Ruscherei
Aug 252004
 

Im Aufwind

Für gehörige Aufregung sorgte ein 22 Jahre alter Gegenwind

(hk) Auf der Titelseite der 200. Ausgabe des Gegenwinds war die Titelseite des ersten Gegenwinds vom Juni 1982 abgebildet. Gut zu lesen war die damalige Schlagzeile „Ruscherei in der Krise“. Und dieses Dokument versetzte nun den Vorstand der Ruscherei-Vereins in gehörige Aufregung.

„Was ist denn nun schon wieder bei euch los?“ Solche und ähnliche Anrufe habe es gleich dutzendfach bei den Vorstandsmitgliedern gegeben, so der 1. Vorsitzende des Ruscherei-Fördervereins, Gustav Conrads, in einem Telefonat mit dem Gegenwind. (Was haben wir bloß für LeserInnen, die nicht erkennen, dass da ein altes Titelblatt abgebildet war?)
Eifrige Gegenwind-LeserInnen wissen nun natürlich, dass uns das Wohl der Ruscherei sehr am Herzen liegt, und so fiel es uns auch leicht, der Bitte des Vorstandes Folge zu leisten und einen Artikel über die Ruscherei im Jahre 2004 zu schreiben. Also trafen sich die Ruscherei-Vorstandsmitglieder Gustav Conrads, Jörg Hülsemann, Uwe Nolle und Ingo Botterbrodt mit dem Gegenwind zu einem Gespräch.

Die Ruscherei war im 18. Jahrhundert ein Weidebauernhof. Die Hofstelle führte den Namen Ruscherei. Rüschen bzw. Ruschen sind Binsen. So könnte sich der Name dadurch erklären, dass der Hof in einem mit Binsen bewachsenen Gebiet lag.
Im November 1976 durch Brandstiftung zerstört, wurde das verbleibende Wohnhaus von Bürgern Altengrodens zum Stadtteilhaus ausgebaut und 1981 eingeweiht.
Nach Einstellung der städtischen Zuschüsse im Juni 1997 geschlossen, wurde die Ruscherei unter Leitung des Nachfolgevereins im September 1997 wieder eröffnet.
(aus einem Infoblatt des Fördervereins Ruscherei)

Ruscherei„Seit 1997 hat sich hier allerhand getan“, so der 1. Vorsitzende Conrads, „trotzdem stehen wir hier jeden Tag mit dem Rücken zur Wand und kämpfen, wie viele andere Institutionen auch, ums Überleben.“
1997 gab es 13 Mitglieder im Förderverein – honorige Wilhelmshavener Bürger und Bürgerinnen. Als dann der städtische Zuschuss gestrichen wurde, warf dieser Vorstand das Handtuch. Die Ruscherei stand 3 Monate leer. Nun gab es aber einige Leute, die sich sagten, dass ein solches Objekt nicht verkommen darf. Man setzte sich zusammen und brütete ein neues Konzept aus. Einer der Schwerpunkte dieses Konzepts war die Mitgliederwerbung. Inzwischen zählt der Förderverein 135 Mitglieder, darunter auch die Bürgervereine Altengroden und Maadebogen und Gruppen wie der VdK, der NABU, die Vogelfreunde usw.
In der Ruscherei treffen sich nicht nur CDU und SPD, sondern z.B. auch die „Linux User Group Wilhelmshaven“, die auch die Internet-Hompage der Ruscherei (www.ruscherei.de) erstellt hat. Diese doch recht stolze Mitgliederzahl bildet den finanziellen Grundstock des Vereinslebens. Der normale Mitgliedsbeitrag beträgt 2,50 Euro – die Vereine zahlen natürlich mehr. Die Stadt hat sich aus dem Projekt vollständig zurückgezogen – es gibt keinerlei Zuschüsse mehr.
Nun reichen diese Mitgliedsbeiträge natürlich nicht aus, um das ca. 8.000 Quadratmeter große Gelände samt Haupthaus, den vielen Nebengebäuden und Plätzen in Schuss zu halten. Hier kommt dem Verein dann seine anerkannte Gemeinnützigkeit zugute. Da schickt die Gesellschaft für Arbeit und Qualifikation (GAQ) schon mal Langzeitarbeitslose, die hier ihre ersten Schritte zur Wiedereingliederung ins Arbeitsleben machen. „Was wir verstärkt haben, sind junge Leute, die etwas ausgefressen haben und z.B. 50 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten müssen. Diese Leute brauchen wir nicht zu bezahlen, wir müssen nur dafür sorgen, dass sie Arbeit bekommen und vernünftig untergebracht sind. Diese jungen Leute machen ihre ‚Strafarbeit’ gerne bei uns.“ so der 1. Vorsitzende Conrads nicht ohne Stolz.

Ein Rundgang durch die Ruscherei

Gleich am Eingang wird durch lautes Schnattern, Krähen, Pfeifen, Flöten, Blöken und allerhand anderen fürs ungewohnte Städterohr recht exotisch anmutenden Geräuschen klar: Hier ist etwas anders. Auf einer großen Weidefläche, in Volieren und Ställen tummelt sich zur Freude der Oma mit der Enkelin, der Eltern mit ihren Kindern oder auch des zufälligen Besuchers eine große Schar von Hühnern, Enten, Gänsen, Vögeln, Ziegen, Kaninchen usw. usf.

Die Ruscherei ist eine idyllisch gelegene Begegnungsstätte mit
Kneipe, Teestube und Saal.
Sie wird in ehrenamtlicher Leitung geführt durch den gemeinnützigen Förderverein Ruscherei Altengroden e.V.
Gruppen und Vereine nutzen die Ruscherei als Treffpunkt.

Diese Tierhaltung verursacht natürlich viel Arbeit – doch sie scheint den Leuten der Ruscherei auch gehörigen Spaß zu machen.
Stolz ist der Vorstand auch auf das gut ausgerüstete Werkstatthaus. Hier finden sich inzwischen alle Maschinen und Werkzeuge, die benötigt werden, um eine solche Anlage in Schuss zu halten. Um sich teurere Maschinen leisten zu können, ist man allerdings auf Sponsoren angewiesen. „August Desenz hat schon so manche Runde für uns gekurbelt“, enttarnt der Vorstand einen der Sponsoren.
Ruscherei 2Auch wenn der „Boule Petanque Club Wilhelmshaven“ die Anlage der Ruscherei inzwischen nicht mehr nutzt, liegt dieser Bereich nicht brach: Die neu gegründete „Freie Boule Spielgemeinschaft Ruscherei“ tritt im September zu einem ersten Turnier an. Das Boule-Haus wurde umgebaut – hier können jetzt auch kleinere Geburtstagsfeiern o.ä. organisiert werden.
Als Nächstes fällt ein prächtiger überdachter Grill ins Auge, der vom Berufsgrundbildungsjahr Bau der BBS II errichtet wurde. Bezahlen musste der Verein nur das Material und die Verpflegung der Schüler.
Ebenfalls von der BBS II wurde die Kompostanlage gebaut. Der 1. Vorsitzende zieht diese Anlage dann auch als Beispiel für den Erfolg des Konzeptes des neuen Vorstands heran: „Früher standen hier 10 Mülltonnen – davon waren 4 oder 5 sogar große Container. Heute benötigen wir nur noch einen Container.“ So kann man das Geld der Mitglieder vernünftiger einsetzen.
Neu errichtet wurde ein Ballspielplatz, der sich auch zum Basketballspiel eignet. Der besondere Clou: Die Ränder wurden einige Zentimeter höher installiert, so dass im Winter der Platz unter Wasser gesetzt werden kann – und schon hat man eine wunderbare Eislauffläche.
Ein zum Sommertreff umgebauter Göpel (Göpel ist der Teil eines Bauernhofes, in dem die durch Mensch, Tier oder Maschine angetriebene Drehvorrichtung zum Dreschen, zum Buttermachen usw. untergebracht war) wirkt wie das Zentrum eines Marktplatzes – hier finden bis zu 70 Leute (gleich neben dem Grill) einen überdachten Platz im Freien.
Auch die Innenräume wurden neu gestaltet – helle Farben verleihen den verschiedenen Räumen eine offenere Atmosphäre und bringen gleichzeitig die unzähligen bäuerlichen Werkzeuge und Gerätschaften, die überall hängen, liegen oder stehen, besser zur Geltung.
Besondere Beachtung finden in der Ruscherei die Kinder und Jugendlichen. „Wir kümmern ums um die Gäste der Zukunft – die Kinder und Jugendlichen haben einen sehr hohen Stellenwert bei uns!“, untermauert der Vorstand diese ins Auge springende Tatsache. Und hier hat die Ruscherei wohl eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für Wilhelmshaven – besonders wenn man sich die noch vorhandenen Jugendtreffs einmal anschaut.
Doch man ruht sich im Vorstand nicht auf den erarbeiteten Lorbeeren aus, man plant natürlich auch für die Zukunft. So soll in diesem Jahr wieder eine große Silvesterfete stattfinden. Aber auch über Modenschauen der örtlichen Bekleidungshäuser denkt man nach.
„Wir mussten etwas tun, um die Leute an uns zu binden. Wir haben einen aktiven und voll hinter der Ruscherei-Idee stehenden Vorstand. Nur so können wir etwas erreichen. Doch das ist alles noch ein sensibles Pflänzchen, und wenn dann so eine Meldung ‚Ruscherei in der Krise’ in der Presse zu lesen ist, dann reagieren wir eben empfindlich“, verabschiedete sich der Vorstand mit einem kleinen Seitenhieb gegen den Gegenwind.
Doch am meisten wurmt den Vorstand, dass es in Wilhelmshaven immer noch Leute gibt, die die Ruscherei nicht kennen, die nicht wissen, was da alles möglich ist. Und wenn es denn GegenwindleserInnen gibt, die sich nicht nur an einer Überschrift festbeißen, dann werden jetzt einige WilhelmshavenerInnen mehr wissen, was in Altengroden in der Ubbostraße 1 alles möglich ist.

Die Ruscherei bietet
  • kleine gemütliche Kneipe, Saal und Teestube
  • Räumlichkeiten für Feste und Treffen aller Art – im Haus, Garten und Göpel
  • Seniorentreff ,,Teestüvchen“
  • Kinderspielplatz mit vielen Spielgeräten (Benutzung auf eigene Gefahr)
  • Schachnachmittage
  • Lederarbeiten für Jugendliche
  • Kaffeenachmittage mit und ohne Musik
  • Skatturniere
  • Treffpunkt des Bürgerverein Altengroden
  • Treffpunkt des Bürgerverein Maadebogen
  • Frühschoppen mit und ohne Musik
  • Bingo-Abende
  • Ausstellungen und Vorträge aller Art
  • Bücherbasar
  • Trödelmarkt auf der Tenne

Die Ruscherei bietet für jeden etwas!

Falls Sie für Ihr nächstes Vereinstreffen, den Geburtstag der Oma oder die Hochzeit der Tochter, für ein Betriebsfest oder eine Taufe… einen Platz in schöner Umgebung (bei gleichzeitiger Förderung einer gemeinnützigen Einrichtung und einer guten Idee) suchen: Rufen Sie die Ruscherei an: 04421/85191 oder gehen oder fahren Sie einfach mal in die Ubbostraße 1, trinken Sie inmitten der Stadt in dörflicher Umgebung ein Kännchen Tee, einen Schoppen Wein oder ein Glas Weizenbier. Es lohnt sich.

Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 15.00 – 18.00 Uhr und 19.30 – 23.00 Uhr, Sonntag 10.30 – 13.00 Uhr,
Montag und Samstag bei Bedarf geöffnet

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