Jubiläums-
vom 24. November 2004
aufgepickt von Imke Zwoch
„Am besten Butterbrote, Thermoskanne und Schlafsack mitnehmen“, empfahl die nette Frau Aden, als sie mir 2 Kilo Ratsunterlagen rüberwuchtete. Tatsächlich dauerte dann allein der öffentliche Teil der Sitzung fast 4 Stunden. Beim Nachgrübeln, wieviel Zeit da eigentlich so im Ratssaal verbracht wird, stießen wir auf ein Jubiläum. Unsere bis dahin eher sporadischen Meldungen aus dem Rat erschienen erstmals in der Ausgabe 156 vom November / Dezember 1999 als Rubrik: Fünf Jahre Ratssplitter!
Diesmal verlas der SPD-Ratsvorsitzende Norbert Schmidt kein Horoskop für die Geburtstagskinder im Saal, zitierte dafür aber Tolstoj: „Vergangenheit und Zukunft gibt es nicht, nur eine unendlich kleine Gegenwart, und die ist jetzt.“ Die folgenden Stunden ließen vermuten, dass das nicht alle Anwesenden verstanden hatten.
Oberbürgermeister Eberhard Menzel und Bürgermeisterin Marianne Fröhling dürfen auf Kosten der Stadt an der Hauptversammlung des Deutschen Städtetages in Berlin 2005 teilnehmen. „Die Unterbringung erfolgt im Doppelzimmer, um Kosten zu sparen“ ulkte Schmidt. Das gab Anlass zu unanständigem Geraune. Schmidt fing die Herumalbernden wieder ein. Nach drei Jahren als Ratsvorsitzender ist er jetzt sichtlich aufgetaut und kriegt den Laden mit lässiger Autorität in den Griff.
Schiebt man Reparaturen zu lange auf, werden sie immer teurer. Jährlich gibt es neuen Hickhack um baufällige Schulen. Kinder seien eine wichtige Zukunftsinvestition, beteuern dann alle, aber eigentlich können wir sie uns nicht leisten, warnen andere. Die Mehrheitsfraktion (SPD / Grüne / Ratsfrau Gerda Kümmel) wollte zumindest mal irgendwo anfangen und je 2,5 Mio Euro für die Straßen- und Schulbauunterhaltung in den kommenden Haushalt einplanen. Nach ihrer Ansicht hat sich das so genannte Contracting mit den Stadtwerken bewährt, die gewissermaßen in Vorlage treten. Für die Stadt fallen neben dem Abtrag auch Zinsen an, aber anders scheint die Finanzierung nicht möglich. Mit dem Sanierungsprogramm will man auch das örtliche Handwerk stützen.
Die CDU stimmte im Grundsatz zu, hielt aber den Zeitpunkt für falsch. Unterm Strich seien es wieder neue Schulden. Dem schloss sich auch FDP-Sprecher Michael von Teichman an. SPD-Sprecher Siegfried Neumann hielt dem entgegen, dies seien investive Schulden, keine konsumtiven. Sein Antrag wurde, zuzüglich 0,6 Mio Euro für Lernmittel an den Schulen, mehrheitlich angenommen.
Der Grundstücks- und Gebäudeservice (GGS) sieht für 2005 keine Sanierungsmittel für die Grundschule Neuende vor. Die CDU verlangte, endlich Farbe zu bekennen, ob die Schule nun erhalten oder geschlossen werden soll.
Für Sabine Gastmann (SPD) ist es „eine Entscheidung mit den Füßen“: Nicht Bauschäden, sondern sinkende Schülerzahlen gäben Anlass zu einer möglichen Schließung. Für CDU-Ratsherr Molitor ist es hingegen das „System Dr. Graul“: Sanierungsstau und veränderte Schulbezirke führen zum „Ausbluten“ bestimmter Grundschulen. Wenn es reinregnet, melden Eltern ihre Kinder lieber anderswo an.
Ratsherr Joachim Tjaden (WALLI) schlug vor, unabhängig von der schulischen Nutzung die wertvolle, auch anderweitig nutzbare historische Bausubstanz zu sichern. Wetten will ich nicht, vermuten aber schon, dass bestimmte Kreise das alte Gebäude lieber abreißen und das Riesengelände mit Eigenheimchen belegen möchten – siehe z.B. Schule Coldewei
Molitors Antrag auf zusätzliche 200.000 Euro für die Schule Neuende im GGS-Wirtschaftsplan wurde mehrheitlich abgelehnt.
Ein Antrag der Mehrheitsgruppe forderte die Verwaltung auf, ein Tourismuskonzept für den Innenhafen, Schwerpunkt Großer Hafen, zu erarbeiten. Dabei soll auch die Öffnung der ehemaligen 1. Einfahrt geprüft werden. Michael Schadewaldt (FDP) beklagte, dass zuvor der Ausschuss für Tourismus und maritime Fragen wieder mal nicht beteiligt worden war. Nach seiner Kenntnis würde die Öffnung der Einfahrt mit neuer Schleuse bis zu 25 Mio Euro verschlingen. Sein Kollege von Teichman ergänzte, die Hafenwirtschaft würde die Öffnung der Einfahrt nicht benötigen. (Was nicht von Interesse war, da es ja um eine Öffnung für Sportboote gehen soll – red.) Er hält einen weiteren Ausbau des Tourismus in diesem Hafenabschnitt für arbeitsplatzgefährdend. Schon jetzt hätten die Betriebe auf der Südseite des Innenhafens das Problem, ihre Lärmemissionen begrenzen zu müssen. Neumann entgegnete, auch Tourismus sei Wirtschaft und schaffe Arbeitsplätze. Und umgekehrt würde Hafenwirtschaft Touristen anziehen. Jedenfalls müsse was geschehen, die Museen rings um den großen Hafen litten unter Besucherschwund.
Unsere Einschätzung: Der Große Hafen und insbesondere die brachliegende Wiesbadenbrücke bieten noch Potenziale für den wassergebundenen Tourismus. Das Nebeneinander von lärmintensiver Hafenwirtschaft und Erholung auf relativ engem Raum wird aber langfristig eine Entscheidung für einen Schwerpunkt fordern. Es wäre dumm, Wilhelmshavens Schokoladenseite nicht touristisch zu nutzen. Man muss sich aber im Klaren sein, dass nach dem Wegfall des Geniusstrandes mit Campingplatz (zu Gunsten des geplanten Containerhafens) der Standortvorteil der Umlandgemeinden wächst. Die meisten Touristen wollen Badeurlaub, Museen sind nur ein Ausflugsziel bei schlechtem Wetter. Eine Steigerung der unbefriedigenden Übernachtungszahlen ist auch mit gelungenen Konzepten kaum möglich.
Der Rechtsaußen im Rat, Marcel Mintken (vormals Republikaner, jetzt Deutsche Partei) spricht dort so gut wie nie, was auch niemanden stört. Diesmal hat er gleich einen ganzen Antrag gestellt: Der Sozialpass soll wieder eingeführt werden, weil Hartz und andere kommende Regelungen „gravierend in die Sozialstruktur der Wilhelmshavener Bürgerinnen und Bürger eingreifen“. Klingt nach Gutmensch, aber Obacht, aus welcher Ecke der Antrag kommt. Der Kleinbürger Verzweiflung hat sich schon 1933 für Populisten ausgezahlt. Der Urheber entlarvte sich hier gleich selbst: „Die negativen Auswirkungen wie ein Ansteigen der Kleinkriminalität durch beispielsweise Schwarzfahren, Ladendiebstahl und Schwarzarbeit sind vorhersehbar. Es ist geradezu Pflicht des Rates, hier entgegenzuwirken und präventiv einzugreifen.“ Nicht die sozial Schwachen wollen Mintken bzw. seine Drahtzieher schützen, sondern die Gutbürgerlichen vor den Schwachen.
Im Rat blieben kritische Stimmen aus , auf Vorschlag von Gastmann verwies man (mit den Gegenstimmen der FDP) zunächst an den Sozialausschuss.
Einstimmig fiel die Entscheidung für das neue Landschaftsschutzgebiet „Hessens“. Auf dieser größten zusammenhängenden Feucht- und Nassgrünlandfläche der Stadt sind bis heute historische Nutzungsstrukturen erkennbar. Mit der Verordnung werden auch charakteristische bzw. gefährdete Wiesenvögel, Amphibien, Libellen und Pflanzen geschützt.
Frau Kümmel (Ex-Grüne, jetzt parteilos) konnte es sich nicht verkneifen, daran zu erinnern, wie schwerfällig solche Entscheidungen für die Natur im Rat ablaufen. Seit 16 Jahren bemühen sich die hiesigen Naturschutzverbände um den Erhalt der Flächen. Ähnlich zähflüssig gestaltete sich die Ausweisung des Naturschutzgebietes „Bordumer Busch“. Kümmel zitierte ihren früheren (grünen) Ratskollegen Werner Biehl: „Ökologie kann sich in Wilhelmshaven nur auf nicht vermarktbaren Flächen durchsetzen.“ Beim Bordumer Busch verhinderten Altlasten, in Hessens aufwändige Gründungsarbeiten eine gewerbliche Nutzung.
CDU-Ratsherr Witton beschönigte die eher zähneknirschend erfolgte Entscheidung pro Naturschutz als „gelungenen Spagat zwischen Ökonomie und Ökologie.“ Gähn.
FDP-Ratsherr von Teichman ließ es diesmal sehr an Höflichkeit mangeln. In jeder Investition vermutete er eine Schuldenfalle, und sein Misstrauen gegenüber Transaktionen zwischen Stadt und städtischer Holding gipfelte in der Unterstellung, der Kämmerer müsse irgendwo schwarze Kassen haben.
Der so bezichtigte Heiko Hoff erklärte: „Ich bin nicht Leiter einer schwarzen Kasse“ und forderte von Teichman auf, den Vorwurf zurückzunehmen, „dass hier rechtlich bedenkliche Dinge betrieben würden“. Die Konzentration auf die Netto-Regiebetriebe sei „nicht die reine Lehre“ (v.T.: „Aha!“), aber angesichts der Verschuldung geboten.
Ratsherr Wilfrid Adam bemerkte, säße von Teichman im Bundes- oder Landtag, wäre er längst des Plenarsaals verwiesen worden.
Im Zuge der Diskussion ums Tourismuskonzept bedauerte man, dass der Bäderverkehr von Wilhelmshaven nach Helgoland eingestellt wurde. Bernhard Rech (CDU) berichtete aus laufenden Verhandlungen mit einer Reederei und äußerte sich optimistisch, dass zukünftig zweimal täglich ein Katamaran und zusätzlich ein Bäderschiff vom Helgolandkai starten könnten. Menzel zeigte sich „erstaunt“, dass Rech hier öffentlich vermeintliche Ergebnisse berichtete, von denen er gar nichts wissen konnte. Das war stark untertrieben. Gleich nach Rechs Plaudereien verließ Menzel zunächst wutschnaubend den Saal, um nach undichten Stellen zu fahnden. Danach wusch er Rech ordentlich den Kopf und kündigte an, die Fahndung fortzusetzen.
Altengroden kriegt einen neuen Verbrauchermarkt am Dodoweg. Es gibt zwar Streit über die Auswahl des Investors und Schelte von den Marktbeschickern, dass eine Gewerbezufahrt quer durch die zukünftige Marktfläche verläuft. Aber zumindest wurde der Spiel- und Bolzplatz und damit auch ein Teil des historischen Grünzugs am Altengrodener Weg gerettet. Der Rat hob die Planung an diesem Standort auf und brachte den Bebauungsplan am Dodoweg in Gang.
Wie in GEGENWIND 203 berichtet, steht die Zukunft des Programms „Soziale Stadt“ auf dem Spiel, weil das Land für 2005 seine Zuschüsse einfriert. Wir hatten empfohlen, die Lücke städtischerseits abzudecken, um die daran gekoppelten EU-Zuschüsse zu sichern und die Maßnahmen wie geplant fortsetzen zu können. Der Rat sieht das mehrheitlich auch so und beschloss (gegen die Stimmen der FDP-Vertreter), die Schließung der Lücke und erforderliche Kredite im Haushalt zu berücksichtigen.
Die W’havener Entsorgungsbetriebe erzielten 2003 einen Gewinn von gut 1,3 Mio Euro. Von Teichman beantragte, dass 0,4 Mio davon nicht, wie geplant, der Verzinsung des Eigenkapitals dienen, sondern an die Stadtkasse fließen sollten. Obwohl sein Antrag nicht vorab schriftlich eingegangen war, plädierte Neumann für Abstimmung: „Wir sind keine Formalisten.“ Was kann er doch nett sein. Von Teichmans Antrag fand dann aber keine Mehrheit.
Zu teuer?
Die Abfuhr der grauen Tonne wird um knapp 22%, die der braunen um knapp 15% teurer. Die Gruppe Ender / Hohmann lehnte die Änderung der Gebührensatzung ab, „nachdem die Bürger schon bei den Gaspreisen abgezockt wurden“. Auch die FDP will die Bürger nicht noch weiter belasten und musste sich die Frage gefallen lassen, wie man sonst aus der von ihr stets angeprangerten Schuldenfalle herauskommen sollte. Hans Gabriels vermittelte als Vorsitzender des Entsorgungsbetriebe-Ausschusses, dass er sich mit der Materie befasst hat. Nach baldiger Schließung der hiesigen Deponie wird in WHV nur noch umgeladen, sortiert und nach Wiefels transportiert. Die Gebühren liegen immer noch unter denen im Umland, und der Bürger hat durch Wahlmöglichkeiten von Behältergrößen und Abfuhrfrequenzen die Möglichkeit zu sparen.
aber noch nicht von jedem.
(Karl Valentin)
ist eine Nachbewilligung für das Wattenmeerhaus erforderlich, um Liquidität und Betrieb zu sichern. Dieses Jahr erreicht der Nachschuss mit 87.700 Euro Rekordhöhe. Hoffentlich geht das Nationalpark-Zentrum nach dem jetzt erfolgten Umbau und mit neuem Konzept auf Erfolgskurs.
Nach der Testphase an vier Schulen wird die Fremdreinigung (Firmen statt städtische Angestellte) dort fortgesetzt. „Wir beugen uns damit dem Zeitgeist, aber stolz sind wir nicht darauf“, betonte Neumann. Von Teichman sah keinen Grund für ein schlechtes Gewissen: Die Arbeitsplätze und Einkommen blieben doch erhalten, nur eben privat und billiger als städtisch. Neumann klärte ihn auf: Es hat einen Grund, dass die Firmen billiger arbeiten – „Die Mitarbeiter werden dort schlechter bezahlt, sie stehen am Ende der Verdienstkette.“ Auch wenn die Entscheidung wider besseres Wissen für die Billiganbieter ausfiel – solche Reminiszenzen an sozialdemokratische Wurzeln würden wir gern öfter hören.
Die JadeWeserPort-Entwicklungsgesellschaft hat nach Abschluss der Erörterungstermine zum Planfeststellungsverfahren keine Aufgabe mehr und soll mit der Realisierungs-Gesellschaft verschmelzen. Deshalb verkauft die Stadt ihre Anteile an der Entwicklungsgesellschaft für 18.000 Euro an die Bremenports. Von Teichman gab zu bedenken, dass die Stadt ihr Mitspracherecht nicht aufgeben sollte. Tjaden, als Kritiker des Jadeports mit Zahlen und Fakten vertraut, klärte ihn auf, dass die Kosten für eine städtische Beteiligung an der Realisierungs-Gesellschaft nicht tragbar wären. Zustimmendes Nicken von mehreren Seiten.
Tjaden wies noch darauf hin, dass die Wortbeiträge des Erörterungstermins nach Zustimmung der Beteiligten veröffentlicht werden können. Das war zwar knapp am Thema vorbei – aber was Menzel daraufhin von sich gab, war absolut daneben. Er beschimpfte Tjaden (nicht zum ersten Mal) als „einzigen Gegner eines Zukunftsprojektes“ und warf ihm „seltsame Veröffentlichungen in einer Postleitzahl-Zeitschrift“ vor. Tjaden klärte ruhig auf: Gemeint sei wohl die Zeitung „26384“, und von ihm stammten allenfalls namentlich gekennzeichnete Beiträge.
Menzel schien dringend drauf gewartet zu haben, seinen Ärger über das Wochenblättchen mal loszuwerden. Für die wirklich bescheuerte Menzel-Karikatur, die dort vor einigen Wochen mal erschien, kann Joachim Tjaden aber nun wirklich nichts, die ist weit unter seinem Niveau.
Ehe jemand Menzel die Rote Karte wegen zusammenhanglosen Waschens schmutziger Wäsche zeigen konnte, entschwand er Richtung Weihnachtsmarkt. Terminstress ist ätzend, aber kein Grund, ausfallend zu werden.
Der Stadtelternrat beantragte, den Verlässlichen Grundschulen zu Beginn des nächsten Schuljahres und dann alle 4 Jahre jeweils 250 Euro für die Betreuungsausstattung zur Verfügung zu stellen. Dort werden die Kinder bei Unterrichtsausfall an der Schule beschäftigt, damit sie nicht unbeaufsichtigt sind. Mit 2 Enthaltungen (FDP) stimmte der Rat zu.
Einer weiteren Forderung, Mittel für die Bauunterhaltung von Schulen, war durch den entsprechenden Antrag der Mehrheitsgruppe bereits entsprochen worden. Des weiteren forderte der StER, die Kürzung des Schulbudgets um 10% (35.000 Euro) für 2004 zurückzunehmen: „Grundsätzlich werden Einsparungen im Bildungsbereich als falsches politisches Signal für die Zukunft der jungen Generation gesehen.“ Zum Teil können die Schulen nicht einmal mehr Kreide kaufen. Trotzdem wurde dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt.
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