Von der City ans Wasser – von der Nordseepassage zum Banter Siel
(hk) Dass Wilhelmshaven schrumpft, ist allgemein bekannt – dass Wilhelmshavens Politiker und Verwaltungschefs dabei sind, dieser Entwicklung entgegenzutreten, ist dagegen noch nicht so öffentlich geworden. Aber es ist so. Eine der Kampagnen, die Wilhelmshaven vor noch größerer Bedeutungslosigkeit bewahren soll, ist die Jade-Allee.
Die Jade-Allee soll den südlichen Ausgang der Nordseepassage mit dem Jadebusen verbinden. Dass an dieser Stelle rein zufällig gerade die Fäkalien der Stadt durch das Banter Siel in den Nationalpark Wattenmeer gelangen, ist dabei nur ein Schönheitsfehler, der eigentlich nicht so bekannt werden sollte.
Die Leute des Bremer Planungsbüros plan-werkStadt und der Oldenburger Stadtentwicklungsgesellschaft re.urban stellten auf der Bauausschusssitzung Anfang Januar ihre vorbereitende Untersuchung zur Jadestraße / Wiesbadenbrücke / Innenhafen vor.
Dabei geht es um die Überplanung des Gebietes vom Valoisplatz über die Deichbrücke, vorbei an Pumpwerk und Wiesbadenbrücke, auf der linken Seite das Gelände des neuen Columbia-Hotels, rechts die ehemalige Prince-Rupert-School (heute Erwartungsgelände für den Biotechnologiepark), vorbei an der Banter Ruine über den Grodendamm, durch das Gelände des Freizeit- und Gartenvereins Banter See hin zum Banter Seedeich und zum bereits erwähnten Banter Siel.
Hier soll nach dem Willen unserer Stadtplaner die Jade-Allee entstehen – eine Prachtstraße die die Wilhelmshavener City mit dem Meer verbindet. Und damit soll dann eben die Abwanderung gestoppt und die Zuwanderung gefördert werden. Das jedenfalls geht aus dem oben erwähnten Gutachten hervor (Seite 28 und Anhang).
- Für eine Reihe von Grundstücken im Untersuchungsgebiet bestehen Bau- und sonstige Nutzungsabsichten, die für eine geordnete städtebauliche Entwicklung einer Einordnung in ein Gesamtkonzept bedürfen.
- Die ehemals militärisch genutzten Flächen sind verfügbar geworden bzw. werden es in absehbarer Zeit sein, die ohne eine unterstützende Maßnahme nur schwer einer qualifizierten Neunutzung zugeführt werden können.
- Mit diesem Entwicklungsbereich wird das stadtentwicklungsplanerische Ziel verfolgt, Innenstadt und Innenhafen an ihrer engsten Nahtstelle räumlich, funktional und stadtgestalterisch zusammenzuführen.
- Es besteht ein städtisches Interesse daran, die mit dem Bau des JadeWeserPorts zu erwartende Nachfrage nach Bauflächen auf die Binnenentwicklung der Stadt zu lenken und dafür ein qualifiziertes Stadtquartier in besonderer Lage anzubieten.
- Mit dem Bau des JadeWeserPorts gehen wassernahe Freizeitflächen verloren, die auf den Flächen des Untersuchungsgebietes zumindest teilweise ersetzt werden können.
- Mit neuen Stadtquartieren am Wasser soll das spezifische Image Wilhelmshavens gestärkt werden.
Quelle: Vorbereitende Untersuchungen Jadestraße / Wiesbadenbrücke / Innenhafen, September 2006
Eine solche Planung ist nötig, denn die Gegend dort sieht ja wirklich schlimm aus. Doch wie sieht nun die Planung konkret aus?
Auf der Seite 22 wird die Sporthalle Süd als „Fehlnutzung“ bezeichnet. Ein Abriss, wie ihn der SPD-Politiker Norbert Schmidt fordert, würde eine Fehlentwicklung für die Bevölkerung der Südstadt bedeuten – es sei denn, man sorgt für einen adäquaten Ersatzbau.
Auch das ist wieder typisch Wilhelmshaven: Da wird im Stadtnorden das Freizeit- und Campinggebiet Geniusbank geschliffen. Um dafür jetzt einen Ersatz zu bieten, will man die Freizeitgärten (lt. Untersuchung auch eine Fehlnutzung) zwischen Banter See und Banter Seedeich platt machen, um hier dann z.B. einen Campingplatz zu errichten. Das sind Geschichten aus dem Tollhaus!
Der Bauausschussvorsitzende Bernhard Rech machte von vorneherein klar, dass „keine wirtschaftliche Aktivität unter den Planungen leiden darf“. Doch welchen Wert hat eine in erster Linie auf Freizeit, Erholung und Wohnen ausgerichtete Planung, wenn wenige Meter davon entfernt mit lautem Getöse der Schrott der halben Welt verarbeitet wird? Zum Lärm kommen noch die Staubentwicklung und die Geruchsbelastung durch das Verbrennen von Isoliermaterial.
Ebenfalls problematisch ist der Verbleib der Firma RCL (Aufbereitung von Sperrmüll und Plastikmüll). Von dieser Firma weht oftmals ein übler Verwesungsgeruch über den beplanten Bereich durch die Verwesung organischen Materials, das den dort verarbeiteten Wertstoffen anhaftet.
Der Skandal um die Altlasten auf dem Gelände des geplanten Columbia-Hotels ist uns allen noch geläufig. Die Untersuchung geht davon aus, dass praktisch im gesamten Bereich mit Altlasten zu rechnen ist: Da das gesamte Gebiet zwischen Hafenentstehung um 1900 und Abzug der Bundeswehr ca. 2003 militärisch-industriell genutzt wurde, ist flächendeckend mit Altlasten zu rechnen.
Es gibt Hinweise, wonach große Mengen an Treibstoff im Boden versickert sein müssen – sei es durch Zerstörung des „Bunkers 16“, durch Schäden an der sog. „Schweröl-Ringleitung“ oder durch Ablassen von Treibstoff aus sonst bei Fliegerangriffen explosionsgefährdeten Kesselwagen. Derartige Vorfälle führen fast immer zu großflächigen Verschmutzungen. Insofern kommen auch beauftragte Altlasten-Gutachter zu dem Schluss, dass sich eine lokale Eingrenzung möglicher Verdachtsflächen erübrigt und von einem Generalverdacht auszugehen ist.
Ähnliches gilt für Blindgänger, wobei diese allerdings leichter zu lokalisieren und zu bergen sind. Ein Verdacht wird im konkreten Planungsfall durch Luftbildauswertung präzisiert. (Untersuchung Seite 25)
Für die Stadtplaner stellen diese Altlasten erst einmal kein Problem dar: Das müssen die jetzigen Grundstückseigentümer (zumeist der Bund) in den Griff bekommen, meinte Stadtbaurat Kottek.
Einen typisch nach Wilhelmshaven schmeckenden Bonbon gab es noch gratis dazu.
Wie das in Deutschland mit der Demokratie läuft, ist vielen bekannt: Das Volk wählt sich seine Vertreter, die die Politik bestimmen. Und diese Politik muss dann von der Exekutive (also der Regierung, der Verwaltung…) umgesetzt werden. Damit dabei aber nichts schief läuft, hat man in Wilhelmshaven den Weg etwas verändert. Die Verwaltung hat die Planungen nämlich schon längst beschlossen und die entsprechenden Fördermittel beim Land und beim europäischen EFRE-Förderprogramm angemeldet. Der Stadtrat (der die Gesetze macht) darf dann noch über die Farbe des Gehwegpflasters beschließen – und natürlich die Beschlüsse der Verwaltung absegnen.
Seit Monaten geistert die Sporthalle Süd (Weser- / Jadestr.) durch die Köpfe der Stadtplaner – liegt sie doch genau in deren Blickfeld von der Nordseepassage in Richtung Deichbrücke. Sie behindert die Realisierung des Kottekschen Traumes von der Sichtachse von der Innenstadt zum Meer. Immer wieder gab es leichte Andeutungen, dass es doch sehr schön wäre, wenn diese Sporthalle dort nicht stände. Einen „stadtplanerischen Fehltritt“ nannte ein Mitglied des Bauausschusses die Lage der Sporthalle. Aber kann man Sporthallen einfach abreißen? Und dann gerade noch die Sporthalle in der Südstadt, die ja bekanntlich im Präventionsplan des Stadtteils eine so bedeutende Rolle spielt! Nun hat sich der aufstrebende SPD-Berufspolitiker (WZ vom 27.01.07) Norbert Schmidt ein Herz gefasst und es klar ausgesprochen: Man müsse, so Schmidt laut Wilhelmshavener Zeitung vom 25. Januar 2007, „mittelfristig auch über den Abriss der Sporthalle Süd nachdenken, die die Achse von der Passage bis ans Wasser versperrt.“ (hk)
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