Hartz IV und Recht
Okt 112007
 

Alg II-Kürzung bei Krankenhausaufenthalt?

(noa) Christoph Winter aus unserem Beitrag „Na siehste!“ bemerkte es wegen der Unübersichtlichkeit des Bescheides gar nicht selber und wurde erst beim Sozialgericht Oldenburg durch den Richter darauf aufmerksam gemacht: Das Job-Center Wilhelmshaven hatte ihm für die Zeit eines Krankenhausaufenthaltes das Alg II komplett gestrichen. Das war schon eine herbe Ausnahme – ganz so schlimm geht es bei anderen Job-Centern nicht zu.


Doch Kürzungen des Alg II um 35 % für die Dauer eines stationären Aufenthaltes, das gab es bei unterschiedlichen ARGEn in mehreren Fällen. So wurde einem Alg II-Empfänger die monatliche Leistung um 120,75 Euro gekürzt, weil er während des Klinikaufenthaltes „Einkommen“ in Form von Verpflegung bekomme.
So etwas gibt es in anderen Zusammenhängen ja durchaus. Arbeitet jemand z.B. in einem Wohnheim und nimmt dort an der Gemeinschaftsverpflegung teil, muss er/sie für jede genossene Mahlzeit einen Betrag als Einkommen versteuern – das Essen ist eine „geldwerte Leistung“. Doch die Analogie, die die fragliche ARGE hier gesehen hatte, ist falsch, und der Abzug vom Alg II ist rechtswidrig. Das Sozialgericht Lüneburg „schließt sich (in seinem Urteil vom 22.08.2007) „derjenigen Ansicht an, wonach eine Berücksichtigung freier Verpflegung während stationärer Aufenthalte weder durch eine Kürzung des Regelbedarfes noch durch eine Einkommensanrechnung rechtlich zulässig ist, so dass eine Anspruchsminderung insoweit ausgeschlossen ist.“ (Az.: S 25 AS 1455/06)
Und in einem Beschluss vom 12.09.2007 entschied das Sozialgericht Braunschweig, dass „der Regelbedarf nach § 20 SGB II (…) als Pauschalbetrag konzipiert (ist). Er erlaubt auch bei nachvollziehbaren Lebenssachverhalten keine abweichende Festlegung nach oben. Folgerichtig kann dann auch keine abweichende Festlegung nach unten erlaubt sein.“ (Az.: S 25 AS 1568/07 ER)
Also: Regelsatz ist Regelsatz, selbst wenn man ihn zeitweise nicht in voller Höhe brauchen sollte – was ohnehin fraglich ist, weil der Einsparung im Krankenhaus Mehrausgaben gegenüberstehen: die 10 Euro pro Tag für die ersten 28 Tage des Aufenthaltes, das Telefon, das man sich ans Bett legen lässt usw.
„Durch die Gewährung von Verpflegung während eines Krankenhausaufenthaltes wird die Lage des Empfängers auch nicht so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht mehr gerechtfertigt wären. Zu Recht wird von Betroffenenseite immer wieder darauf hingewiesen (…), dass gerade während eines Krankenhausaufenthaltes Kosten entstehen, die sonst nicht anfallen würden. Abgesehen von der offensichtlichen Belastung durch Zuzahlungen an die Krankenversicherung seien beispielhaft nur genannt höhere Aufwendungen für zwangsläufig auf dem Krankenhausgelände zu erwerbende Genussmittel oder die Miete von Telefon und Fernseher“, heißt es in dem Lüneburger Urteil weiter unten.
Schon am 30.07.2007 hatte das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in einem Beschluss festgestellt: „Eine Berücksichtigung der in einer stationären Einrichtung zur Verfügung gestellten Verpflegung als Einkommen nach § 11 SGB II würde zu einer Umgehung des Grundprinzips der Pauschalierung führen, (…). Unabhängig davon käme eine Berücksichtigung wegen fehlenden Marktwertes nicht in Betracht.“ Und wer sagt, dass Richter während ihrer Arbeitszeit keinen Humor hätten? Das LSG stellt in diesem Beschluss mit dem Aktenzeichen L 8 AS 186/07 ER trocken fest: „Ein entsprechender Markt ist dem Senat nicht bekannt.“


Und noch ein Urteil

Wer in seiner Mietwohnung eine Gastherme hat, muss diese regelmäßig jährlich warten lassen. So sehen es sämtliche Formularmietverträge vor. Diese Wartung kostet einen Haufen Geld für jemanden, der nur 347 Euro im Monat hat.

Und deshalb lassen so manche Alg II-EmpfängerInnen ihre Gastherme nicht regelmäßig warten (was eine teure Sache werden kann, wenn mangels regelmäßiger Reinigung nach einigen Jahren eine Reparatur fällig ist). Nun gibt es ein erfreuliches Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 06.08.2007 (Az.: S 9 AS 271/07).
Eine Alg II-Empfängerin hatte bei ihrer ARGE die Übernahme der Kosten für die Wartung ihrer Gastherme (76,69 Euro) beantragt. Die ARGE hatte das abgelehnt „mit der Begründung, dass im Regelsatz ein Anteil für die Instandhaltung der Wohnung enthalten sei. Folglich müsste der Betrag für die Wartung der Gastherme vom Mieter bzw. Alg II-Empfänger angespart werden.“ Demgegenüber stellte das Gericht fest, „dass es sich bei den Kosten für die Wartung der Gastherme … um Kosten der Unterkunft (Heizkosten) handelt“ und folglich von der ARGE zu erstatten seien. (noa)

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