Kriegsdienstverweigerung
Mrz 111991
 

Neue Qualität

Soldaten und Reservisten verweigern den Kriegsdienst

Der Krieg im Irak hat hier in Deutschland eine Flut von Anträgen auf Kriegsdienstverweigerung ausgelöst. Der Gegenwind untersuchte in einem Gespräch mit einem KDV-Berater vom DFG-VK die Situation in Wilhelmshaven.

Die Proteste gegen den Golfkrieg wurden – dies haben die letzten Wochen deutlich gezeigt – in erheblichem Umfang von jungen Menschen getragen. In Wilhelmshaven wie auch in anderen Städten bildeten Schüler die Speerspitze und den Motor der Bewegung gegen den Krieg. Spürbarer Ausdruck des politischen Protestes ist die große Zahl derjenigen, die aus der Auseinandersetzung mit dem Krieg am Golf persönliche Konsequenzen ziehen, indem sie den Kriegsdienst verweigern. Bundesweit dürften dieses Jahr mehr als 100.000 den Antrag stellen.
dfg-transparentSeit Jahren bietet die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG/VK) im jetzigen „Tarish“ eine Beratung für Kriegsdienstverweigerer an. Nunmehr jeden Dienstag informiert Thorsten Höpner die wachsende Zahl der jungen Männer, die den Kriegsdienst verweigern wollen. Denn die Zahl der Ratsuchenden ist in den letzten Wochen um über 100 % gestiegen.
Besonders die aktiven Soldaten und Reservisten kommen in einem bisher noch nicht dagewesenen Ausmaß. In den wenigen Wochen seit Ausbruch des Golfkrieges kamen soviel wie in den letzten vier Jahren zuvor zur Beratung.
Relativ konstant geblieben ist die Zahl der Erstantragsteller, derjenigen, die noch vor ihrer Einberufung, zumeist noch während der Schulzeit, ihren Antrag auf KDV stellen.
Auf mindestens 80 % schätzt Thorsten Höpner den Anteil der Gymnasialschüler, die restlichen 20 % sind Fach- und Realschüler. Noch immer verschwindend gering ist der Anteil der Hauptschüler. Insofern spiegelt sich das Kräfteverhältnis innerhalb der Schülerschaft bei den Demonstrationen gegen den Krieg in der KDV wider.

Wo liegen die Ursachen?

Bei vielen Hauptschülern ist die Information über die Möglichkeit der KDV scheinbar gar nicht oder nur unzureichend vorhanden. Für sie sind offenbar die Verweigerung und der Zivildienst noch sehr exotische individuelle Alternativen zum Bund.
Zu fragen ist hier, ob nicht an den Hauptschulen zu wenig über KDV diskutiert wird. Das Angebot der DFG/VK schließt die Information in den Schulen mit ein. Allerdings haben bisher lediglich Gymnasiallehrer von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
Thorsten Höpner weist darauf hin, daß er nur an Schulen informieren kann, wenn die LehrerInnen dazu einladen. Zudem müssen die Informationen rechtzeitig kommen. Höpner: „Es bringt nichts, mich einzuladen in eine Klasse, in der die Schüler schon ihr Zweijahresgesuch in der Tasche haben.“
Die KDV-Beratung hat allerdings insgesamt nie im Brennpunkt des öffentlichen Interesses gestanden. In den bürgerlichen Medien wurde allenfalls über den Zivildienst im Zusammenhang mit dem Pflegenotstand diskutiert. Die vielen sozialen Träger, die auf die Kriegsdienstverweigerer angewiesen sind, heulten lauthals auf, als der Zivildienst gekürzt wurde. Woher die Zivildienstleistenden überhaupt kamen, blieb dabei im Dunkeln.
Aber auch die politische Linke hat die KDV in der Vergangenheit zu einem großen Teil stiefmütterlich behandelt.

KDV als politischer Akt

Für viele, die jetzt den Antrag auf KDV gestellt haben, mag Angst das auslösende Moment gewesen sein. Das Klima der Beratung ist jedoch merklich politischer geworden. Und hier liegt der wesentliche qualitative Unterschied zur Situation in den Vorjahren. Besonders viele Reservisten sehen ihre Verweigerung als einen Ansatz zur weiteren friedenspolitischen Arbeit.

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Informationen zur Kriegsdienstverweigerung
KDV-Treff des DFG/VK:
Jeden Dienstag um 19 Uhr im Cafe Tarish, Börsenstraße

Zum Thema „Kriegsdienstverweigerung und Zivildienst“ veranstaltet die SOS-Jugendberatung am Montag, den 15.April um 20 Uhr in der Schillerstr. 8 einen Informationsabend. Die Mitarbeiter Guido Naendorf und Uwe Brams stellen den Ablauf einer KDV dar und informieren über den Zivildienst.
Im Rahmen ihrer Arbeit bietet die SOS-Jugendberatung Jugendlichen und jungen Erwachsenen die den Wehrdienst verweigern wollen, eine individuelle Beratung und Begleitung in Einzelgesprächen an.

 

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