Aids-Hilfe
Feb 012001
 

Neuanfang

In der Wilhelmshavener AIDS-Hilfe hat sich viel verändert

(noa) Längere Zeit war es still um die Wilhelmshavener AIDS-Hilfe e.V., und die Räumlichkeiten ihrer Beratungsstelle an der Bremer Straße sahen ziemlich dicht aus. Doch der Schein trog. Es hatte lediglich ein konzeptioneller Neuanfang stattgefunden.

Am 1. September 1999 wurde Susanne als neue Geschäftsführerin eingestellt. Ihre ersten Ziele waren, die Wilhelmshavener AIDS-Hilfe e.V. mit anderen Einrichtungen zu vernetzen und die eigenen Räumlichkeiten ansprechender zu gestalten, um Menschen in die AIDS-Hilfe zu holen, HIV-positive Menschen wie auch solche, die sich in diesem Bereich engagieren wollen. Durch Beihilfen, Möbelspenden und tatkräftige ehrenamtliche Hilfe konnten umfangreiche Renovierungsarbeiten durchgeführt werden. Das Ziel, dass die Räume einladend wirken sollten, ist erreicht, und man hofft, dass die Angebote künftig mehr genutzt werden als bisher.
Es wurden verschiedene Flyer erstellt und Präventions- und Informationsveranstaltungen sowie Infotische durchgeführt. Die in letzter Zeit größte Aktion war die Wilhelmshavener AIDS-Aktionswoche 2000 Ende November/Anfang Dezember mit Vortrag, Theater, Info-Stand, Gottesdienst, Benefiz-Party und Film.
Da war schon richtig was los, wie Susanne Ratzer betont, wenn auch die Filmvorstellungen für Schulen von weniger Klassen besucht wurden als noch 1999. Auch der Vortrag „AIDS – Eine Erkrankung… vermeidbar oder behandelbar?“, gedacht für Jugendliche, fand außer einer 18-Jährigen nur ZuhörerInnen über 40. Die öffentliche Wahrnehmung von AIDS hat sich geändert, und junge Leute interessieren sich zunächst mal weniger für das Thema als früher. Erfreulich ist angesichts dessen, dass eine Berufsschulklasse das Logo für die Aktionswoche 2001 entwerfen wird.
Die drei großen Zielgruppen der AIDS-Hilfe sind Schwule, Drogenbenutzer und heterosexuelle Menschen, und die drei Gruppen passen nicht ohne weiteres zusammen. Die Wilhelmshavener AIDS-Hilfe war vor dem Wechsel in der Geschäftsführung eher eine Anlaufstelle für (ehemalige und noch) Drogenbenutzer, so dass vermutet werden kann, dass die anderen beiden Zielgruppen deswegen wegblieben.
Hinweise auf eine vierte Zielgruppe ergeben sich aus den Zahlen über Neuinfektionen. Bundesweit infizieren sich jährlich 2000 bis 2500 Personen neu; dabei ist ein leichter Rückgang unter Schwulen und Drogenkranken zu verzeichnen, während die Neuinfektionen unter heterosexuellen jungen Frauen ansteigen. Das Thema der sexuellen Selbstbestimmung von Frauen bekommt eine neue Dimension, denn so manch eine Neuinfektion dürfte auf den Druck durch „Stell’ dich nicht so an“ zurückzuführen sein.
Etwa 100 HIV-infizierte Menschen müsste es im Einzugsbereich der Wilhelmshavener AIDS-Hilfe, der im Westen bis nach Aurich und im Norden bis zu den Inseln reicht, geben – genaue Zahlen werden aus Datenschutzgründen verweigert. Nur ca. 10% von ihnen stehen im Kontakt zur Beratungsstelle und werden regelmäßig betreut. Da ist noch viel zu tun, um das Vertrauen der Betroffenen zu gewinnen. Eine große Hemmschwelle ist besonders bei Neuinfizierten zu verzeichnen. In der Zukunft soll denen, die sich nicht in die AIDS-Hilfe trauen, aber über Internet-Möglichkeiten verfügen, eine Homepage mit Online-Beratung sowie Mailing-Listen als virtuelle Positiven- und Angehörigen-Gruppen zur Verfügung gestellt werden.
Mit dem medizinischen Fortschritt bei der Behandlung von AIDS hat sich die Situation der Kranken verändert. AIDS ist nicht mehr eine schnell zum Tode führende, sondern mittlerweile eine chronische Krankheit. Viele der infizierten Menschen leben länger. So hat eine Normalisierung stattgefunden; das Thema hat an Medienwirksamkeit verloren, und die Betroffenen können leben wie andere chronisch Kranke auch. Einerseits ist das wünschenswert: Die Zeiten, zu denen man sich von HIV-positiven Menschen angstvoll fernhielt, sind vorbei. Die Kehrseite besteht darin, dass sie eine längere Verarmung erleben müssen. Dennoch haben viele Angst, sich zu outen, und vermeiden daher den Kontakt zur AIDS-Hilfe.
Bislang hat die neue Geschäftsführerin einen „schwulen Schwerpunkt“ gesetzt. Am 2. Sonntag im Monat ab 15 Uhr veranstaltet sie das „Café Condom“, und am 2. und 4. Donnerstag im Monat ab 19 Uhr stellt sie die Räume der schwul-lesbischen Jugendgruppe „Gummibärchen“ zur Verfügung. In der nächsten Zeit will die AIDS-Hilfe ihr Augenmerk wieder mehr auf die DrogenbenutzerInnen richten. Für diesen Bereich läuft beim Arbeitsamt ein Antrag auf eine ABM-Stelle, und zur Zeit gibt es die Überlegung, donnerstags vormittags, wenn das Café Regenbogen geschlossen ist, einen offenen Treff für drogenabhängige Menschen zu ermöglichen.

Susanne Ratzer ist Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin und hat eine Weiterbildung „Führen und Leiten in AIDS-Hilfen“ absolviert. Sie arbeitet seit zehn Jahren in AIDS-Hilfen. Vor ihrer jetzigen Stelle war sie Geschäftsführerin der AIDS-Hilfe Oldenburg, wo sie jetzt noch ehrenamtlich als Vorstandmitglied tätig ist.
Frau Ratzer hat bei der Wilhelmshavener AIDS-Hilfe eine vom Land Niedersachsen finanzierte Vollzeitstelle. Diese ist zwar unbefristet, aber wenn im Landeshaushalt an den Mitteln für AIDS-Hilfen gespart wird, ist nicht nur diese Stelle, sondern auch die AIDS-Hilfe insgesamt in Gefahr.
Zeitweise arbeitete Frau Ratzer allein in der Beratungsstelle. Seit Juli 2000 ist Giesela Willig auf einer BSHG 19-Stelle mit ihr tätig.
Die beiden Frauen hoffen in nächster Zeit auf noch mehr ehrenamtliche Unterstützung. Die Wilhelmshavener AIDS-Hilfe e.V. ist ein kleiner Verein mit 18 Mitgliedern. Im Unterschied zu AIDS-Hilfen andernorts bekommt er keine städtischen Mittel. JedeR kann sich in Fragen zu HIV und AIDS, zu Safer Sex und Safer Use unter der bundeseinheitlichen Rufnummer 19411 an die AIDS-Hilfe wenden oder während der Öffnungszeiten vorbeikommen. Diese sind Montag, Dienstag und Freitag von 10 bis 14 Uhr und Mittwoch und Donnerstag von 14 bis 18 Uhr. Während der Öffnungszeiten findet telefonische und persönliche Beratung sowie Spritzentausch statt. Auf Wunsch können Gespräche auch an anderen Orten und zu anderen Zeiten vereinbart werden.

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