Pötte und Pann’n
Neuer Erlaß ermöglicht den Einkauf in mitgebrachten Behältern
(iz) Darauf haben umweltbewußte VerbraucherInnen lange gewartet: im März 1992 hat das Niedersächsische Ministerium für Landwirtschaft um Einvernehmen mit dem Umweltministerium per Runderlaß den Weg geebnet, um durch den Einkauf in mitgebrachten Behältern den Verpackungswahn und den Irrweg des „Grünen Punktes“ zu stoppen!
Bislang mußten KundInnen meist enttäuscht den Laden mit leeren mitgebrachten Behältnissen wieder verlassen, da diese vom Personal unter Bezug auf gegenläufige Hygienevorschriften abgewiesen wurden.
Tatsächlich existieren solche meist uralten Vorschriften, die mit dem modernen Abfallrecht – mit dem Vorrang der Abfallvermeidung – nicht in Einklang zu bringen sind.
Insbesondere im heiklen Frischfleischbereich gibt es hierfür eindeutige Regelungen, während die Argumente der VerkäuferInnen z.B. an Obst- oder Käseständen sich eher auf eine rechtliche Grauzone stützten. Zum Teil ist es allerdings reine Bequemlichkeit des Personals bzw. die Verpackungslobby, die Sprechblasen wie „diese Dosen und Folien verbrennen doch rückstandsfrei in der Müllverbrennungsanlage“ produziert.
Der neue Erlaß bringt mit der Kemaussage „das Mitbringen von gespülten, optisch reinen Gefäßen ist aus lebensmittelhygienischer Sicht grundsätzlich vertretbar“ endlich eine klare Linie in die Sache. Die Präambel sagt unmißverständlich aus, dass die Aufrufe, „Verpackungsabfall dadurch zu vermeiden, daß Gefäße oder sonstige Verpackungen für Lebensmittel in die Geschäfte mitgebracht und dort direkt befüllt werden“, „von der Landesregierung als Beitrag zur Abfallvermeidung grundsätzlich unterstützt“ werden.
Allerdings muß „dem gesundheitlichen Schutz der VerbraucherInnen und Verbraucher … in jedem Fall Vorrang eingeräumt werden“ – hier fehlt wieder mal das umfassende Verständnis, das auch Kunststoffindustrie, Deponien und MVAs als gesundheitliche Bedrohung erfaßt. Das Ministerium geht jedoch davon aus, dass die „hygienischen Mindestanforderungen im Umgang mit Lebensmitteln“ „durch geeignete hygienische Maßnahmen sichergestellt werden“ können, nämlich jene, die in den neuen Regelungen genannt werden.
Wie in der alten Fleisch-Hygieneverordnung wird z. B. gefordert, daß die mitgebrachten Gefäße auf dem Thekenaufsatz verbleiben, d. h. nicht hinter die Theke (in den sogenannten Spuckbereich) gelangen. Hoffentlich wissen die Krankheitserreger auch, daß sie sich nicht in dem Luftraum über der Theke zwischen KundInnen- und Personalbereich hin- und herbewegen dürfen!
Z.B. jene, die der hustende Verkäufer um sich herumstreut und erst recht solche, die am hin- und herwandemden Geld haften …
Ärgerlich ist hierbei, daß die an den meisten Waagen vorhandene Tara-Einrichtung nicht genutzt werden kann. Damit könnte der Behälter direkt auf die Waage gestellt, diese wieder auf Null tariert und der Behälter dann gefüllt werden. Da die Waage aber in der „Tabuzone“ steht, muß weiterhin Papier oder Folie (einmalig) als Unterlage genutzt werden, um die Ware abzuwiegen und in den auf dem Thekenaufsatz verbleibenden Behälter gegeben werden.
Eine Sonderregelung besteht für die z.B. in Schlachtereien abgegebenen Fertiggerichte, da diese durcherhitzt und ständig auf 65 Grad gehalten werden müssen. Sie dürfen hinter der Theke in die mitgebrachten Gefäße eingefüllt und in einem hierfür vorbehaltenen Thekenbereich der Kundschaft ausgehändigt werden.
In diesem Zusammenhang sei eine Wilhelmshavener Fleischerei lobend erwähnt, die schon lange vor dem Erlaß täglich für ihre Mittagsgerichte geworben hat mit dem Zusatz „bitte eigene Gefäße mitbringen!“ (wobei diese von jeher in dem geforderten gesonderten Thekenbereich übergeben werden).
Das Abfüllen von Brot, Brötchen, Obst und Gemüse in mitgebrachte Stoffbeutel, Netze o.ä. „seit jeher für diesen Zweck verwendete Behältnisse“ (welch weise Einsicht!) stellt laut Erlaß überhaupt kein Problem dar.
Schließlich wird darauf hingewiesen, dass die Verkaufsflächen häufiger gereinigt werden müssen – was aus optischen, d.h. verkaufspsychologischen Gründen ohnehin fast immer der Fall gewesen ist. Auch häufigeres Händewaschen des Verkaufspersonals ist angesagt – eine Forderung, die angesichts des Umgangs mit Geldscheinen und -stücken, die schon Tausende von Händen und Hosentaschen durchwandert haben, nur zu begrüßen ist.
Der Originaltext des Erlasses ist – ohne die bereits abgehandelte Präambel – im nebenstehenden Kasten vollständig abgedruckt. Wir empfehlen, diesen Kasten auszuschneiden, gegebenenfalls mehrfach zu kopieren und weiterhin widerborstigen Verkäuferinnen oder Filialleiterinnen auszuhändigen. Im Falle eines Falles sollten Verstöße gegen den Erlaß den zuständigen Behörden gemeldet und die entsprechenden Geschäfte im weiteren boykottiert werden!
Nun dürfen wir nur noch gespannt sein, wie der Handel und die Verpackungslobby auf diesen für sie unbequemen Erlaß reagieren werden.
Ausschneiden und zum Einkauf mitnehmen!
Lebensmittel- und Bedarfsgegenständeüberwachung: Hygienefragen bei mitgebrachten Gefäßen und sonstigen Verpackungen im Einzelhandel
Runderlaß des ML v. 16.3.1992 – im Einvernehmen mit dem MU
– Präambel –
– Das Mitbringen von gespülten, optisch reinen Gefäßen ist aus lebensmittelhygienischer Sicht grundsätzlich vertretbar. Sie müssen sauber sein und aus Materialien mit glatten, leicht zu reinigenden Oberflächen bestehen (z. B. Glas, Porzellan, Steingut, Edelstahl, Email, Kunststoff). Allerdings ist darauf zu achten, dass die mitgebrachten Gefäße auf dem Thekenaufsatz verbleiben und die offene Ware mit Hilfe von Portionierungsbestecken, Meßgefäßen oder auf für die Portionierung von Lebensmitteln geeignetem Material (z.B. Pergamentpapier) abgewogen und in die Gefäße gegeben wird.
Die Befüllung mitgebrachter Gefäße bei der Abgabe von Fertiggerichten, die durcherhitzt sind und mit einer Temperatur von mindestens + 65° C abgegeben werden, kann auch hinter der Theke erfolgen, wenn für die Gefäßübergabe und -befüllung ein gesonderter, hierfür ausschließlich vorbehaltener Thekenbereich verwendet wird.
– bei Brot und Brötchen sowie leicht abwaschbaren bzw. nicht küchenfertig vorbereiteten Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft wie Obst und Gemüse bestehen keine Bedenken, wenn Netze, Stoffbeutel oder -taschen und ähnliche seit jeher für diesen Zweck verwendete Behältnisse gefüllt werden.
– Eine Abgabe von Lebensmitteln in mitgebrachte Gefäße erfordert erhöhte Anforderungen an die Sorgfalt des Verkaufspersonals, insbesondere ist eine häufigere Reinigung der Hände sowie der Verkaufsflächen vorzusehen.
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