Ausgewogene Strukturen
Was läuft in Sachen ‘Soziale Stadt‘? Ein Gespräch mit dem Quartiersmanager Thorsten Stahlhut
(hk) Sein Büro ist irgendwo im letzten Winkel des Gebäudes der Wohnungsbaugesellschaft Jade in der Lessingstraße zu finden, und es macht nicht gerade den Eindruck, als ob hier jemand sitzt, der maßgeblich mit dafür sorgen muss, dass in den nächsten 5 Jahren ca. 6 Millionen Euro an die richtige Adresse gelangen. Nicht einmal über einen eigenen Fax-Anschluss, geschweige denn über eine E-Mail-Adresse kann der Quartiersmanager für die westliche Südstadt verfügen. Das wird sich ändern, so Thorsten Stahlhut zum Gegenwind, wenn erst einmal das Stadtteilbüro fertig ist.
Zur Person:
Thorsten Stahlhut (35 Jahre), gebürtiger Wilhelmshavener, schloss sein Studium (Geografie und politische Wissenschaften mit dem Schwerpunkt Stadtentwicklung) als Magister Artium ab. Seine Magisterarbeit schrieb er über Wilhelmshaven – Öffentliches Image und Stadtwahrnehmung der Bevölkerung. Seit Januar 2002 ist Thorsten Stahlhut im Rahmen des Förderprogramms „Soziale Stadt“ als Quartiersmanager für die westliche Südstadt tätig und beim Sanierungsträger, der Wohnungsbaugesellschaft Jade, angestellt.
Gegenwind: Wie sind sie auf die Idee gekommen, sich als Quartiersmanager zu bewerben?
Thorsten Stahlhut: Die Funktion des Quartiersmanagers ist mir schon bei der Stellensuche 1999/2000 aufgefallen. In der “Zeit“ hatte ich einen Artikel “Quartiersmanager – neues Berufsbild“ gelesen, und so bin ich in Kontakt mit diesem Beruf gekommen. Als in Wilhelmshaven dann die westliche Südstadt in das Förderprogramm aufgenommen wurde, habe ich auf die Stellenausschreibung gewartet und mich im August letzten Jahres beworben.
Sie wollten also ganz bewusst diesen Job haben?
Das war schon bewusst und nicht etwa eine Notlösung.
Sie sind Angestellter der Wohnungsbaugesellschaft Jade?
Ich bin jetzt bei der Jade angestellt. Die Jade ist ja für die Stadt als Sanierungsträger tätig.
Ist das üblich, dass der Quartiersmanager beim Sanierungsträger angestellt ist? Wäre da nicht eine gewisse Ferne angesagt?
Ich arbeite inhaltlich autark, das ist mir zugesichert worden.
Und da gibt es keine Interessenkonflikte? Ich kann mir vorstellen, dass die WoBau im Sanierungsgebiet andere Interessen verfolgt als die inhaltliche Realisierung des Soziale-Stadt-Gedankens.
Das sehe ich nicht so, zumal die Jade ja im Sanierungsgebiet keine Bestände hat, die da zum Interessenkonflikt führen könnten. Wenn F’groden zum Sanierungsgebiet geworden wäre, dann könnte es da durchaus zu Konflikten kommen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Jade dort auch Sanierungsträger geworden wäre.
Vor einem halben Jahr haben wir mit dem Stadtplanungsamt gesprochen. Ich zitiere deren Einschätzung der Qualifikation des Quartiersmanagers: Er muss in allen Bereichen fit sein: Finanzen, Verwaltung, soziale Kompetenz, organisatorisches Geschick, Koordination der unterschiedlichsten Interessengruppen oder auf den Punkt gebracht eine eierlegende Wollmilchsau. (Gegenwind 174) Sind sie das?
Dieser Begriff ist ja inzwischen gängig und wurde im Zusammenhang mit meiner Stellung auch schon häufiger benutzt. Ja, das ist so. Man muss ein guter Generalist sein. Es gibt sicherlich niemanden, der in allen Bereichen alles weiß. Aber der Quartiersmanager muss einen guten Gesamtüberblick über die ganzen Bereiche haben, die Sie eben genannt haben. Überblick haben und auch schnell etwas einschätzen können.
Bei aller Kompetenz – sind Sie auch auf die im Stadtteil aktiven Interessengruppen angewiesen?
Keine Frage. Das Quartiersmanagement, das ist ja nicht nur der Quartiersmanager alleine – da gehört ja auch noch der Stadtteilbeirat zu – das sind ja auch noch mal 35 Personen aus allen gesellschaftlichen Bereichen.
Wie läuft das denn da im Beirat ab – ziehen da alle an einem Strang, oder versucht jede Gruppe, ihre eigenen Interessen durchzusetzen?
Im Moment ist es so, dass man sehr viel Elan hat, und von einem Gegeneinander habe ich da noch nichts bemerkt.
Sind sie schon einmal an die Bürger herangetreten? Wurden schon mal Informationen für die Bewohner verteilt?
Wir sind ja noch in der Startphase. Ich habe ja erst im Januar angefangen – und seit diesem Zeitpunkt läuft das Projekt auch erst. In der Zeit habe ich sehr viele Kontakte geknüpft, mich überall vorgestellt und ich musste mich ja auch noch in die Thematik einarbeiten.
Ein Großteil der BürgerInnen im Sanierungsgebiet ist nicht in irgendwelchen Vereinen aktiv – man schottet sich da gern etwas ab. Wie kommen Sie an diese Leute heran – damit die überhaupt wissen, dass da etwas auf sie zukommt. Der Absatz in einem Artikel der WZ, ich zitiere: „Die Einwohner sind ausdrücklich zur Mitarbeit aufgefordert, schließlich ist die Beteiligung der Bürger Bestandteil des Programms ‘Soziale Stadt‘. … Zur Zeit sei er im Hauptverwaltungsgebäude der Wohnungsbaugesellschaft Jade in der Lessingstraße erreichbar“, reicht sicher nicht aus, um die Bürger zur Mitarbeit zu gewinnen.
Konkret ist von mir geplant, dass ich eine Bewohnerbefragung durchführen werde – es sind schon einige Aktivitäten geplant – ich bitte da um Nachsicht, wenn ich die nicht näher ausführe – da ist alles noch in der Schwebe – um an die Bürger heranzukommen. Da sind Aktionen wie „Ihre Meinung ist uns wichtig“, weitere Pressearbeit und auch direkt projektorientiert die Einbeziehung der betroffenen Bürger. Da wird sich im Stadtteilbeirat sicher noch das ein oder andere ergeben.
Bald werden Sie sicherlich umziehen – in den Pavillon der AWO in der Blumenstraße.
Darüber muss der Rat der Stadt noch entscheiden.
Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass der AWO-Pavillon ihr Domizil als Quartiersmanager wird, und der AWO-Pavillon liegt bekannterweise ja nicht im Sanierungsgebiet. Ist das ein Problem?
Zunächst einmal: Der AWO-Pavillon liegt nicht weit außerhalb des Sanierungsgebietes. Es wurden ja auch Alternativen geprüft.
Leerstand gibt es doch genug im Sanierungsgebiet…
… ja gut. Aber so ein Stadtteilbüro muss auch einige Voraussetzungen erfüllen – da müssen der Stadtteilbeirat und die Arbeitsgruppen tagen können. Baurechtlich muss gewährleistet sein, dass da Toiletten nach Ge-schlechtern getrennt vorhanden sind, dass Stellplätze für Autos vorhanden sind usw. Und da sieht es in der westlichen Südstadt schon problematisch aus. Man kann da nicht einfach nur eine Wohnung anmieten. Insofern ist die Blumenstraße momentan die beste Möglichkeit.
Welche Probleme werden Sie als erstes angehen? Wo brennt’s am meisten?
Es hat ja die vorbereitende Untersuchung gegeben. (Gegenwind 167) Dort sind einige Sanierungsziele benannt worden. Wir müssen zusammen mit dem Beirat diskutieren, wo wir konkret anfangen.
Es gibt bis jetzt noch keine Projekte, die schon unter Federführung des Programms „Soziale Stadt“ laufen?
Es gibt vom BKA ein Projekt, das befasst sich mit der Kfz-Pflege, und zum anderen ein Projekt, das sich mit dem Internet-Handel befasst – die tragen schon den Stempel der Sozialen Stadt. Es gibt noch weitere konkrete Projekte – aber da sind wir noch in der Prüfungsphase.
Was sind denn nun die Hauptprobleme in dem Gebiet?
Also, was als Sanierungsziele in der Untersuchung genannt wurde, war zum einen die Verbesserung des Wohnungsbestands und des Wohnumfeldes…
…kann ich jetzt als bspw. Besitzer eines Mietshauses zu Ihnen kommen und sagen, dass ich mein Haus sanieren möchte, und dann bekomme ich Geld dafür?
Ganz so einfach geht’s nicht.
Werden überhaupt Einzelmaßnahmen gefördert?
Es soll nicht das Gießkannenprinzip angewandt werden, sondern es sollen Schwerpunkte gebildet werden. Die Schwerpunkte werden zusammen mit dem Stadtteilbeirat erarbeitet….
Also Förderung zusammenhängender Bereiche – z.B. die Admiral-Klatt-Straße mit ihren Industriebrachen, dem Schlachthof usw.
Wichtig ist ja auch, dass die Bewohner des Stadtteils hinterher sehen, das da etwas geschieht. Wohnumfeldverbesserung, das kann z.B. die Gestaltung des öffentlichen Raumes sein, aber auch die Entkernung von Blöcken, also Gestaltung von Hinterhöfen.
In einem Artikel der WHV&FRI-Aktuell vom 9. März war etwas zu Ihrer Einschätzung der Arbeit zu lesen. Ich zitiere: „Es gibt dort ein sehr vielfältiges, und somit auch für unterschiedliche Gruppen attraktives Wohnungsangebot. Ein weiterer Pluspunkt für diesen Stadtteil ist seine zentrale Lage. Innerhalb kürzester Zeit komme man sowohl in die Innenstadt als auch zum Wasser.“ Das klingt so, als würden Sie den Charakter des Gebietes verändern wollen – Schickeria rein. Dabei geht es doch darum, innerhalb der bestehenden Konfliktfelder Lösungen zu finden und nicht durch solche Maßnahmen den Miet- und Grundstückspreis nach oben zu bringen.
Ziel der sozialen Stadt ist es sicherlich nicht, eine ‚Schickeria‘ in die Südstadt zu ziehen. Ziel ist es, dort zu einer gewissen Durchmischung zu kommen, so dass man ausgewogene soziale Strukturen bekommt.
Wenn ich das Wort Sanierung höre, dann heißt das für mich, dass dann die Mieten steigen, die Grundstückspreise klettern, und dass die BürgerInnen, für die die Sanierung gemacht werden soll, dabei hinten runter fallen.
Das soll nicht der Fall sein. Ich möchte keine Sanierung á la Docklands in London oder wie in Berlin-Kreuzberg machen, wo von den alten Strukturen nichts mehr vorzufinden ist. Da werde ich gegensteuern. Man muss ’selbsttragende Strukturen‘ schaffen, ein soziales Leben in Gang bringen, Nachbarschaften aktivieren – die im Stadtteil vorhandenen Potenziale aktivieren!
Spielt in diesen Überlegungen das Stadtteilhaus eine Rolle?
Was mit dem Stadtteilhaus ist, das muss im Beirat noch erörtert werden. Der Beirat wird am 6. Juni wieder tagen. Dort wird natürlich auch die Frage Stadtteilhaus Ja oder Nein erörtert werden. Ich bin da auch so ein bisschen das ausführende Organ des Stadtteilbeirates, ich will hier nicht der große Entscheider sein. Ich werde den Stadtteilbeirat bei allen Sachen mit einbeziehen.
Aber Sie haben den Job ja auch, um Fachwissen reinzubringen. Es geht ja nicht einfach um eine Sanierung – es geht ja um das Konzept „Soziale Stadt“. Und es müsste doch ihre Aufgabe sein, hier zu den Sanierungswünschen die soziale Komponente hinzuzufügen.
Das ist richtig, dafür bin ich angestellt worden. Aber die Entscheidungen fallen in einem relativ offenen Prozess. Ich habe natürlich schon meine Vorstellungen, nur wenn ich vorpresche und sage: Das und das und das ist notwendig, dann würde ich andere Leute übergehen, und das passt nicht in das Konzept der Sozialen Stadt.
Wird es denn eine brauchbare Planungsgrundlage für den Bereich geben – wo jeder Bürger sehen kann, was in seinem Stadtteil passiert? Oder wird das Ganze ein Gewurschtel, in dem man das Konzept nicht mehr erkennt?
Nein. Das soll’s nicht sein. Grundlage ist ja das sogenannte „Integrative Handlungskonzept“. Das meint einfach, dass man bei diesem Programm Soziale Stadt nicht einfach nur sagt “Okay, wir machen die Fassaden neu, bauen die Straßen aus und am Ende sind alle Probleme beseitigt.“ Das Integrative Handlungskonzept besagt, dass man diese Sanierung von verschiedenen Seiten angeht, die Probleme von verschiedenen Seiten beleuchtet. Dafür gibt es im Stadtteilbeirat Arbeitsgruppen – dort werden Ziele formuliert, und daraus entstehen letztendlich die Projekte.
Was für Arbeitsgruppen gibt es oder wird es geben?
Wohnen und Wohnumfeld, Wirtschaft, Arbeit und Beschäftigung, Sozialplanung und Kultur, Kommunikation und Integration – es können sich natürlich auch noch zu anderen Themen Arbeitsgruppen bilden, das ist ein offener Prozess.
Wie laufen die Entscheidungen ab?
Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen werden im Stadtteilbeirat vorgestellt und diskutiert. Daraus werden die Zielvorstellungen und ein Handlungskonzept entwickelt. Dann werden die Projekte wasserdicht gemacht und die Fördermittel dafür beantragt.
Was ist mit dem Banter Markt? Sollte der nicht schon längst umgestaltet sein?
Der Banter Markt ist natürlich ein möglicher Schwerpunkt, doch auch da muss erst einmal ein vernünftiges Nutzungskonzept erstellt und im Beirat diskutiert werden. Mir liegt ein solches konkretes Konzept noch nicht vor.
Wie sieht der zeitliche und finanzielle Rahmen aus?
Das Projekt ist auf fünf Jahre festgelegt. Vorgesehen sind für die Dauer des Programms 6 Millionen Euro, die sich aus verschiedenen Töpfen speisen: Europäischer Strukturfond, Städtebauförderung, Wohnungsbauförderung, europäischer Sozialfond, Programme des Bundesministeriums für Jugend und Familie.
Und Ihre Aufgabe wird dann sein, die einzelnen Projekte zu bewerten und zuzusehen, aus welchem Topf dafür Fördermittel bereitgestellt werden könnten und die entsprechenden Anträge zu stellen?
Ja. Das ist wird eine meiner Hauptaufgaben werden.
Was gibt es für Erfahrungen aus anderen Städten? Funktioniert der Gedanke, der hinter dem Förderprogramm „Soziale Stadt“ steht?
Es gibt natürlich die unterschiedlichsten Erfahrungen, es gibt Städte, wo dieser Prozess stockt, aber es gibt hauptsächlich gute Erfahrungen.
Wir danken Ihnen für das Gespräch.
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