JadeWeserPort
Apr 302002
 

Scoping und mehr

Zu kurz gedacht?

Ergebnisse des Scoping-Termins für den JadeWeserPort

(iz) Etwa 150 Vertreter von 90 Institutionen diskutierten am 16. April fast acht Stunden lang im Gorch-Fock-Haus den Untersuchungsrahmen für die Umweltverträglichkeitsstudie zum geplanten Tiefwasserhafen östlich des Voslapper Grodens. In konstruktiver Atmosphäre wurde erörtert, ob die Planer ihre bisherigen Aufgaben ordentlich erledigt haben.

Eingeladen hatte die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest (WSD/Aurich) als zuständige Behörde für das folgende Planfeststellungsverfahren. Zweite Planfeststellungsbehörde ist das Oberbergamt in Clausthal-Zellerfeld, da auf einer Fläche von über 10 Hektar eine Tiefensandentnahme vorgesehen ist. Träger der Planung ist das Land Niedersachsen, das die damit verbundenen Aufgaben an die JadeWeserPort-Entwicklungsgesellschaft (JWP-EG) delegiert hat. Die JWP-EG wird auch Antragsteller für die Planfeststellung sein.
Moderiert wurde die Diskussion von Frank Hellenbrecht (WSD). Auf dem Podium saßen weitere Vertreter der WSD sowie des Bergamtes, der JWP-EG und der von dieser beauftragten Unternehmensberatung und der beteiligten Planungsinstitute. Claus Wülfers, Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft, wirkte etwas blass und überfordert, während sein Prokurist Berend Snippe Optimismus versprühte. Auch Unternehmensberater Bechtle sprang häufig routiniert als Co-Moderator für die Behördenvertreter in die Bresche.

Veranstalter: Zufrieden

In einem Pressegespräch freuten sich Hellenbrecht, Snippe und Carmen Schwabl (Bergamt) über die ruhige, sachliche Atmosphäre der Diskussion. Sie bedankten sich bei den Trägern öffentlicher Belange (TÖB) und zeigten sich beeindruckt von deren Kompetenz.

Teilnehmer: Weniger zufrieden

Die Stimmung wurde auch von eingeladenen Verbänden und Institutionen als positiv empfunden. In dieser förmlichen Zusammenkunft unterblieben polemische Anfeindungen seitens der Hafenbefürworter, wie sie Kritiker des Großprojekts in anderen Veranstaltungen ertragen mussten. Hier wurden die Kritiker ernst genommen. Inhaltlich äußerten sie zahlreiche Anregungen und Bedenken, die wir aus Platzgründen nicht vollständig wiedergeben können. Das ausführliche Ergebnisprotokoll geht allen Teilnehmern zu und wird dann voraussichtlich im Internet nachzulesen sein.

Salamitaktik?

Ein wesentlicher Kritikpunkt zog sich durch die gesamte Diskussion: Die Untersuchung beschränkt sich auf den ersten Bauabschnitt zwischen Geniusbank und Raffinerieanleger. Formal – nach Verwaltungsverfahrensrecht, auf das sich die Veranstalter immer wieder beriefen – ist das stimmig, denn aktuell soll nur für diesen Abschnitt die Planfeststellung beantragt und die Umweltverträglichkeitsstudie durchgeführt werden. Jedoch: „Die Erweiterbarkeit des Containerhafens über die 1. Ausbaustufe hinaus war ausschlaggebender Punkt bei der Entscheidung (der Länder Niedersachsen, Hamburg und Bremen – red) für den Standort Wilhelmshaven. Diese Erweiterbarkeit findet sich in den Planungsunterlagen nicht wieder. Die maximale Hafenlinie von ca. 10 km Länge wird vom Hooksieler Hafen im Norden und von der 4. Einfahrt im Süden begrenzt. Im vorliegenden Dokument wird ausschließlich ein Hafen mit einer 1700 m langen Kajenlänge betrachtet“, so die Bürgerinitiative gegen den JadeWeserPort in ihrer Stellungnahme. Fazit: „Der vorgestellte Hafenentwurf widerspricht der gemeinsamen Erklärung der deutschen Länderchefs.“ Gravierender als dieser Vertragsverstoß sind jedoch die Auswirkungen auf die Umweltverträglichkeitsstudie. Die Umweltauswirkungen werden jetzt nur für den ersten Bauabschnitt bewertet und mögen für manche Schutzgüter und -bereiche noch nicht erheblich sein. Mit jedem weiteren Bauabschnitt summieren sich jedoch die Eingriffe zu einer Gesamt-Beeinträchtigung, die bei dieser scheibchenweisen Bewertung nicht absehbar ist.

Raumordnungsverfahren oder nicht?

Des weiteren forderten nicht nur Vertreter der Umweltverbände ein Raumordnungsverfahren (ROV), das dem Planfeststellungsverfahren (PFV) vorausgehen müsste. Die Planer möchten die Raumverträglichkeit lieber im PFV abarbeiten, um den Zeitraum bis zur Realisierung abzukürzen. Kritiker mutmaßten, dass die Planung auch deshalb in verschiedene Scheibchen zerhackt wird, die jeweils nur einen Teil der Region betreffen. Erst das Gesamtprojekt wirkt sich auf mehrere Landkreise zwischen Wittmund und Cuxhaven aus, was für ein Raumordnungsverfahren spräche.

Leidvolle Erfahrungen

Vertreter aus angrenzenden Landkreisen, wie der Butjadinger Bürgermeister Rolf Blumenberg, berichteten von “leidvollen Erfahrungen”, wenn nicht die Summe der Umweltauswirkungen eines Projektes von vornherein berücksichtigt wird: An der Küste der Wesermarsch verschlicken die Häfen, weil verschiedene Eingriffe in die Strömungsverhältnisse des Weserästuars nicht umfassend bewertet wurden. Für die Gemeinde Wangerland beklagte Dietrich Gabbey seit Aufspülung des Voslapper Grodens 50 m Strandverluste; die Gutachter-Prognosen aus den 70er Jahren haben sich als falsch erwiesen. Sein Bürgermeister Martin Gramberger wurde drastischer: Wenn der Untersuchungsrahmen an der Wilhelmshavener Stadtgrenze endete, sei das die Planung eines “JadeWeserPort auf dem Mond“, und wenn nicht alle betrachteten Schutzgüter über die Stadtgrenze hinaus betrachtet würden, werde sich die Gemeinde Wangerland “rechtlichen Schutz suchen“.
Vertreter der Stadt Varel und der Gemeinde Jade vermissten die Untersuchung der zusätzlichen Verkehrsströme auf Schienen bzw. Straßen (prognostizierte 880 LKW täglich) in ihrem Gemeindegebiet. Schall-, Licht- und Luftbelastung sollen nach den vorgelegten Karten nur für den direkten Umkreis der Hafenfläche bis maximal Voslapp erfasst werden.
Besonders deutlich wurde die für viele Anwesende fragwürdige, subjektive Festsetzung des Untersuchungsgebietes am Beispiel Lichtimmissionen. Hier wird auf der Karte vom Deich aus ein Halbkreis auf die Jade hinaus gezogen, binnenseits sind jedoch nur der Voslapper Groden und die Siedlung Voslapp abgedeckt. Beim geplanten 3-Schichten-Betrieb wird das Gelände rund um die Uhr beleuchtet sein. Ein Teilnehmer fragte, ob man Scheinwerfer konstruieren wolle, die nur in eine Richtung strahlen können. Würde man nach Westen einen Halbkreis im gleichen Radius legen, wären mindestens auch Sengwarden, Fedderwardergroden und Rüstersiel betroffen.
Unlogisch erschien es den geladenen Fachleuten auch, dass nur die Auswirkungen auf die Fischereiwirtschaft (die u.a. durch mehrere Anwälte eine starke Lobby hat) für den gesamten Jadebusen untersucht werden sollen. Die Untersuchungen von Pflanzen und Biotopen, Fischen und Bodenlebewesen, Rast- und Gastvögeln sollen hingegen auf Flächen im unmittelbaren Umfeld des Containerterminals beschränkt bleiben.
Der angrenzende Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer ist bei der EU als besonderes Schutzgebiet registriert (Vogelschutzgebiet sowie Schutzgebiet nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtline – FFH). Nach Bundesnaturschutzgesetz muss deshalb für die vom Vorhaben betroffenen Bereiche eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden.
Abschließend wurde den Teilnehmern eine Nachäußerungsfrist bis zum 30. April eingeräumt. Diese Frist ist jedoch nicht rechtsverbindlich (s. Kasten) für die Einwender, die auch im späteren Planfeststellungsverfahren noch Anregungen und Bedenken zum Untersuchungsrahmen äußern können.

Kommentar:

Schulterschluss ade?
Das Scoping zum Jadeweserport verlief atmosphärisch überwiegend ruhig, inhaltlich bot es bereits einen Vorgeschmack auf lange und konträre Auseinandersetzungen im Planfeststellungsverfahren. Die Kritik der Umweltverbände stand zu erwarten; der Missmut der kommunalen Nachbarn passte jedoch weniger ins Konzept.
Seit Beginn der öffentlichen Kampagne wurde mit den wirtschaftlichen und sozialen Wohlfahrtswirkungen für die ganze Region geworben. Um Akzeptanz zu erreichen, wurde stets mit einer Kaje von der Geniusbank bis nach Hooksiel argumentiert, deren Betriebsamkeit weit ins Hinterland ausstrahlen soll. Wilhelmshavens Nachbarn – Landkreise und Gemeinden – sollten und wollten ihr Stück vom großen Kuchen abhaben und teilten die Begeisterung.
Jetzt wurde ihnen deutlich, dass sie bei den unbequemen Seiten des Projekts auch nur unbequeme Anhängsel sind. Auf den Karten zum Untersuchungsrahmen für umweltbezogene Auswirkungen – die auch das Schutzgut Mensch einschließen – sind die Hoheitsgebiete der Anliegergemeinden quasi weiße Flecken. Zusätzliche Belastungen z. B. durch Verkehr, Lärm und Licht sind Beeinträchtigen des sozialen und – für die Tourismusgemeinden – auch des wirtschaftlichen Lebensraumes, was der Wilhelmshavener Hafenlobby zumindest in diesem ersten Bauabschnitt scheinbar egal ist. Dass die Nachbarn darüber sauer sind und den Schulterschluss lockern, ist nicht verwunderlich.

Was ist „Scoping“?
Der Bau eines Containerhafens bedarf einer verwaltungsbehördlichen Zulassung (Planfeststellungsverfahren) und muss deshalb nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) einer solchen Prüfung unterzogen werden. Der Vorhabensträger muss der Genehmigungsbehörde dazu Unterlagen beibringen, die den Untersuchungsrahmen festlegen. Wenn der Vorhabensträger die Genehmigungsbehörde darum ersucht oder diese es für erforderlich hält, unterrichtet die Behörde den Träger frühzeitig über den voraussichtlichen Inhalt und Umfang dieser Unterlagen.
Das Scoping (scope = Bereich, sinngemäß: Eingrenzung) ist ein Erörterungstermin, bei dem Vorhabensträger und Behörden den Gegenstand, Umfang und Methoden der UVP besprechen und dazu auch Sachverständige und Dritte einbeziehen können, wie hier andere Behörden und Träger öffentlicher Belange (TÖB).
Eine Entscheidung über den voraussichtlichen Untersuchungsumfang der UVP erfolgt nicht im Scoping-Termin selbst. Die Erörterung hat sich auf Umweltauswirkungen und den dadurch bedingten Untersuchungsrahmen zu beschränken; sie dient weder der vorzeitigen Behandlung der Einwendungen Betroffener noch der Abklärung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens.
Der Scoping-Termin besitzt im Unterschied zum Anhörungs- bzw. Planfeststellungsverfahren keine rechtsschutzgewährende bzw. -wahrende Funktion, sondern dient allein der umfassenden Information der Behörden. Nach Abschluss dieser Sondierung kann der Antragsteller einer Anlagenerlaubnis verlässliche Aussagen darüber treffen, welche Bedeutung und Schwierigkeitsgrad seinem Vorhaben beigemessen wird.
Die TÖB, z. B. Naturschutzverbände, leisten insofern im Scoping dem Vorhabenträger bzw. der Genehmigungsbehörde Hilfestellung. Für die TÖB ist das Scoping jedoch hinsichtlich Inhalten oder Fristen nicht rechtsverbindlich, d. h. sie können im späteren Planfeststellungsverfahren ihre Einwendungen auch hinsichtlich des Untersuchungsrahmens erweitern.

Bürgerinitiative gegen den JadeWeserPort:
Scopingunterlagen mit heißer Nadel gestrickt


Die Bürgerinitiative bedauert, dass aufgrund der vorgelegten Unterlagen eine konstruktive Mitarbeit am Scopingtermin zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich ist. Es macht keinen Sinn, auf der Basis von veralteten, fehlerhaften und unvollständigen Unterlagen in eine inhaltliche Erörterung einzutreten.
Die BI geht davon aus, dass erst zum gesetzlich vorgeschriebenen „Öffentlichen Erörterungstermin“, vor dem Planfeststellungsverfahren, alle relevanten Unterlagen vorliegen werden.
Sie ist aber auch enttäuscht, dass nicht allen direkt Betroffenen die Möglichkeit gegeben wurde, ihre Bedenken vorzutragen.
Vor dem Hintergrund der Vereinbarung der Regierungschefs der Länder Hamburg, Bremen und Niedersachsen stellt sich sowieso die Frage, was soll ein neuer Containerhafen, wenn durch die geplante Elb- und Weservertiefung auch größere Containerschiffe der Zukunft ökonomisch ausgelastet Hamburg und Bremen anlaufen können.
Der vollständige Text unserer Einwendungen ist im Internet unter http://www.antiport.de einzusehen.

Kommentar:

Glossiert
Absicht oder Panne rätselt der Chefredakteur der Wilhelmshavener Zeitung Jürgen Westerhoff am 25. April über das Verhalten des niedersächsischen Innenministers Heiner Bartling unter der 6-spaltigen (!) Überschrift „Warum das Dessert plötzlich nicht munden wollte“. Dieser hatte in seinem Vortrag auf dem Hannover-Treffen der Strukturkonferenz Ost-Friesland auch über Küsten- und Hafenentwicklung gesprochen und dabei den Zorn des Chefredakteurs erregt: „Wer allerdings geglaubt hatte, es gebe vielleicht auch eine Stellungnahme zum zentralen Zukunftsprojekt JadeWeserPort, erlebte eine Enttäuschung. Die Worte Tiefwasserhafen und Wilhelmshaven kamen nicht über seine Lippen. Lag es daran, dass einigen Gästen aus Wilhelmshaven die Rote Grütze zum Dessert nicht richtig munden wollte? – Es blieb ein fader Nachgeschmack und die Frage, ob’s eine Panne oder vielleicht Absicht war.“
Dabei war der Minister erst kurz zuvor in Wilhelmshaven gewesen und hatte der WZ den Aufmacher am 11.04.02 auf Seite 1 geliefert: JadeWeserPort hat als Landesthema hohe Priorität.
Wird das beliebte WZ-Fach JadeWeserPort-Astrologie, das sich einzig um die Endlosgeschichte ‘Hamburg: ‚Dabei/nicht dabei‘ dreht, jetzt um die Frage ‚Hannover: Foul oder Fair‘ erweitert?
Nun weiß Minister Bartling- wie jeder Prominente, der die Jadestadt besucht – dass er für den obligatorischen Pressetermin auf seinem Waschzettel unter ‘Sonstiges‘ auch ein positives Statement zum JadeWeserPort vermerken muss. Heiner Bartling hat damit die Chance vertan, auch am 25. April den Aufmacher für die WZ liefern – wie es übrigens jeder Vorsitzende eines Kaninchenzüchter- oder sonstigen Vereins auf die Seite 1 der WZ schafft, wenn er sich nur für den JadeWeserPort ausspricht.
Denn solche Promi-Äußerungen sind die Hauptwaffe der WZ im Meinungskampf um den JadeWeserPort. Und die Moral von der Geschicht? Wer an seine Aufmacher zum JadeWeserPort selber glaubt, schmort bald im eigenen Saft. Deshalb nie vergessen: Die Aufmacher sind lediglich den Prominenten aus dem Mund gesogen. (Ma/hk)

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