Arno Schreiber
Feb 012001
 

Stadt - Leben - Zukunft

Nach 16 Amtsjahren zieht Oberstadtdirektor Schreiber Bilanz

(hk) Für ein gehöriges Rauschen in Wilhelmshavens schwach belaubtem Blätterwald sorgte Arno Schreibers Buch „Stadt – Leben – Zukunft“. Dabei hat er nichts anderes getan, als seine Leistungen in den Himmel zu jubeln und die seiner Amtsvorgänger am Ist-Zustand zum Zeitpunkt seiner Amtsübernahme zu bewerten.

schreiber buchSchreiber berichtet in seinem Buch über den Weg Wilhelmshavens von „der eindimensional ausgerichteten, selbsternannten ‚Energiedrehscheibe Deutschlands’(…) mit bodenlos tiefen Haushaltslöchern“ hin zur schuldenfreien Kommune. In der Stadt herrschte eine „stadtpolitisch depressive Stimmung. (…) Schadenfroh hatten auswärtige Medien den offenbar so wahrgenommenen Niedergang Wilhelmshavens kommentiert, garniert mit Mutmaßungen über angebliches Fehlverhalten von Einzelpersonen. Zurück blieb ein ruinöses kommunalpolitisches Trümmerfeld. Wilhelmshaven war völlig an den Rand gedrängt, spielte nur noch eine Nebenrolle. (…) Viele in der Nachkriegszeit angesiedelten Betriebe mussten ihre Tore schließen. Die Anzahl der Einwohner und der Beschäftigten ging zurück. Wilhelmshavens Arbeitslosenquote stieg bis auf über 20%. (…) Gleichzeitig stieg die Verschuldung der Stadt. (…) Gesunkene Einnahmen, Haushaltsbelastungen durch die großzügigen Investitionsentscheidungen der 60er und 70er Jahre sowie die drastisch steigenden Sozialausgaben brachten den städtischen Handlungsspielraum auf ‚Null’.“
Wer Wilhelmshavens Situation so beschreibt, darf sich nicht wundern, wenn diejenigen, die Wilhelmshaven in die damalige Misere steuerten, aufschreien. Es ist schließlich das erste Mal, dass ein offizieller Vertreter der Stadt die finanzielle Misere mit der Ansiedlungspolitik unter Oberstadtdirektor Eickmeier in Zusammenhang bringt. Da liegt Schreiber mit seiner Einschätzung gar nicht so weit von der damals im Gegenwind veröffentlichten Kritik entfernt.
Mit dem Erscheinen Schreibers auf der kommunalpolitischen Bühne Wilhelmshavens wurde dann alles besser – so jedenfalls seine eigene veröffentlichte Einschätzung. „Aufrührerisch“ beschreibt er selbst seine Aktivitäten zur Rettung der Stadt. Alles, was der Stadt seit 1985 an positiven Entwicklungen widerfahren ist, stammt von Schreiber. Negative Entwicklungen haben ihre Ursachen in der Vor-Schreiber-Zeit.
Auf 229 Seiten des 344 Seiten umfassenden Buchs veröffentlicht Schreiber seine „Beiträge zur Stadtpolitik“. Dabei handelt es sich durchweg um Aufsätze, Thesenpapiere und Redemanuskripte aus den zurückliegenden 16 Jahren. Diese Dokumente stehen unkommentiert da – erst durch aufmerksames Selbststudium wird klar, was im Buch fehlt: eine kritische Herangehensweise an die eigene Politik.

Dazu einige Beispiele:

Schon 1985 beschreibt Schreiber den Rückgang der Einwohnerzahl. „Wir steuern gegen durch verstärkte Ausweisung von Wohngebieten und indem wir alles tun, um unsere Betriebe hier in dieser Stadt zu stützen.“ Mit bekanntem Erfolg: Der Einwohnerrückgang galoppiert weiter Richtung 70.000 Einwohner, es werden immer noch neue Wohn- und Gewerbegebiete ausgewiesen, nur dass inzwischen die Innenstadt verödet und ganze Wohnblocks und unzählige Gewerbe leer stehen.
Von der ebenfalls schon 1985 beschriebenen Stadtsanierung als „Zukunftsaufgabe der Stadt“ ist nicht mehr geblieben als die Nordseepassage mit entsprechendem Umfeld – nur, dass die Innenstadt an den Rändern abbröckelt und zerfällt, wird nicht mehr beschrieben. Die Nordseepassage ist Stein gewordene Stadtsanierung!
Auch die Expo-Ausführungen sind ähnlich zu bewerten. Da werden die hochfliegenden Pläne zwar noch beschrieben: „…die schwimmende Expo-Stadt mit Hotelkapazitäten auf Zeit in Kreuzfahrtschiffen, die zweistündige Expresszugverbindung zum Hauptstandort in Hannover“ usw. usf. Die Planungen werden kommentarlos ad acta gelegt und durch neue Planungen ersetzt. Selbst das finanzielle Chaos der letztendlich durchgeführten stark abgespeckten Expo wird noch als Erfolg verkauft.
Schreiber scheint kurz vor Beendigung seiner Amtszeit da angekommen zu sein, wo Eickmeier aufhörte: Er stürzt die Stadt in finanzielle Abenteuer (Expo, JadeWeserPort), ohne auch nur ein Fünkchen Bereitschaft, über die Auswirkungen nachzudenken. Viel finanziellen Spielraum hat die Stadt ja nicht mehr, nachdem alle lohnenden Beteiligungen bereits versilbert wurden.
Resümee: Das Buch „Stadt – Leben – Zukunft“ ist in erster Linie eine Hommage von Schreiber für Schreiber. Es taugt nur unvollkommen als Nachschlagewerk über die Entwicklung der Stadt in den letzten anderthalb Jahrzehnten, weil zu viele Aspekte einfach ausgeblendet sind. Es sagt allerdings sehr viel über den Menschen Schreiber aus, der es fertig bringt, in dem Buch beinahe jeden Neu- und Umbau, jede Entwicklung und jede Diskussion zu seiner eigenen Idee zu stilisieren. Das Buch hätte auch gut den Titel „I am the greatest“ tragen können.


Schreiber, Arno: Stadt – Leben – Zukunft: 16 Jahre Leben in Wilhelmshaven 1985 – 2000, Isensee-Verlag 2000, Preis: 28,00 DM

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top