Bilanz
Fünf Jahre Hartz IV – fünf Jahre Job-Center Wilhelmshaven
(noa) Nach fünf Jahren Hartz IV beschäftigt sich auch die Wilhelmshavener Zeitung kritisch mit dem SGB II und mit dem Job-Center Wilhelmshaven.
„Bescheide mit Fehlern vor Gericht“ war am 12. Februar ein WZ-Artikel überschrieben, in dem wir erfuhren, dass beim Sozialgericht Oldenburg, das für Wilhelmshavener Streitfälle zuständig ist, im Jahr 2009 stolze 5577 Klagen in Sachen Hartz IV verhandelt wurden – doppelt so viele wie im Jahr zuvor – und dass ein großer Teil davon von Wilhelmshavener Klägern angestrengt worden war. Die häufigsten Klagegründe waren die Kosten der Unterkunft und rechtswidrige Sanktionen. In dem Artikel wird Job-Center-Geschäftsführer Wolfgang Burkert zitiert, der angibt, dass es 2009 immerhin 1984 Widersprüche gegeben hat und dass von Januar bis Oktober 1136 Sanktionen verhängt worden sind.
Insgesamt fand man den WZ-Artikel beim Job-Center offenbar nicht so gut. Am 16. Februar „wurde entschieden zurückgewiesen“, „dass eine falsche Rechtsanwendung des Jobcenters der Grund für zunehmende Widersprüche sowie Klagen am Sozialgericht seien“. Gemessen an der Gesamtzahl der Bescheide seien die erfolgreichen Klagen beim Sozialgericht gar nicht so hoch.
Das stimmt natürlich. Obwohl eigentlich und genau genommen „jeder Bescheid rechtswidrig, da für den Leser nicht nachvollziehbar“ ist (Werner Ahrens von der Arbeitsloseninitiative), legen nur wenige Leistungsberechtigte Widerspruch ein. „Wenn eine Behörde mir einen Bescheid erteilt, gehe ich doch davon aus, dass der richtig ist“, drückte es eine Teilnehmerin auf der ALI-Versammlung am 09. Februar aus.
Am 17. Februar veröffentlichte die Wilhelmshavener Zeitung die Fünfjahres-Bilanz des Job-Centers Wilhelmshaven, die „positiv“ sei. Um 1200 sei die Arbeitslosenzahl seit 2005 gesunken, und man habe 7600 Personen in Arbeit vermittelt.
„Dazu ist zu bemerken, dass die Nürnberger Vorgaben zur Erstellung dieser Bilanz eine Schönung der Zahlen vorgeben. Zur offiziellen Arbeitslosenzahl muss etwa ein Drittel dazugezählt werden.
Bundesweit zählt die Bundesagentur für Arbeit im Januar 2010 offiziell 3.617.485 Arbeitslose. 1.194.000 Arbeitslose wurden nicht gezählt. Bei den in der Statistik unterschlagenen Arbeitslosen handelt es sich um Menschen über 58, die Arbeitslosengeld I oder II beziehen, Menschen in ‚Ein-Euro-Jobs’, Menschen in beruflicher Weiterbildung, in Eignungsfeststellungs- und Trainingsmaßnahmen, in Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (z.B. bei privaten Arbeitsvermittlern) oder in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sowie um kranke Arbeitslose.
Auch in Wilhelmshaven finden sich die angeblich in Arbeit vermittelten 7600 Personen in den aus der Statistik herausgerechneten Personengruppen“, erklärt DIE LINKE.Wilhelmshaven zur Fünfjahres-Bilanz des Job-Centers. Der Sozialausschuss des Rates der Stadt nahm die fünf Jahre Hartz IV zum Anlass, sich über die Arbeitssituation der Arge zu informieren. Hier entfuhr dem CDU-Ratsherrn und Sozialausschussmitglied Stephan Hellwig der Spruch: „Es scheint ein Volkssport zu sein, gegen sämtliche Bescheide vorzugehen.“ Nachdem schon seit Anfang des Jahres die Hetze gegen Langzeitarbeitslose schärfer geworden war und durch den denkwürdigen Ausspruch des Vizekanzlers und Außenministers vom „Wohlstand ohne Arbeit“ einen vorläufigen Höhepunkt erreicht hatte, war es nur eine Frage der Zeit, wann jemand aus Wilhelmshaven (und wer aus Wilhelmshaven) auf dieser Westerwelle reiten würde.
Leider veröffentlichte die Wilhelmshavener Zeitung die Presseerklärung der LINKEN zu Hellwigs dummem Spruch nur unvollständig. Den Teil, der den nach Auffassung der LINKEN systematischen Betrug an den Wilhelmshavener Hartz IV-Berechtigten in Sachen „Kosten der Unterkunft“ betraf, sparte sie aus.
Und auch Wolfgang Burkert sowie Arbeitsagentur-Chef Rudolf Hempfling bestätigen im Gespräch mit dem GEGENWIND, dass sie nichts Unrechtes darin sehen, bei den Bescheiden die Kosten der Unterkunft nach städtischen Vorgaben zu bewilligen, die bisher vor keinem Sozialgericht standgehalten haben. „Das ist wie beim Regelsatz“, sagt Hempfling: Der sei gesetzlich vorgegeben und könne nicht beliebig bewilligt werden. Und bei der Miete gebe es eben die Vorgaben durch die Stadt in Form der Mietobergrenzen.
Dass die Gerichte das anders sehen, zeigen wir in dem Beitrag „Schlüssiges Konzept gefordert“ in dieser Ausgabe.
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