Alle Jahre wieder…
Die WRG plant den Bau von zehn neuen Prozessanlagen – das sogenannte „Wilhelmshaven Upgrader Project“
(jm) Seit dem 04. Dez. liegen im Foyer des Technischen Rathauses 14 Antragsordner der WRG zur Einsichtnahme aus. Die Unterlagen können dort noch bis zum bis zum 06. Jan. eingesehen werden. Sie sind angefüllt mit dem lt. Bundes-Immissionsschutzgesetz erforderlichen Antrag auf Änderungen an den Altanlagen sowie Errichtung von zehn neuen Prozess- und Nebenanlagen. In der Rezeption sind auch Kurzfassungen gratis erhältlich. Die Einwendungsfrist endet mit Ablauf des 20. 01. 2009.
Die zwei wichtigsten der neuen Anlagen sollen der Erzeugung von Heiz-, Propan- und Butangas bzw. von Naphta-, Gas- und Dieselöl dienen. Diese hinzu gewonnenen Produkte sollen in einem zweistufigen molekularen Spaltverfahren erzeugt und anschließend weitestgehend entschwefelt werden. Dies geschieht beim Durchsatz der im herkömmlichen Raffinierungssprozess nicht destillierbaren Schweröle durch eine Kokeranlage und einen Hydrocracker. Anschließend werden die neuen Produkte einer Tiefenentschwefelung zugeführt. Letztere senkt den Schwefelgehalt in den Produkten ganz erheblich – bei Dieselöl bis auf 10 parts per million (ppm) bzw. 0,001%.
Für die Änderungen und Erweiterungen der Raffinerie, die im Jahre 2012 ihren Betrieb aufnehmen soll, wird eine Investionskostenhöhe von 2,25 Mrd. Euro veranschlagt. Und: „Nach den Worten von Heyse werde der Mitarbeiterstamm von derzeit 300 auf 450 bis 500 Beschäftigte anwachsen. Hinzu kommen rund 130 Mitarbeiter von Fremdfirmen, die dauerhaft auf dem WRG-Gelände arbeiten.“ (WZ, 19.01.08). In Relation dazu bietet eine bereits im Jahre 1984 dem damaligen Betreiber Mobil Oil genehmigte – aber dann doch nicht gebaute – Crackeranlage einen wesentlich bescheideneren Anhaltspunkt: In jenem Genehmigungsverfahren wurden lediglich zwanzig zusätzliche Firmen- sowie zwanzig feste Kontraktarbeitsplätze genannt.
Übrigens lässt sich die Liste der geplanten, aber nicht gebauten Crackanlagen noch verlängern:
In den neunziger Jahren war es Johan Anton van Weelden – Chef der damals unter dem Namen „Beta“ firmierenden Raffinerie – der eine als Visbreaker bezeichnete Crackanlage ins Gespräch brachte. Ein Kraftwerk wollte er gleich dazustellen. Verwirklicht wurde lediglich seine von ihm auch noch angekündigte Vakuumdestillationsanlage, die er dreist als Cracker verkaufen wollte.
Und vor zweieinhalb Jahren stellte der neue Eigentümer ConocoPhillips auf einem Scoping Termin bereits ein Deep Conversion Project mit zwölf neuen Prozessanlagen vor, die im ersten Quartal 2010 den Betrieb aufnehmen sollten. Darin war neben einem Hydrocracker auch ein mit Gas betriebenes 980 MW-Heizkraftwerk ausgewiesen. Doch auch das Deep Conversion Project wurde abgeblasen. Dabei wäre das erste vorzeigbare Kraftwärmekopplungswerk auf Wilhelmshavener Boden gewesen.
Und wie gehabt: Alle Jahre wieder – kommt das Crackgespinst – an der Jade nieder:
Jetzt soll die Raffinerie also gar um zwei Cracker (Koker und Hydrocracker) erweitert werden! Im jüngsten Genehmigungsantrag verzichtet man jedoch auf die werkseigene Stromerzeugung und will stattdessen Heizöfen zur Dampferzeugung für die neuen Prozessanlagen bauen. Deren Abgase sollen – neben den drei bestehenden – über acht weitere Schornsteine zwischen 56 und 76 Metern Höhe sowie eine zweite Abgasfackel in die Luft geblasen werden. Allerdings ist dem Antrag zu entnehmen, dass dabei auf die übliche giftbelastete Schwerölbefeuerung mit Zumischung von Raffineriegas verzichtet werden soll. Alle Öfen sollen in der Regel fortan ausschließlich mit Raffineriegasmischungen befeuert werden. Dafür verteilen sich die Schadstoffe aus den neuen kurz gehaltenen Kaminen auch nicht so weiträumig wie über zwei der vorhandenen Großschornsteine. Außerdem will man das Rohrsystem für die Versorgung der alten Heizkessel mit dem flüssigem Brennstoff erhalten, „um in einer Sondersituation (z. B. Stillstand) die Raffinerie mit erforderlichem Dampf zu versorgen.“ Man kann sich des Gedankens nicht erwehren, dass der nicht wandelbare Schwerölrückstand aus dem Hydrocracker in ‚Sondersituationen’ zur Dampferzeugung eingesetzt wird. In besagtem Cracker bleiben bis zu 9.730 Jahrestonnen an unverarbeitbarem Asphaltsumpf zurück, deren Moleküle auch bei einem Druck von 198,5 bar sowie einer Temperatur von 454°C nicht mehr zu knacken sind.
In den Verarbeitungsprozessen bleiben weitere nicht unerhebliche Rückstände übrig, z.B. aus
- – der Kokeranlage jährlich 2.500.000 Tonnen Petrolkoks
- – den Entschwefelungsanlagen bis zu 147.000 Tonnen Schwefel pro Jahr
- – jährlich 430 Tonnen Klärschlämme aus den Abwässeraufbereitungsanlagen.
Laut Antragsangaben sollen Schwefel und Petrolkoks verkauft und via Straße abtransportiert werden.
Nicht nur die diesbezüglichen Anfahrten und Abtransporte werden den Lärm erhöhen, sondern auch der Betrieb der neuen Anlagen selbst. So sind z.B. außen an der Kokeranlage Trommeln angegliedert, in denen die aus der Anlage ausgestoßenen heißen Petrolkoksbrocken abgekühlt und zerkleinert werden.
Beim Befüllen, den der Abkühlung dienenden Drehbewegungen, dem Zerstückeln und dem Entleeren der Trommeln sowie bei den Ladevorgängen der Lastkraftwagen dürfte ein nicht unerheblicher Lärm und zudem Staub entstehen. Da die neuen Anlagen an der südlichen Grenze zum ‚Naturschutzgebiet Voslapper Groden Nord gebaut‘ und betrieben werden sollen, ist davon auszugehen, dass vor allem die dortige Vogelwelt, von denen neben der berühmt gewordenen Rohrdommel viele weitere Arten auf der Roten Liste stehen, mehr oder weniger weit aus der Nachbarschaft des Werks vertrieben werden wird. Mit negativen Bestandsveränderungen rechnen sogar die Gutachter!!
Auch die vorhandene Abwasseraufbereitungsanlage reicht nicht mehr aus – es muss eine Abwasseraufbereitungsanlage II hinzugefügt werden.
Was letztendlich doch noch an Schadstoffen planmäßig in die Jade gelangen soll bzw. darf, wird erst dem noch auszulegenden Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis zum Einleiten von Abwässern in die Jade zu entnehmen sein.
Bei erster flüchtiger Durchsicht der Antragsunterlagen scheint bei der Erweiterung der Raffinerie das Positive zu überwiegen. Es ist jedoch angezeigt, die Antragsunterlagen gründlicher darauf abzuklopfen, ob sie plausibel erscheinen. Umweltbewusste BürgerInnen, die – statt den Aktenberg im Technischen Rathaus zu wälzen – die vollständigen WRG-Antragsunterlagen gerne zu Hause überprüfen möchten, sollten sich direkt an die WRG mit der Bitte wenden, Ihnen doch die auf zwei CDs gespeicherten Ausführungen zukommen zu lassen. ( Tel.: 04421 – 509 418 bzw. E-Mail: frieda.waisbek@conocophillips.com )
Denn immerhin werden weiter Schwefeloxide, Stickoxide, Kohlenmonoxid, Feinstaub, Schwermetalle, Benzo(a)pyren, Dioxine usw. – nicht zu vergessen die jährlichen 2.833.249 Tonnen des Klimagases Kohlendioxid – aus elf Schornsteinen und zwei Abgasfackeln in die Luft geblasen. Außerdem darf nicht aus dem Blick geraten, dass die Raffinerie nach wie vor mit feuer- bzw. explosionsgefährlichen sowie hochgiftigen Stoffen hantiert, die ein Höchstmaß an Schutzmaßnahmen sowohl für die Beschäftigten als auch für die Anwohner erfordern.
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