Gegenwind-Gespräch: Johann Janssen
Feb 012001
 

Geschafft!

Seit dem 8. Januar gibt es eine Methadon-Abgabestelle

(noa) Fast ein Vierteljahr gaben der Arzt Johann Janssen und sein Praxisteam samstags und sonntags auf dem Rathausplatz den von ihm betreuten Hartdrogenabhängigen ihre Ersatzdroge Methadon. Im September hatte die Diakonie den Vertrag, auf dessen Grundlage die Methadonabgabe in ihren Räumen stattgefunden hatte, überraschend gekündigt, und an den Wochentagen mussten die Ex-Junkies jeden Vormittag zu ihrem Arzt nach F’groden fahren. 

Die Methadonausgabe auf dem Rathausplatz ersparte den Drogenkranken wenigstens an den Wochenenden diese Mühe. Gleichzeitig diente sie aber dazu, die Öffentlichkeit auf die schwierige Situation hinzuweisen. Die Demonstration hatte Erfolg: Es gibt seit dem 8. Januar eine recht günstig gelegene Abgabestelle. Wir sprachen mit Johann Janssen darüber.

Gegenwind: Offensichtlich habt ihr mit eurer Aktion „öffentliche Methadonabgabe“ Erfolg gehabt. Wo ist die neue Abgabestelle denn nun?
Janssen: In der Weserstraße 45. Das ist beim Bauamt, und da gibt es ein kleines Hausmeisterhäuschen.

Ist diese Lösung zufriedenstellend?
Ja, ich bin zufrieden.

Wer gibt dort das Methadon aus?
Die beiden Ärzte, die es vordem in den Räumen der Diakonie gemacht haben, machen es in der neuen Abgabestelle wieder.

Wie wird das finanziert?
Sie machen es im Auftrag und auf Ermächtigung der Kassenärztlichen Vereinigung, und sie können es mit der Krankenkasse abrechnen.

Wie kam es denn nun dazu, dass eine Stelle geschaffen wurde?
Das weiß ich selber nicht. Ich weiß nur, dass Herr Rübsamen (Leiter des Gesundheitsamtes, d. Red.) mich kurz vor Weihnachten am Telefon darüber informiert hat, dass es ab 8.1. in der Weserstraße 45 die Abgabestelle gibt, dass sie für ein halbes Jahr bestehen soll und dass danach andere Räume bereitgestellt werden. Wer das beschlossen hat, welche Wege das gegangen ist, weiß ich nicht. Das kritisiere ich daran – es wurde nicht mit den Beteiligten zusammen geplant und eingerichtet. Irgendjemand hat es so beschlossen, aber ich weiß nicht einmal, wem ich danken soll.

Dann mach’ es doch öffentlich im GEGENWIND – in der Hoffnung, dass die betreffenden Personen ihn lesen.
Ja, das tue ich. Im Namen der Drogenkranken danke ich den Personen, die jetzt die Abgabestelle ermöglicht haben, und allen, die uns während der Aktionen der letzten Monate unterstützt haben. Außerdem habe ich der Diakonie zu danken, die während meiner Praxisferien bis zum 2.1. die Ausgabe im Café Regenbogen ermöglicht hat. Ich fuhr über die Feiertage täglich dorthin, damit die Drogenkranken nicht zu mir rausfahren mussten.

Und wie läuft es in der neuen Abgabestelle?
Genau wie bis September in der Diakonie: Die Leute kommen, schlucken ihr Methadon und gehen wieder.

Wie war denn die Zeit der öffentlichen Methadonausgabe?
Es war eine harte Zeit für alle Beteiligten. An den Wochentagen wurde das Mittel ja in meiner Praxis ausgegeben, und jeden Tag zusätzlich zu den anderen Patienten um die 20 Drogenkranke zu versorgen – in meiner kleinen Praxis – ist nicht leicht gewesen für meine Mitarbeiter, die die meiste Arbeit mit ihnen hatten. Und samstags und sonntags sind wir zum Rathaus gefahren.
Es ist viel gelaufen in dieser Zeit. Es gab Radiosendungen und Zeitungsberichte über die Aktionen und den Hintergrund, und wir haben einige Unterstützung von Mitbürgern erfahren. Es wurden Leserbriefe geschrieben und Unterschriften gesammelt. Ein Mann hat uns zweimal je 10 DM gegeben. Ein Mitbürger hat möglicherweise den entscheidenden Brief nach Hannover geschrieben, der dort dann offenbar Reaktionen ausgelöst hat.

Was habt ihr mit den 20 DM gemacht?
Brötchen gekauft – es ist wichtig, das Methadon nicht auf nüchternen Magen zu nehmen.
Gut war auch das Verhalten der Stadtverwaltung. Sie hat uns keine Steine in den Weg gelegt und die Demonstrationen immer genehmigt. Einmal gab es am Rande der Methadonausgabe eine gewalttätige Auseinandersetzung, und ein Drogenabhängiger wurde verhaftet. Da kam ein Polizeibeamter später vorbei, um zu veranlassen, dass er sein Methadon im Gefängnis bekommt.

Von Drogenabhängigen hat man ja eher die Vorstellung, dass sie nichts geregelt kriegen, weil sie kaputt sind. Es ist bemerkenswert, dass sie so viel auf die Beine gestellt haben. 
Ja, sie haben kontinuierlich etwas gemacht. Sie haben Flugblätter geschrieben, Unterschriften gesammelt, die Schilder entworfen und angefertigt. Es ist toll, dass es so gelaufen ist und zum Erfolg geführt hat.

Vielen Dank für das Gespräch.

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