Tockengefallen
Marineausstellung übertrifft alle Befürchtungen
(ef/noa) Nachdem der Traum vom Museumsschiff Deutschland endgültig ausgeträumt ist, muß der Förderverein Deutsches Marine-Museum e. V. nun doch an Land bleiben.
Mit der „Absicht, den Gedanken an ein Deutsches Marine-Museum in Wilhelmshaven neu zu beleben“, zeigt der Förderverein seit dem 16. Mai bis zum 15. Juli die Ausstellung „Schiffe, Bilder, Dokumente; auf dem Wege zu einem Deutschen Marine-Museum“. „Der Besuch lohnt sich!“ behaupten Eberhard Menzel und Arno Schreiber in ihrem Grußwort auf S.1 der Broschüre zur Ausstellung.
„Bewältigen“ könnte man die Ausstellung in einem Viertelstündchen. Wenn das, was da zu sehen ist, „einen großen Teil der inzwischen gesammelten Ausstellungsstücke“ darstellt, wie der Präsident des Fördervereins, Alfons Teipel, im Geleitwort zur Broschüre schreibt, dann dürfte das Museum in einem Einfamilienhaus unterzubringen sein. Die gezeigten Schiffsnachbildungen und einige Kopien von Dokumenten und Urkunden, deren Originale in entsprechenden Museen in Rostock, Berlin oder anderswo ausliegen, brauchten, da man sich nur „auf dem Wege zu einem Deutschem Marine-Museum“ befindet, nicht diebstahlssicher in gläsernen Vitrinen, sondern nur durch durchsichtige PVC-Folien geschützt zu werden. Nicht festzustellen war, ob die teils hölzernen Schiffe en miniature in Freistunden an Bord hergestellt worden waren oder ob sie gar geschichtsträchtig der hohen Admiralität zur plastischen Darstellung ihrer Kampftaktiken bei realen und gespielten Seeschlachten gedient hatten.
Nur in einem kleinen Kabüffchen am Ende der Ausstellung war Marinetradition so richtig zu riechen. Uniformröcke der zehn deutschen Marinen, die es in den 150 Jahren deutscher Marinegeschichte gegeben hat, Mützen, Epauletten, Orden und Ehrenzeichen und einiges mehr konnten wir hier bestaunen. Doch diese Exponate gehören nicht dem Förderverein, sondern einem Mitbürger namens Hermanns, der zufällig auch anwesend war – glücklicherweise, denn so war wenigstens unser Eintrittsgeld gut angelegt.
Herr Hermanns, selbst ehemaliger Seelord und nach eigenen Worten von einer „Marinemacke“ besessen, kennt sich in der deutschen Marinegeschichte gut aus und ließ uns an seinen Kenntnissen teilhaben. Er ist Mitglied im Förderverein. Ob er es jemals zum Präsidenten dieses Clubs bringen könnte, erscheint uns angesichts seiner Vorstellungen allerdings höchst fraglich, denn da ist trotz aller Begeisterung für alles Maritime keine kritiklose Verherrlichung seemännischer „Heldentaten“ im Krieg spürbar.
Lohnt sich der Besuch denn nun wirklich? Fest steht: Es lohnt sich für die Kasse des Fördervereins. 4,– DM Eintritt, für Kinder und Gruppen wenig weniger, sind am Eingang zu berappen. Wieviel würden die dann bloß bei einem richtigen Museum nehmen?
Sicher kostet selbst eine mickrige Ausstellung Geld. Immerhin mußte man in viermonatiger Arbeit die Räume herrichten, das Ausstellungsgut herbeischaffen, Reinigungs- und Kassenpersonal bezahlen. Da mußte der Schatzmeister des Fördervereins tief in die Tasche greifen, sollte man meinen. Aber hier irrten wir! Die im Grußwort erwähnte Zusammenarbeit zwischen Förderverein und Freizeit GmbH scheint hauptsächlich in der Beschaffung des Geldes durch letztere zu bestehen. Keine müde Mark, so scheint es, hat der Verein dafür hingelegt, denn die Herrichtung wurde durch ABM-Kräfte, die zu 80 % vom Arbeitsamt, zu 20 % von der Freizeit bezahlt werden, vorgenommen.
Die Frage, in wessen Kasse die Eintrittsgelder fließen, wäre erheblich interessanter, wenn der Besuch den optimistischen Erwartungen entsprechen würde. Der Numerierung auf den Eintrittskarten zufolge hat man mit 99.999 BesucherInnen gerechnet. Nach glaubhaften Aussagen der Kassenkraft sollen es aber vom Eröffnungstag bis zu unserem Besuch (29. Mai) nur gut 350 (einschließlich Kinder und Gruppen) gewesen sein – darunter eine Gruppe von zehn Marinern unter Führung eines Kapitäns.
Die geringen Besucherzahlen dürften die eindeutige Antwort der Wilhelmshavener Bevölkerung und der Touristen sein: An einem Marine-Museum ist man nicht interessiert. Wenn nach Abschluß der Ausstellung Bilanz gezogen wird, werden die Oberen des Fördervereins jedoch eine Ausrede parat haben: Die hohen Eintrittspreise haben die Leute abgeschreckt.
Anti-Kriegsmuseum
Ein Marinemuseum, in dem Kriegsschiffe gezeigt werden, Torpedos, Waffentechnik aller Art und harmlos erscheinende Postkartengrüße der blauen Jungs von gestern, hat immer die Funktion eines Kriegsmuseums, auch wenn man etwas anderes erklärt und als Alibi das Leben der Werftarbeiter da mit reinbringt. Ein Marinemuseum hält den Ungeist von gestern wach und dient dazu, jederzeit (z.B. für UNO-Einsätze) Kriegsbereitschaft zu fördern, ob man das heute will oder nicht.
Es ist völlig verantwortungslos, um des schnöden Mammons willen so ein Museum auf den Weg zu bringen. Keinem Kommunalpolitiker, der diesem Projekt zustimmt, wird das je nachgesehen werden können, besonders nicht denen, die gerne hinter Friedenstauben hermarschieren. Haben die Planer dieses Museums denn gar keine Moral mehr, keinen Scham? Ist Geldmachen, Touristen anziehen, selbst mit so einem Projekt, das einzige was zählt?
Alle Völker haben solche Museen, höre ich oft. Das ist wohl so, die aggressiven und Kolonialmächte besonders. Aber haben wir in Deutschland nicht eine besondere Geschichte? Sind nicht von deutschen Ingenieuren, Soldaten, Zugführern, Heizern und Aufsehern fabrikmäßig systematisch 6 Millionen Juden vernichtet worden; und sind nicht ihre Knochen, Haare und Goldzähne auch noch verarbeitet worden?
Ein Volk mit einer solchen Geschichte sollte sich kein Kriegsmuseum mehr leisten, auch kein „harmloses“ Marinemuseum. Durch Stillschweigen und Flankenschutz ist die Marine des 3. Reiches genauso schuldig geworden wie die SS! –
Die einzige Verwendung für die Zeugnisse aus barbarischer Zeit sehe ich in einem Antikriegsmuseum. Nur Pazifisten und erklärte Kriegsgegner dürften es einrichten. Es wäre einmalig in Deutschland, und die Kassen würden klingeln, weil es zum Glück genug Leute gibt, die jegliche Kriegspropaganda zum Kotzen finden, weil es genug Lehrer gibt, die mit ihren Schülern anhand des Materials erarbeiten würden, warum es Kriege gibt, wer an ihnen verdient und wer den Kopf hinhalten muß.
Johann Janssen
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