Isja schon wieder ne Zeit her, dasse was von mir gehört hast. Wenn Du da mal sauer über bist, dann mußt Du auch son Frühwarnsüstem haben, das mir dann rechtzeitig sagt, wenn ich wieder mal schreiben muß, weil es sonst aus is mit uns. Frühwarnsüsteme sind hier grad ganz große Mode, isja auch was Dolles. Eins gibts zum Beispiel bald fürn Banter See, weißt noch, letztes Jahr war ja bis innen Dezember Badeverbot wegen dieser fiesen Dinger, der Blaualgen. Dies Jahr wird das nu ganz anners, weil nämlich hat die Stadt sich nun schon über zwei Hunderttausend Mark für zwei Gutachten bewilligt, die erzählen sollen, wo die Dinger denn nun herkommen und was sie gern fressen und sowas. Wieso das nun Frühwarnsüstem heißt, weiß ich nich so genau, weil isja eigentlich schon ein bißchen spät, aber so pingelich will ich mal nich sein. Jedenfalls sind wir besser dran als letztes Jahr, denn erstens sind wir nun schon gewarnt, dasses wahrscheinlich wieder nix wird mitm Baden und bald wissen wir dann auch warum das nix wird, und zweitens isja nun auch schon klar, daß nach so teuren Gutachten kein Geld mehr zum Wegmachen von diesen Dingern da ist, is dochn Fortschritt oder etwa nicht?
Das andere Frühwarnsüstem hat auch was mit der Freizeit zu tun und mit den Wahlen im Oktober glaub ich auch. Es soll nämlich bald’n „Kinderstadtplan“ geben, wo alle Spielplätze und sowas draufstehen. Davon sollen die Politicker dann wissen, wo überall noch was fehlt – gut nich? Ob dann allerdings da, wo noch nichts ist, dann was hinkommen soll, dazu haben sie erstmal gesagt, daß sich das „auf zukünftige Planungen auswirken sollte“. Aber es ist doch trotzdem schon mal gut, wennse vor der Kommunalwahl merken, daß es nicht genug ist, immer, wenn ein Kind überfahren worden ist, ne neue Fußgängerampel aufzustellen.
Ja, mein Kuddl, es gibt hier ja nun nicht nur neue Ideen, sondern auch neue Männer!
Da is einmal der Frank Wolfgang oder umgekehrt, der is zwar nicht mehr ganz neu sondern schon ziemlich gebraucht, soll aber nun Stadtkämmerer werden, was nichts mit Ungeziefer zu tun hat, jedenfalls nicht direkt, sondern mit Geldausgeben, z.B. 100.000 für die Geschichten über die Blaualgen, ist also doch was mit Verantwortung. Aber son richtig Neuen kriegen wir auch noch, einen jungen Spund von 42 aus Flensburg, fährt Motorrad (weißte, so eins wie Peter Fonda in diesem alten Schinken), is aber nich unsolide sondern im Beamtenbund. Jedenfalls bei der Wehzett sindse alle ganz verliebt in ihn, sogar der Westerdorf, der sonst doch nur bei Männern in Uniform in Eckstahse kommt – was der ihn schon gelobt hat, als ob der Flensburg allein gebaut hätte, und zwar immer „unkonventionell“, was glaub ich was Gutes ist und in Wilhelmshaven bis jetzt noch nicht vorgekommen ist.
Ich leg Dir mal’n Bild bei, wie sie den immer auch fotografieren in der Wehzett, wie Schimanski und der Prochnow ausm U-Boot in eins, siehst richtig die blauen Augen ausm Schwarz-Weiß-Foto blitzen. Die Barbara Schwatz hat ja sogar gemeint, daß der eigenhändig unser Wahrzeichen für gelungene Stadtsahnierung, diesen kaputten Brunnen aufm Börsenplatz, wieder in Schwung kriegt – Supermann also auch noch.
Sonst is der Neue aber wohl nich so ihr Typ – ich les ja immer alles von ihr, weil das kulturell immer so bildet, und da hat sie letzte Woche was über eine Künstlerin geschrieben, die ihre Bilder hier grade ausstellt und die mal in der Karibik gewohnt hat, und da hat sie, so steht das da, „die Lebenslust und den Schwarzen Mann, die körperliche Sinnlichkeit“ entdeckt. Siehste, mein Kuddl, mußt jetzt nich gleich beleidigt sein, aber ich hab das inner ‚Neuen Revue‘ und inner ‚Praline‘ ja auch schon gelesen, daß an den schwarzen Männern irgendwie mehr dran is, also dass die mehr drauf haben, also ich weiß auch nich, wie ich das jetzt sagen soll. Naja, und wenn die Barbara Schwatz jetzt auch noch sowas schreibt, denn isses ja Kultur und muß stimmen und hat mit „Rassismus“ oder sowas nun wirklich nix zu tun.
So, mein Kuddl, nun muß ich los, zuner Spendenübergabe, kriegt nämlich die Showgruppe vonner IGS (klingt wien Geheimdienst oder ne Fabrik, is aber ne Schule) 1000 Mark vonner ICI (dassis nu wirklich ne Fabrik, Chemie oder so) für ihr Angaschemang für die „Blues Brothers“, was nun wieder zwei linke Vögel waren, die singen konnten. Einer von den
Chefs der Gruppe is übrigens auch son oberer Linker, hat son witzigen Namen, hab ich aber vergessen, sonst is der eigentlich nie so richtig glücklich über diese Chemiefabrik gewesen, weil die außer Fußböden so viel Müll produzieren und immer so Gift im Schornstein mit nach draußen kommt. Aber wenn die dabei soviel Geld machen, daßn Tausender für die Kunst davon über is, dann muß man doch mal die Parteiaugen zumachen können und ‚Musik kennt keine Grenzen‘ singen. Jedenfalls weiß ich nun, was Kunst und Kunststoff miteinander zu tun haben, hoffentlich krieg ich das nun nicht wieder durcheinander.
Tschüß mein Kuddl, dicken Knutsch von
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