Kindergarten vs. Spielplatz
Mrz 171993
 

Kinderspielplatzgarten

Muß ein Spielplatz einem Kindergarten weichen?

(noa) Schilda kommt nicht nur in Schullesebüchern vor. Schilda gibt es immer noch. Zum Beispiel in Wilhelmshaven.

In Wilhelmshaven fehlen Kindergartenplätze, das ist bekannt. Man muß heute davon ausgehen, daß Kinder, wenn überhaupt, erst mit vier oder fünf Jahren einen Kindergartenplatz bekommen.
Die Wilhelmshavener Kinderhilfe e.V. plant nun den Bau und die Einrichtung eines integrativen Kindergartens, in dem behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut und gefördert werden sollen. In der Südstadt soll er entstehen, die Stelle eines/r Leiters/in ist Ende Januar ausgeschrieben worden. Die Eltern kleiner Kinder in der Südstadt freuen sich schon darauf.
Aber – dem Bau dieses Kindergartens soll ausgerechnet ein großer, bei Kindern und Eltern äußerst beliebter und eifrig genutzter Spielplatz weichen.
Es geht um den Spielplatz zwischen Rhein- und Weserstraße, wo drei Sandbecken zum Spielen einladen, ein aufgeschütteter Hügel im Winter, wenn denn mal Schnee liegt, als Rodelberg genutzt wird, auf einer Wiese Picknicks von Kindern mit ihren Eltern stattfinden und alte Büsche wunderbare Verstecke für Kinder bieten.

Seit Jahren wird dieser Spielplatz von der Stadt nicht gepflegt, und die Geräte sind schon ziemlich verrottet. Es sieht so aus, als ob die Vernichtung dieses Platzes von langer Hand vorbereitet ist.

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Foto: Tunnat

Im Dezember 1991 war in der „WZ“ erstmalig vom geplanten Kindergarten zu lesen. Einigen Müttern aus der Südstadt, die sich durch ihre Kinder auf dem Spielplatz kennengelernt haben, schwante nach der ersten Freude über die Kindergartenpläne, daß es sich um „ihren“ Kinderspielplatz handelt. Sie wandten sich an die Stadtverwaltung, um sich für den Schutz des Spielplatzes einzusetzen, und wurden im März 1992 zu einer Sitzung des Jugendhilfeausschusses, der eine Begehung des Platzes vorausging, eingeladen.
In dieser Sitzung mußten sie sich unter anderem sagen lassen, daß es ihnen an Solidarität mit den Eltern, die die Einrichtung von Kindergartenplätzen fordern, mangele. „Das haben wir damals gemerkt: mit moralischen Argumenten – Kindergärten sind wichtig, und wir wollen sie selbstverständlich haben, aber dafür dürfen Spielplätze nicht weichen – kommen wir bei der Stadtverwaltung nicht weiter. Da müssen wir ganz knallhart mit Gesetzen kommen“ so Elke Kamps, eine der aktiven Mütter.

Und die Gesetze sprechen in diesem Falle für die Argumente der Mütter. Das Niedersächsische Gesetz über Spielplätze vom 6. Februar 1973 sieht vor:

  • 2 (2): „…Spielplätze müssen von allen Grundstücken in dem Bereich, für den sie bestimmt sind (Spielplatzbereich), auf einem Weg von nicht mehr als 400 m erreicht werden können.“ Und § 2 (3): „Die Spielplätze müssen so gelegen sein, daß sie gefahrlos erreicht werden können…“ Die Stadtverwaltung denkt darüber nach, (als Ersatz?) einen Spielplatz vor dem Pumpwerk anzulegen, der zum einen mehr als 400 m von den Häusern eines großen Teils der Kinder, die jetzt auf dem Platz zwischen Rhein- und Weserstraße spielen, entfernt wäre und darüber hinaus gewiß nicht gefahrlos erreicht werden könnte.
  • 3 (2): „Die nutzbare Fläche eines Spielplatzes für Kinder muß mindestens 300 qm und mindestens 2 vom Hundert der zulässigen Geschoßflächen im Spielplatzbereich betragen…“ Nach dem Bau des Kindergartens auf dem Gelände des jetzigen Spielplatzes (das laut Auskunft der Bauverwaltung nicht als Baufläche ausgewiesen ist), sollen, so verspricht Ratsherr Barkowsky, 1.800 oder 2.000 qm als „zeitgemäßes Spielgelände“ erhalten bleiben – Elke Kamps und ihre Mitstreiterin Waltraud Adebar wiesen in einem Leserbrief an die WZ jüngst jedoch darauf hin, daß im vergangenen Monat für das bewußte Gelände ein Erbbaurecht von 3.030 qm beantragt wurde, so daß nur 1.270 qm verbleiben würden – und diese Fläche liegt, so die streitbaren Mütter, unter den im Kindergartengesetz geforderten 2 % der Wohnfläche im Einzugsbereich des Platzes.

In der erwähnten JHA-Sitzung vermieden die Ausschußmitglieder, das bewußte Gelände „Spielplatz“ zu nennen. Wird die Stadtverwaltung nun argumentieren, es sei gar kein Spielplatz? Das Schild „Kinderspielplatz“, das da mal stand, ist jedenfalls (es ist nicht mehr nachvollziehbar, wann genau) verschwunden.

Im Zusammenhang mit dem Bau des Kindergartens und der Zukunft des Spielplatzes gibt es inzwischen gute Vorschläge und Pläne, die wir in diesem Artikel nicht mehr verarbeiten konnten. Wir werden im nächsten GEGENWIND darüber berichten.

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