Ratssplitter
Feb 012001
 

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Die Tagesordnung der vorweihnachtlichen Ratssitzung am 20.12.2000 war prall gefüllt – und es lohnt sich, auch noch im Februar darüber zu berichten.

Ehrenamtliches Engagement

will die CDU-Fraktion fördern. Sie beantragte, per Ratsbeschluss die Verwaltung zu beauftragen, Art, Umfang und Motivation ehrenamtlicher Tätigkeit in Wilhelmshaven zu ermitteln und dann ein Maßnahmenkonzept zur Förderung und Stärkung des Ehrenamtes vorzulegen, u. a. für Angebote zu Qualifizierungsmaßnahmen und die Einrichtung der Stelle eines Ehrenamtsbeauftragten als Ansprechpartner bei der Stadtverwaltung.
Aber ach: „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt“, zitierte SPD-Ratsfrau Aljets und behauptete, die Opposition wolle mit diesem Antrag in Wahrheit der Verwaltung, „den Däumchendrehern und Bleistiftspitzern“ (Aljets), nur eine Menge Arbeit verschaffen. Sie beantragte, das Thema in den Sozialausschuss zu verlagern, und verkündete, sie werde sich nun darum kümmern und mit der Verwaltung reden.
Respekt, Frau Aljets: So schnell geht’s, mit der Mehrheitsfraktion im Rücken, der Opposition eine Idee zu mopsen. Schade für die SPD, dass dieser Schnellschuss ein Eigentor ist. Es ist nämlich keine einsame Idee der hiesigen CDU, sondern ein Beschluss der UNO von 1997, im Jahr 2001 die Freiwilligenarbeit weltweit zu fördern. Die CDU hat nicht mehr und nicht weniger getan, als die Umsetzung dieser internationalen Konvention auf kommunaler Ebene einzufordern. Etwas spät zwar, aber nicht zu spät – nicht umsonst enthält der Antrag auch Termine für die Arbeit der Verwaltung (Berichtsvorlage bis vor den Sommerferien). Bundesweit sind von Kommunen bis zu den Landesregierungen bereits zahlreiche Aktivitäten zum Jahr des Ehrenamtes im Gange. Um Art und Umfang der ehrenamtlichen Arbeit zu ermitteln, gibt es bereits Fragebögen, und es gibt einen städtischen Adressverteiler zu Vereinen und Organisationen, der Arbeitsaufwand für die Verwaltung hält sich also in zumutbaren Grenzen. Und mit der Anbindung an die Lokale Agenda 21 (wie z. B. im Landkreis Emsland) wäre auch die Konzeption und Umsetzung konkreter Maßnahmen kein Ding der Unmöglichkeit.
Mehr noch: In Fedderwardergroden läuft (auf Initiative der GPS) bereits ein Projekt zur Einrichtung einer Freiwilligen-Agentur, um die ehrenamtliche Arbeit vor Ort zu fördern.
Es bleibt wohl Frau Aljets’ Geheimnis, warum ausgerechnet ein Fachausschuss einer Provinzstadt einen UNO-Beschluss noch mal hinterfragen soll, während lokal wie weltweit schon die Aktivitäten laufen. Und warum gerade der Sozialausschuss? Ist ehrenamtliche Arbeit in den Bereichen Kultur, Umwelt oder Sport nicht gefragt?
Hintergründe zum Internationalen Jahr des Ehrenamtes unter http//:www.ijf2001.de/ Email kontakt@ijf2001.de (iz)

Mal so, mal so

wird entschieden, ob ein Ratsbeschluss vorher im Fachausschuss beraten werden soll oder nicht: Bei einem bereits laufenden UNO-Projekt ist es offenbar erforderlich, nicht so jedoch bei der Entscheidung über die Schließung des Küstenmuseums. Jahre wurden vertrödelt, ohne dass seitens der Stadt ein vernünftiges Konzept für den Fortbestand der Einrichtung zustande kam, und nun war – angeblich – plötzlich so viel Eile geboten, dass der Kulturausschuss einfach umgangen wurde. Die Opposition kritisierte den geplanten „Schnellschuss“, „gebrochene Versprechen“ und diese Backpfeife an alle, die sich ehrenamtlich für den Erhalt dieser herausragenden Kultureinrichtung engagiert haben. Viele von ihnen saßen im Zuschauerraum und applaudierten. Vergebens: Die Mehrheitsgruppe beschloss, den Vertrag zwischen Förderverein und Stadt aufzuheben. Im Prinzip nur ein formaler Akt, um einen neuen Vertrag zwischen Förderverein und WPG zu schließen. Doch damit, fürchten die Kritiker, gibt die Stadt auch ihre Einflussmöglichkeiten auf. Nun soll erst mal ein Arbeitskreis gegründet werden, der sich viele Museen anschauen soll… „Wir bekommen ein Museum, darauf können Sie sich verlassen!“ versprach SPD-Chef Neumann. Da sind nicht nur wir mal gespannt. (iz)

Ein bisschen schwanger

gingen die Grünen im Rat mit dem Gedanken, die „Entschließung zur Küstenautobahn“ abzulehnen. Diese Autobahn soll als Verlängerung der A20 ab Lübeck mit einer festen Elbquerung bei Stade durch den Wesertunnel über Westerstede bis zur A28 im Emsland führen. Die Forderung ist unterzeichnet von den Städten Bremerhaven und Wilhelmshaven, allen Landkreisen längs der geplanten Route sowie den Industrie- und Handelskammern Bremen, Oldenburg und Stade: „Im Bundesfernstraßennetz fehlt bisher eine Autobahnverbindung, die… die bisher durch Ems, Weser und Elbe erheblich getrennten Wirtschaftsräume gut miteinander verbindet.“
Während die Wirtschaft und ihre politische Lobby also natürliche Wasserläufe als etwas Trennendes und Betonpisten als etwas Verbindendes sehen, befürchtet der grüne Ratsherr Kläne, dass die Region Weser-Ems durch die Autobahn „grässlich zerschnitten“ würde. So sieht es auch die Landesdelegiertenkonferenz seiner Partei, die Mitte November 2000 einhellig den Bau der A20 in allen vorgelegten Varianten ablehnte. Als LKW-Transitstrecke zwischen Skandinavien und Westeuropa würde sie den Weser-Ems-Raum nicht erschließen und keine neuen Arbeitsplätze schaffen, sondern allenfalls solche im Tourismusbereich vernichten. Die für das Projekt gebundenen Milliarden würden für den weiteren Strukturwandel des Elbe-Weser-Dreiecks zu einer ökologischen Zukunftsregion (Mittelstandsförderung, Fremdenverkehr, alternative Technologien usw.) fehlen. Die Natur- und Kulturlandschaft würde weiter zerstört. Die ökologische Verkehrswende – weg von der Straße, rauf auf die Schiene – würde in Frage gestellt.
Mit der „Entschließung zur Küstenautobahn“ fordern die unterzeichnenden Körperschaften, die Küstenautobahn in den Bundesverkehrswegeplan aufzunehmen. Derzeit ist sie dort nicht enthalten, und laut Kläne besteht keine Chance, dass sich dies ändern wird. In der Begründung der Autobahn-Befürworter durfte natürlich auch der geplante neue Tiefwasser- (Container-) Hafen nicht fehlen. Und an diesem Punkt knickten unsere Grünen ein: „Wir gehören dazu! Auch wir sind für den Jade-Weser-Port!“ beschwichtigte Kläne die SPD-Genossen und schlussfolgerte: „Deswegen werden wir nicht gegen die Entschließung stimmen, sondern uns enthalten.“ So entpuppten sich die lang vermissten, klaren grünen Statements wieder mal als belangloses Vorgeplänkel. (iz)

„Gestern noch auf stolzen Rossen,

heute in den Kopf geschossen“ kritisierte FDP-Ratsherr von Teichman die Geschäftsführung der Wilhelmshaven Projekt GmbH, die in Folge der EXPO am Meer ihren ursprünglichen Haushaltsplan um knapp 15 Prozent überzogen hatte. Auch CDU-Ratsherr Biester missbilligte den vorgelegten Nachtragshaushalt, der im Ergebnis fast 18 Millionen Mark Verlust verzeichnete. Es brodelte spürbar im Ratssaal: Von Teichman erhob den Vorwurf, der Geschäftsführer habe eine Abfindung in 5stelliger Höhe erhalten; OB Menzel wies ihn deftig in die Schranken: Solche Details gehörten nicht in die öffentliche Sitzung, worauf aus dem Zuschauerraum zu hören war: „Wir wollen nicht jeden Tag belogen werden!“ Vorwürfe wegen dieses „dürren Papiers“ kassierten auch Stadtrat Graul und der Oberstadtdirektor: „Schreiber, kehr an deinen Schreibtisch zurück“, traf ein Zwischenruf den für seine Reisefreudigkeit bekannten Verwaltungschef. Schließlich kühlte Biester die Gemüter mit dem Vorschlag, den Beschlussvorschlag in zwei Teilen abzustimmen. So wurde dann der Nachtragswirtschaftsplan als solches abgelehnt, für die Übernahme des Barverlustes (ca. 6 Mio. DM) durch die Stadt fand sich jedoch eine Mehrheit. (iz)

Nicht zu ertragen

ist für den grünen Ratsherrn Biehl das Verhalten mancher Mitglieder des Bauausschusses. Als bei der Beratung des Bebauungsplans Heiligengroden zur Sprache kam, dass 18 Hektar Ausgleichfläche für Vögel (Wiesenbrüter) vorgehalten werden muss, deren Lebensraum durch die Bebauung vernichtet wird, kommentierte ein Mitglied des Bauausschusses: „Ausgleichsmaßnahmen erledigt man vorher – mit der Flinte!“ Biehl fand das gar nicht komisch und prangerte die Bemerkung in der Ratssitzung an: „Wie vor 15 Jahren.“ Seine persönliche Konsequenz aus der Tatsache, bei der Inanspruchnahme von Naturflächen am Stadtrand eben Ausgleich schaffen zu müssen, lautete: „Langfristig müssen wir wieder zur Mitte hin, Baulücken schließen.“

Zum Tagesordnungspunkt „Notfallmanagement auf See“

bemerkte SPD-Ratsherr Adam: „Der Ausschuss für Umwelt und wie er sonst noch heißt hat gut gearbeitet.“ War das nun ein Lob, ein Gag oder ein Hinweis, welchen Stellenwert dieser Ausschuss für Adam besitzt? (iz)

Gute Arbeit

hat wieder mal das Rechnungsprüfungsamt geleistet – was manchen Ratsmitgliedern gar nicht recht war. Jedes Jahr entdeckt die Prüfungsstelle die gleichen Unregelmäßigkeiten im Rechenschaftsbericht der Verwaltung, die unter anderem „bewusst das Primat der öffentlichen Ausschreibung missachtet“ habe und statt dessen Aufträge freihändig vergibt. Die Prüfungsstelle entnimmt dem Bericht „den vielfachen Verstoß gegen das Primat der öffentlichen Ausschreibung“ und fordert “eine zentrale Vergabestelle, in der alle Submissionen stattfinden“. Die Verwaltung kommentiert: „Die generelle Aussage des RPA ist falsch. Es kommt immer auf den Einzelfall an“. Für sie sind die rechtlichen und wirtschaftlichen Vor- und Nachteile der geforderten Vergabestelle nicht erkennbar. Dazu Ratsherr von Teichman lakonisch: „Offenbar gibt es keine Fälle von Korruption in der Bauverwaltung.“ Das setzte natürlich wieder eine Rüge von Menzel und Neumann, die in seiner Formulierung eine versteckte Unterstellung sahen.
Vorwürfe der Mehrheitsgruppe trafen nicht die Verwaltung, die offensichtlich seit Jahren dieselben Fehler macht, sondern das Prüfungsamt, das diese Fehler aufdeckt: „Das RPA sollte uns zuarbeiten, warum müssen wir immer im Clinch liegen?“ Ja, warum schafft man das Prüfungsamt nicht einfach ab, wenn man die Kritik und Verbesserungsvorschläge gar nicht hören will? (iz)

Viel Arbeit

hatte der Oberstadtdirektor mit der Großen Anfrage der CDU zur EXPO am Meer. Einige wesentliche der 30 Fragen wurden allerdings nur unzureichend beantwortet. Die SPD hielt die Anfrage für überflüssig und meinte, die CDU hätte sich ja auch an ihre Mitglieder im Aufsichtsrat wenden können. Was bedeutet hätte, dass Unstimmigkeiten wieder ratsintern ausgekungelt worden wären. Die Fragesteller forderten jedoch explizit in ihrer Begründung, „… der Öffentlichkeit Klarheit … zu geben“, nämlich über die „Belastungen für Wilhelmshaven, die aus diesem Defizit resultieren“. Eigentlich selbstverständlich, denn nicht der Rat, sondern der Steuerzahler muss jetzt das Defizit ausgleichen. Genauer: Der Rat hat entschieden, dass der Steuerzahler das Loch in der Kasse des Veranstalters wieder auffüllen soll – aber wie das Loch entstanden ist und wofür sie bezahlen, soll den Bürgern vorenthalten werden?!
Abschließend warnte Schreiber davor, durch jegliche Kritik den guten Namen der EXPO zu beschmutzen: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ So positiv sei Wilhelmshaven noch nie im Gespräch gewesen, und – das fehlte ja noch: „Die EXPO hat bewirkt, dass der Jade-Weser-Port nur hierher kann.“ (iz)

Bis zur Bürgerfragestunde

mussten Interessierte diesmal dreieinhalb Stunden im Zuschauerraum ausharren. Dann wurde ihnen auf Anfrage mitgeteilt, dass im Falle einer Standortzusage für den Jade-Weser-Port die Stadt nicht als Antragsteller für das Planfeststellungsverfahren auftreten würde und somit nicht die anfallenden Kosten von etwa 25-30 Mio. DM zu tragen hätte. Weiter wurde gefragt, ob der Rat schon einen Termin festgelegt hätte, um die Bürger der Stadtteile zu informieren, die vom Bau des Containerhafens betroffen wären; wenn nein, sollte ein Ratsvertreter einen entsprechenden Antrag stellen. Dazu SPD-Adam: „Darüber kann ich ja nur lachen.“ Da er zur Mehrheitsgruppe gehört, können die betroffenen Bürger ihre Forderung nach einer öffentlichen Information wohl knicken. Und da sie – nicht nur diesmal – sowieso von Politikern ausgelacht werden, denen sie mit ihrer Stimme zu einem Sitz im Rat verholfen haben, sollte man sich eigentlich die ganze Bürgerfragestunde schenken, die regelmäßig zur Farce gerät. (iz)

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