Energieverschwender Arsenal
Mrz 171993
 

Vernunft blockiert

Keine Chance für ein Blockheizkraftwerk im Marinearsenal?

(hk) Mit derben Sprüchen und Aktionen zieht der Leitende Direktor des Marinearsenals, Eggert, gegen den umweltpolitischen Sprecher der SPD-Ratsfraktion, Hans Hartmann, zu Felde. Es geht um die Wärmeversorgung des Marinearsenals.

Stein des Anstoßes für den Direktor des Marinearsenals waren Plakate der SPD, die unter anderem auch vor dem Marinearsenal plaziert waren:

Neue 10-Millionen-Energiezentrale im Marinearsenal als Energieverschwender – Nein! Umweltfreundliches Blockheizkraftwerk im Marinearsenal – Jetzt!

Nachdem diese SPD-Plakate auftauchten, schwärzte Eggert Hartmann beim Oberbürgermeister an:

Sehr geehrter Oberbürgermeister Menzel, seit dem Sommer 1992 betreibt ihr Fraktionskollege Hans Hartmann mit nachgerade missionarischem Übereifer eine öffentliche Kampagne gegen den Bau des neuen Heizwerkes für das Marinearsenal. Obwohl bereits am 05.08.92 (…) Herr LBDir Moritz (…) deutlich gemacht hatte, daß die geplante Anlage sehr wohl allen Umweltanforderungen gerecht werde, initiierte Herr Hartmann mit Datum vom 14.12.1992 einen breitgestreuten Brief des Umweltausschusses (…) kann dies alles den selbsternannten „Experten“ Hartmann offensichtlich nicht beeindrucken. (… )versucht Herr Hartmann als derzeit letzten „Höhepunkt“ seiner zweifelhaften Aktionen am Wochenende (07.02.1993) das Marinearsenal mit Hilfe einer Plakataktion nach Wahlkampfmanier (…) als „Umweltfrevler und ignoranten Energieverschwender“ an den Pranger zu stellen! (…) bitte Sie, (…) auf unseren Parteikollegen Hartmann einzuwirken, seinen überzogenen und in der Sache unberechtigten „Feldzug“ einzustellen“

Mit freundlichen Grüßen Eggert

P.S.: Mit gleicher Post habe ich den Herrn Oberstadtdirektor Schreiber gebeten, zu klären, ob – und wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage – (…) eine Genehmigung (…)für diese Plakataktion erteilt (wurde).

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Zeichnung: Erwin Fiege

Dieser Brief ging natürlich nicht nur an den Oberbürgermeister – er wurde auch ans Schwarze Brett im Arsenal geheftet. Würde nun nicht der Name „Eggert“ unter dem Brief stehen – wohl jeder hätte geschworen, daß dieser Brief aus der Feder des Umweltausschußvorsitzenden und zweiten Mannes im Arsenal, Theo Eppelmann, stammt. Gleichgültig ob nun Eppelmann oder Eggert den Brief verfaßt hat – der Vorgang, um den es geht, ist mehr als skandalös! In seinem Antwortschreiben weist OB Menzel darauf hin, daß es nicht nur Hans Hartmann ist, den das Thema „umtreibt“ , sondern daß darüber auch Einigkeit im Umweltausschuß (dessen Vorsitzender Theo Eppelmann ist) erzielt Wurde. OB Menzel wiederholt seinen Vorschlag eines „Runden Tisches“, „da mittlerweile der Eindruck entstanden ist, daß die Kraft-Wärmekopplung für das Marinearsenal durch ein Blockheizkraftwerk mit Gasbetrieb, wie es bereits 1984 ein mit erheblicher finanzieller Unterstützung des Bundes fertig gestelltes Energiegutachten festlegte, aus nicht nachvollziehbaren Gründen verhindert wird.“

Strom und Wärme

Es geht darum, daß das Arsenal ein neues Heizwerk bekommen soll, weil das alte Heizwerk abgeschaltet werden muß. Um das Arsenal mit Wärme zu versorgen, hat das Gas- und Elektrizitätswerk Wilhelmshaven (GEW) ein umweltverträgliches Konzept entwickelt: Ein Kraftwerk, in dem sowohl Strom als auch Wärme erzeugt wird. Eine Technik, die die GEW beherrscht und die auch von Umweltschützern als vernünftig bezeichnet wird: Statt die Abwärme eines Kraftwerkes ungenutzt an Luft oder Wasser abzugeben, werden damit Büros und Fabrikhallen geheizt, werden wärmeabhängige Produktionsprozesse mit Abwärme versorgt.
Wenn man sich vor Augen führt, daß bei der reinen Stromerzeugung, wie z.B. im Wilhelmshavener Kraftwerk der PreußenElektra, fast Zweidrittel der eingesetzten Energie als Abwärme in die Jade gehen und gleichzeitig klar ist, daß diese 2/3 genutzt werden können um Wohnungen zu heizen, für Industriebetriebe die benötigte Prozeßwärme zu liefern- dann kann doch eigentlich kein denkender Mensch eine solche Möglichkeit ablehnen.
Die Bundeswehr kann es – sie lehnte die GEW-Offerte ab, begründete diese Ablehnung mit angeblichen Wirtschaftlichkeitsrechnungen, die allerdings überhaupt nicht durchgeführt werden konnten, da z.B. von der GEW nie eine Wirtschaftlichkeitsrechnung ihrer Anlage abgefordert wurde. Deren Bemühungen den Nachweis der Wirtschaftlichkeit zu erbringen, wurden sogar abgeblockt.

Befehl und Gehorsam

Nun soll sich zwar auch im Marinearsenal vereinzelt Widerstand gegen die Energiezentrale geregt haben, doch für die an Befehl und Gehorsam gewöhnten Entscheidungsträger im Marinearsenal steht das Wort eines Staatssekretärs im Bundesverteidigungsministerium natürlich weit über energie- und umweltpolitischer Vernunft. Ein Heizwerk, so wie es jetzt im Arsenal gebaut wird, ist nicht das große Umweltdebakel; die Technik ist in diesem Bereich weit vorangeschritten und es kann beinahe die gesamte eingesetzte Energie ausgenutzt werden, um Wärme zu erzeugen.
Nur wenn es möglich ist, gleichzeitig auch noch die benötigte elektrische Energie zu bekommen und eine Minimierung des Schadstoffausstoßes zu erreichen – da können doch nur noch energiepolitische Hinterwäldler auf die Technik von gestern setzen.

 

Kommentar:

ES GIBT SIEGE, DIE NIEDERLAGEN SIND.
Eine Niederlage für die umwelt- und energiepolitische Vernunft ist der Sieg des Bundesverteidigungsministeriums (BMV) gegen die GEW. Trotzig wie ein störrischer Esel setzt das BMV den Bau eines Heizwerkes gegen den Bau eines Blockheizkraftwerkes durch. Das Militär läßt sich nun mal nicht von „selbsternannten Experten“, wie wir sie in der SPD und bei der GEW finden, beeindrucken. Marschbefehl und ab geht die Truppe! Wer wagt es, sie aufzuhalten? Ist es nicht schon beinahe als Wehrkraftzersetzung anzusehen, wenn da Zivilisten ihre Meinung auf Plakaten zum Ausdruck bringen?
Das Grundgesetz scheint für den Leitenden Direktor des Marinearsenals einige problematische Artikel zu enthalten! Das vom Marinearsenal projektierte Heizwerk ist technisch Schnee von gestern. Mit Gewißheit kann davon ausgegangen werden, daß weder eine nachprüfbare Umweltverträglichkeitsprüfung noch eine ernsthafte Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgenommen wurde.
Unverständlich ist, warum die Bundeswehr, die an Schulen und auf Ausstellungen dem Umweltschutz immer so einen breiten Platz einräumt, sich in einen Kokon unbewiesener, nicht nachvollziehbarer Berechnungen einspinnt. Ist es nur die Unfähigkeit, einzugestehen, daß es außerhalb der „starken Truppe“ unter Umständen Leute gibt, die zwar nicht soviel vom Kriegshandwerk, dafür aber umso mehr von Energie und Umwelt verstehen? Die Hoffnung, daß letztendlich doch noch die Vernunft siegen wird, ist ziemlich gering doch die Niederlage für den Umweltschutz wäre auch eine Niederlage für die Sieger: Beweisen sie doch durch ihren Sieg, dass die Formel von der Bundeswehr als“ Staat im Staat“ wieder neue Beweiskraft erhält.

Hannes Klöpper

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