sollte solch ein Projekt an machbaren statischen Veränderungen scheitern?
Jede Anstrengung, Photovoltaik und Solarthermie „salonfähig“ zu machen, bedeutet auch eine Förderung mittelständischer Betriebe der Region, denn diese sind es, die die Anlagen installieren. Aus diesen Kreisen hört man bislang munkeln, dass die GEW als kommerziell orientierter Energieversorger wenig Interesse daran hat, denn jeder Hausbesitzer, der auf die Sonne setzt, macht sich ein Stück weit unabhängig von Angebot und auch (steigenden) Preisen der GEW. Bisher erhält man mit der Strom- und Gasabrechnung keine Informationen zu ökologisch sinnvollen Alternativen. Im „Havenlicht“, dem Kundenmagazin der GEW, wird man aber fündig. (Als Download online auf der GEW-Seite, dort kann man es auch als Postsendung bestellen) In der Ausgabe 2/2006 findet sich unter dem Titel „Himmlische Energie“ ein informativer Artikel zum Thema Solarzellen und Sonnenkollektoren. „Die Sonne strahlt jede Sekunde rund 50 Milliarden Kilowattstunden Energie auf die Erde. Das entspricht der Leistung von 150 großen Kernkraftwerken … Um den Energiebedarf der Weltbevölkerung zu stillen, würden nur 0,05 Prozent der Sonnenenergie ausreichen …“ Es folgt eine verständliche Erläuterung der Techniken Photovoltaik und Solarthermie. Mit einem Hinweis auf die hohen Kosten zur Erzeugung von Sonnenstrom, die mit „bis zu … 55 Cent pro Kilowattstunde bei Kleinanlagen nach wie vor um ein Vielfaches über dem durchschnittlichen Strom-Erzeugungspreis“ liegen. Diese Darstellung ist falsch, aber gängig und deshalb der GEW nicht speziell anzulasten. Falsch, weil in konservative Rechnungen zum Vergleich verschiedener Energieformen niemals die komplette Produktlinienanalyse einfließt, von der Forschung bis zu den gesellschaftlichen Folgekosten – da würden z. B. Strom aus Uran oder Kohle sehr schlecht abschneiden.
Hilfreich wie motivierend sind ergänzende Infos vom GEW-Fachmann Karl-Heinz Ammen: „Etwa 80 Prozent der Energiekosten im Haushalt fallen für Heizen und warmes Wasser an. Solaranlagen helfen hier beim Sparen … Sechs Quadratmeter Flachkollektorfläche oder vier Quadratmeter (etwas teurere) Vakuum-Röhrenkollektorfläche reichen aus, um den jährlichen Warmwasserbedarf in einem Vier-Personen-Haushalt zu 65 Prozent zu decken.“ Zur Ergänzung in den kalten Monaten empfiehlt Ammen eine Erdgas-Brennwertheizung. Die lässt sich auch in der Nähe des Kollektors unterm Dach installieren und spart somit noch den Kamin. Unser Tipp: Wer ohnehin eine neue (Brennwert-)Heizanlage anschaffen muss, sollte die Kollektoren gleich dazunehmen – die fallen bei den Gesamtkosten kaum ins Gewicht.

Verbraucher nehmen Einfluss

Ein paar Seiten weiter noch eine interessante Information: Die GEW kooperiert mit dem regionalen Naturstromhändler EWE Naturwatt. „Geliefert wird elektrische Energie, die ausschließlich aus Wind- und Wasserkraft beziehungsweise aus Solar- und Biomasseanlagen stammt“. Physikalisch betrachtet mischt sich dieser Strom im Leitungsnetz natürlich mit „dreckigem“ Atom- und Kohlestrom – wirtschaftlich betrachtet geht es darum, mit der Nachfrage auch das Angebot Richtung Ökostrom zu beeinflussen. Eine Gewinnverwendungsklausel in den NaturWatt-Verträgen legt fest, dass der gesamte Jahresüberschuss in den weiteren Ausbau der regenerativen Stromerzeugung investiert wird. Es wäre zu begrüßen, wenn solche Infos der GEW regelmäßig auch in der Tagespresse erscheinen würden und nicht nur im Hausblatt.
Skeptische Umweltschützer beklagen, dass die Energiekonzerne nur insoweit am Ökostrom interessiert sind, wie sie auch daran eine goldene Nase verdienen können. Klar richten sich die Aktienkurse (leider) nicht danach, ob die Welt wieder ein Stück gerettet wurde. Aber immerhin können VerbraucherInnen ein Stück weit beeinflussen, ob sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre proportional zu den Gewinnen der Aktionäre erhöht oder reduziert. Dabei besteht durchaus die Gefahr, dass der Ökostrom dicker vergoldet wird, als er wert ist. Das EEG soll dem einen Riegel vorschieben: Die Bundesnetzagentur soll künftig sicherstellen, dass Unternehmen und privaten Stromverbrauchern keine höheren Kosten für Strom aus erneuerbaren Energien in Rechnung gestellt werden, als tatsächlich entstehen. Eine wettbewerbswidrige Preissetzung soll verhindert werden.
Wie wenig die Energieversorger an einer teilweisen Energieautonomie ihrer Kundschaft interessiert sind, zeigt folgendes Beispiel: Ein pfiffiger Niedersachse installierte im Keller seines Eigenheims ein Mini-Blockheizkraftwerk und nahm auch seinen Nachbarn mit ins Boot. Und zack! kamen Mitarbeiter des örtlichen Energieversorgers und durchtrennten ihm die Stromkabel, die zu seinem Grundstück führten.
Sonnenenergie ist für Privathaushalte die unkomplizierteste Möglichkeit, ein Stück weit unabhängig zu werden und sich (dem Geldbeutel) und der Umwelt etwas Gutes zu tun. Kaum jemand hat die technischen und finanziellen Möglichkeiten, sich ein eigenes Wind- oder Wasserkraftwerk in den Garten zu setzen. Aber jeder Hausbesitzer hat ein Dach überm Kopf, das nur darauf wartet, Solarzellen oder Wärmekollektoren aufzunehmen. Auch Wohnungsbaugesellschaften und Besitzer von Mehrfamilienhäusern sind gefragt: Die meisten Blocks längs der Wilhelmshavener Straßen, die in Ost-West-Richtung verlaufen, haben riesige Sattel- oder auch Pultdächer, die nach Süden ausgerichtet sind. Nach Auskunft von Fachleuten ist bei jedem Dach mit einer Neigung zwischen 20 und 60 Grad und einer Ausrichtung zwischen Südost und Südwest die Solarthermie rentabel. Auf Flachdächern können die Kollektoren aufgeständert werden.
2005 wurden in Deutschland 100.000 Solarwärmeanlagen und damit 25 Prozent mehr Anlagen als im Vorjahr installiert. Hoffen wir, dass der Trend sich auch in Wilhelmshaven fortsetzt.

Randnotiz
Während private VerbraucherInnen sich Gedanken machen, wie sie Energie sparen und damit Umwelt und Portemonnaie entlasten können, werden besonders stromintensive Unternehmen wie z. B. Aluminiumhütten weiterhin bei den Energiekosten entlastet. Begünstigt sind 330 Firmen des produzierenden Gewerbes und 42 Bahnunternehmen. Das Gesamtvolumen ihrer Entlastung beträgt 2007 etwa 365 Millionen Euro. Damit sollen „Nachteile auch im internationalen Wettbewerb“ vermieden werden. Grundlage ist die „Besondere Ausgleichsregelung“ des EEG. Durch eine zum 1. Dezember 2006 in Kraft getretene Änderung des EEG fällt die Entlastung deutlich höher aus als bisher. So beträgt die so genannte EEG-Umlage der besonders stromintensiven Unternehmen künftig nur noch 0,05 Cent/Kilowattstunde, das ist weniger als ein Zehntel ihrer regulären Höhe. Die rückwirkende Anwendung der Neuregelung schon vom 1. Januar 2006 an hat für die begünstigten Unternehmen zusätzlich einen Wert von etwa 80 Millionen Euro.

 

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top