Künstlerische Freiheit
scheint nicht mehr zeitgemäß zu sein. So erlebte es jedenfalls die Schortenser Künstlerin Elisa Kauffeld. Ende April wurde ihre Ausstellung „Gegen Krieg und Kriegsgewalt“ im Schortenser Bürgerhaus eröffnet. Nur zwei Tage später wurde ihr nahegelegt, dass vier der Ausstellungstafeln „Anstoß erregten“ und entfernt werden sollten.
Es handelte sich um Tafeln über die NATO, die Bundeswehrreform und damit verbundene Kosten sowie Frauen in der Bundeswehr. Frau Kauffeld wollte sich ihre Arbeit nicht zerreißen lassen und bot an, die betreffenden Tafeln zu überarbeiten. Unter anderem ersetzte sie das bekannte Tucholsky-Zitat „Soldaten sind Mörder“ (das nach anderweitigen Auseinandersetzungen 1995 übrigens vom Bundesverfassungsgericht als Zitat abgesegnet worden war, also offiziell als künstlerischer Ausdruck Gebrauch finden darf) durch das Wortspiel „all the arms we need“.Wesentlich war für Frau Kauffeld, dass sie auf Grund der Kritik selbst handeln wollte, statt Dritte über ihr Werk richten zu lassen. Dennoch wurde kurz darauf im Schortenser Verwaltungsausschuss über die Ausstellung verhandelt, ohne die Urheberin dazu anzuhören.Vor der Sitzung hatte Frau Kauffeld Peter Torkler gebeten, mitzuteilen, dass sie die Ausstellung zwecks Überarbeitung zurückziehe. Doch ist Torkler nicht mehr Vorsitzender einer ehemals fortschrittlichen rotgrünen Mehrheitsfraktion – federführend ist jetzt CDU-Bürgermeister Herbert Lahl. Die Zeichen stehen anders.Die 87jährige Elisa Kauffeld hat zwei Weltkriege und die Nazis miterlebt. Auf dieser Lebenserfahrung und Weisheit basiert ihre Ausstellung, was sie dort eingangs auch dokumentiert hat. Geistig wie körperlich ist Frau Kauffeld heute – und hoffentlich noch lange – taufrisch. Sie ist eine Zeitzeugin par excellence, wie unsere Republik und vor allem die jüngere Generation sie einfach braucht, um den aufrechten Gang nicht zu verlernen. Eine Frau, auf die die Region stolz sein könnte und müsste. Und nun meinen ein paar Leute, die zu Hitlers Zeiten noch in die Windeln gesch… haben oder noch gar nicht geplant waren, ausgerechnet diese Frau bevormunden zu müssen?! Weil Schortens Bundeswehrstandort ist? Nirgends, so hat Frau Kauffeld versucht, Herrn Lahl zu erklären, hat sie die Soldaten des Schortenser Standortes als „Rechtsbrecher“ bezeichnet und nirgends Menschen der Gemeinde Schortens kritisiert, so dass sie vor ihr „geschützt“ werden müssten.Politische Kunst soll das Denken in Bewegung setzen. Frau Kauffelds Ausstellung hat trotz bzw. gerade wegen der erfolgten Zensur „Anstoß erregt“, wie verschiedene Leserbriefe im „Jeverschen Wochenblatt“ belegen: „Es kann … nicht genug Leute wie Frau Kauffeld geben, die nicht schweigen, sondern den Mund aufmachen … Über das Verhalten der gewählten Politiker, welche diese Ausstellung verhindert haben, sollte man nicht länger diskutieren … sondern ihnen bei der in Kürze anstehenden Wahl eine Abmahnung erteilen….“ (Peter Moneke, Kriegsjahrgang 1939, Schortens) „Auch gehört nicht viel Mut dazu, eine alte Frau, die eher das Verdienstkreuz wegen ihres Dauereinsatzes für den Frieden verdient hätte, auf diese Art zum Schweigen zu bringen … Schade, dass die Verantwortlichen in Schortens diese Chance versäumt haben, ihre demokratische Legitimierung auch im Umgang mit Meinungsfreiheit zu zeigen. “ (Gerhard Küsel, Pastor, Schortens) „Es wäre ein unschätzbarer Gewinn für unsere durchmanipulierte Gesellschaft, wenn noch mehr Menschen sich getrauten, so tapfer und ausdauernd gegen die verdeckt gelenkten Zeitströme zu schwimmen wie Frau Kauffeld. … Herr Burlager (Redakteur Jeversches Wochenblatt – Anm. d. Red.) meint, Frau Kauffeld sei ‚nicht immer friedlich’ und ‚scheut sich nicht, die scharfe Waffe des Wortes zu benutzen’. Was heißt hier ‚friedlich’? Ruhe ist die erste Bürgerpflicht? Und wie und womit darf Frau Kauffeld denn den Krieg als den mörderischen Wahnsinn entlarven, der er ist? Mit artigen Bittbriefen an Politiker, Wirtschaftskapitäne, Medienlenker, Großkapitalisten? Mit Kaffeekränzchen, frommen Gedichten im Jeverschen Wochenblatt und Kniefällen ‚in einer Bundeswehrgarnison’ wie Jever?“ (Erika Eilers, Hohenkirchen)
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. (iz)
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