Abbau Asyl
Mrz 171993
 

Zynisch und unchristlich

Mit dem Asylleistungsgesetz wird der Weg in eine andere Republik beschritten

(hh) Diese Bundesregierung spart bei den Armen und Ärmsten. Das konnten wir gerade in den letzten Wochen deutlich sehen. Da achtet kaum mehr jemand auf das neue Asylbewerberleistungsgesetz (AsylblG), das zum l.4.1993 in Kraft treten soll. Die vorläufige Fassung liegt vor und wird mit einigen Nachbesserungen wahrscheinlich so verabschiedet werden. Über die wichtigsten Inhalte und mögliche Auswirkungen auf die Kommune berichtet dieser Artikel.

Bezogen AsylbewerberInnen bis dato Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), so soll sich dies grundsätzlich ändern. Ein neues Gesetz, das Asylbewerberleistungsgesetz wurde eigens für diesen Personenkreis gestrickt, „mit dem Ziel, daß eine deutliche Absenkung der bisherigen Leistung erfolgt“ (Ausführungsbestimmungen) und grundsätzlich den Sachleistungen Vorrang vor Barauszahlungen gewährt wird.
So wird „…der notwendige Bedarf an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (…) durch Sachleistungen gedeckt (Gesetzentwurf). Zusätzlich erhalten Erwachsene nach Vollendung des 14. Lebensjahres 100,- DM monatlich in bar; Kinder unter 14 erhalten 50,- DM. Von diesem Geldbetrag sollen die Menschen folgendes bezahlen: Verkehrsmittel, Telefonieren, Porto, Schreibmittel, Lesestoff, Werkmaterial, kleine Mengen Genußmittel, Zahnpasta, Seife, Bademittel, etc. Besonders zynisch heißt es da noch: „Den Leistungsberechtigten wird in diesem Bereich eine gewisse Dispositionsfreiheit eingeräumt, die gleichzeitig zu einem verantwortlichen und sparsamen Umgang mit diesen Dingen führt…“ (Ausführungsbestimmungen). Für AsylbewerberInnen, die nicht in Sammelunterkünften leben, können anstelle von Sachleistungen auch Wertgutscheine ö.ä. abgegeben werden. Auch diese Beträge sind erheblich gesenkt worden. Für einen Haushaltsvorstand stehen nur noch 330,- DM zur Verfügung, für Haushaltsangehörige, älter als 7 Jahre 270,- DM und bis 7 Jahre 210,- DM.

Mit diesen Maßnahmen will die Bundesregierung nach eigenen Angaben jährlich 2,9 Millionen DM sparen. Zusätzlich sollen Arbeitsgelegenheiten bei kommunalen und gemeinnützigen Trägern zur Verfügung gestellt werden, wo AsylbewerberInnen stundenweise für 1.- bis 3.- DM Stundenlohn arbeiten sollen. Bedenkt man, daß es sich in Wilhelmshaven um ca. 2.000 Personen handelt, so ist dies überhaupt nicht zu realisieren. Zumal für eine Arbeitsanleitung keine Mittel vorhanden sind. Auch die Ausgabe von Warengutscheinen wird große Probleme mit sich bringen. Ein Teil der hiesigen ca. 7.000 SozialhilfeempfängerInnen erhält schon diese Gutscheine. Viele Betriebe der Lebensmittelbranche sind nicht mehr bereit, den Mehraufwand, den die Abrechnung mit sich bringt, auf sich zu nehmen. Besonders betroffen ist ein Supermarkt am Rathausplatz, der diese Gutscheine nicht mehr annehmen will.

Möglicherweise müßte sich die Stadt ein eigenes Warenlager mit Ausgabestelle einrichten. Schlimmer kann es nicht mehr kommen, sollte man meinen. Dem ist aber nicht so. Es verschlägt einem gänzlich die Sprache, wenn es da in Paragraph 3 (1) lakonisch heißt: „Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung, Versorgung mit Arznei – und Verbandsmitteln sowie sonstige zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderliche Leistungen sind zu gewähren, soweit dies im Einzelfall auch unter Berücksichtigung der Dauer des Aufenthalts unabweisbar geboten ist.“ (Gesetzentwurf).
In den Ausführungen heißt es dazu: „Nicht eindeutig medizinisch indizierte Behandlungen oder solche langfristigerer Natur, die wegen der voraussichtlich kurzen Dauer des Aufenthalts nicht abgeschlossen werden können, sollen nicht eine Leistungspflicht auslösen.“ In das Ermessen der Kommune soll es gestellt sein, AsylbewerberInnen an Vorsorgeuntersuchungen und Schutzimpfungen teilnehmen zu lassen.
Eine der führenden Industrienationen der Erde hält es also nicht für geboten, AsylbewerberInnen grundsätzlich Schutzimpfungen zukommen zu lassen.
Ursula Aljets, Vorsitzende des ‚Sozialausschusses und Fachfrau der SPD für den Sozialbereich bezeichnet diesen Gesetzentwurf mit Recht als zynisch und zutiefst unchristlich. Leider scheint sie da von ihrer Partei wenig Zustimmung zu bekommen.

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