Job-Center
Okt 112007
 

Na siehste!

Klage gegen das Job-Center war ein voller Erfolg

(noa) „Es war eine Tortur, aber es hat sich gelohnt!“ Christoph Winter hat nach der Lektüre einiger unserer zahlreichen Beiträge über Hartz IV und das Job-Center Wilhelmshaven den Entschluss gefasst, durch das Sozialgericht überprüfen zu lassen, ob das, was das Job-Center mit ihm macht, rechtmäßig ist. Ist es nicht, stellte das Gericht fest.

Ein Umzug mit Folgen

Christoph Winter wohnte bis Herbst 2006 in der Emsstraße und hatte eine Miete von 200 Euro zu zahlen. Nach einem dreifachen Bandscheibenvorfall ist er körperlich nicht mehr gut belastbar. Seine Wohnsituation erwies sich als schwierig – der lange Fußweg bis zur nächsten Bushaltestelle war ihm zuviel geworden. Er suchte also eine neue Wohnung und fand eine angemessene in Heppens, wo er näher an der Stadtmitte und ganz nah zur nächsten Bushaltestelle wohnt.
Als Alg II-Empfänger muss man sich einen Umzug vom Job-Center genehmigen lassen. Die neue Wohnung sollte teurer sein als die alte. Aber mit 240 Euro lag der Mietpreis ja noch deutlich unter den 252 Euro, die das Job-Center Wilhelmshaven einem allein wohnenden Arbeitslosen zubilligt. Winter war etwas erstaunt, als die Mitarbeiterin des Job-Centers in einer Liste nachschlug, wo die Mietobergrenze für Heppens liegt – bislang war ihm nicht bekannt, dass die Grenzen für die Kosten der Unterkunft, die bewilligt werden, vom Stadtteil abhängen. Auch der Arbeitsloseninitiative Wilhelmshaven/Friesland und dem Gegenwind war nicht bekannt, dass es eine solche Differenzierung gibt. Da die bislang unbekannte Liste für Heppens jedoch bis zu 249 Euro Miete erlaubt, genehmigte die Mitarbeiterin den Umzug. Winter schritt also zur Tat, unterschrieb den Mietvertrag und zog um. Sein Umzug kostete nichts, da er Hilfe von Freunden hatte, so dass er den gleichzeitig gestellten Antrag auf Umzugskosten zurückziehen konnte.
Das war Ende Oktober 2006. Der Bewilligungsbescheid vom 2. November 2006 wies nun aber nur Kosten der Unterkunft in Höhe von 200 Euro aus. Am 13. November legte Winter dagegen Widerspruch ein und forderte die tatsächlichen Kosten der Unterkunft (KdU) von 240 Euro. Fünf Monate dauerte es, bis er den Widerspruchsbescheid bekam, und dass dieser negativ war, er also nicht die volle Miete bekommen sollte, erschütterte Herrn Winter nicht sonderlich, denn darauf war er durch die Gegenwind-Lektüre vorbereitet. Er wusste, dass der notwendige nächste Schritt die Klage beim Sozialgericht war.
Herrn Winter fehlten allerdings nicht nur die monatlichen 40 Euro Mietanteil auf dem Konto. Er hatte noch weitere Abzüge vom Alg II.

Weitere Abzüge

Aus seiner Vergangenheit hat er (eine für seine Verhältnisse große Summe) Schulden bei einer Behörde eines früheren Wohnortes. Er war bereit, diese Schulden zu tilgen, und stimmte deshalb zunächst zu, dass das Job-Center monatlich 30 Euro vom Alg II abzog. Nachdem ihm ein Bekannter die Information gegeben hatte, dass so geringe Einkommen wie Grundsicherung oder Alg II pfändungsfrei sind, man ihm dieses Geld also nicht ohne seine Einwilligung würde abverlangen können, zog er die Zustimmung zu diesem Abzug umgehend zurück und bekam ein Schreiben vom Job-Center mit dem Inhalt, dass dieses die 30 Euro nicht abziehen wird.
Was tut ein junger Mann, der Monat für Monat feststellt, dass er trotz allergrößter Sparsamkeit mit seinem Geld nicht auskommt und der auch mit größter Anstrengung seinen Bewilligungsbescheid nicht vollständig nachvollziehen kann? Denn dass die Bewilligungsbescheide äußerst schwer verständlich sind und von einem Laien kaum begriffen werden können, bestätigt Werner Ahrens, Sozialberater der ALI, immer wieder. Auch er versteht sie nicht auf den ersten Blick, obwohl er an jedem Beratungsvor- oder –nachmittag mehrere davon zu Gesicht bekommt und gut in Übung ist.
Winter beantragte eine Privatinsolvenz. Und zusammen mit dem Insolvenzberater fand er heraus, warum er mit seinem Geld nie zurechtkam: Die 30 Euro, von denen man ihm schriftlich zugesichert hätte, dass sie nicht einbehalten und seinem Gläubiger überwiesen würden, fehlten seit einigen Monaten doch!
Als er deswegen beim Job-Center vorsprach, wusch die Mitarbeiterin ihre Hände in Unschuld: Sie habe alles richtig in den PC eingegeben – wenn die 30 Euro trotzdem abgezogen worden seien, dann müsse Winter die Firma verklagen, die die Software geliefert habe!

Zum Gericht

Hier war nun ein Antrag auf einstweilige Verfügung fällig.
Diesen – wie auch schon die Klage gegen den Widerspruchsbescheid – legte Christoph Winter allein, ohne die Hilfe eines Rechtsanwaltes, ein. Er wusste, dass man im Falle eines verlorenen Prozesses die Anwaltskosten zu tragen hätte. Und obwohl er eigentlich meint, ein gutes Rechtsempfinden zu haben, war er doch nicht ganz sicher. „Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand“, so sagt der Volksmund. Und so ähnlich dachte auch Christoph Winter. Also entschied er sich für den schwereren Weg. Sein Mut wurde belohnt, und er obsiegte auf der ganzen Linie. Sogar mehr als das, aber der Reihe nach.
Ende Juli übersandte das Sozialgericht Herrn Winter ein Schreiben des Job-Centers mit der Mitteilung, dass die gegen seine Einwilligung einbehaltenen Raten zur Schuldentilgung (inzwischen immerhin schon insgesamt 120 Euro) ihm zurückerstattet werden.
Bezogen auf die seit November regelmäßig einbehaltenen 40 € Mietanteil fand am 6. August die mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht statt. Hier wollte das Job-Center standhaft bleiben. Winter sei ohne Genehmigung umgezogen, so wurde schriftlich und auch im Gerichtssaal argumentiert. Ja, tatsächlich hatte Winter sich die Erlaubnis zum Umzug nicht schriftlich geben lassen. Und dafür musste er sich vom Richter ein bisschen Schimpfe anhören. Immer und unter allen Umständen müsse er außerdem zukünftig den Zeitpunkt einer Behördenvorsprache und den Namen des Sachbearbeiters sowie die Zimmernummer notieren; Angaben wie „das letzte Zimmer links im zweiten Stock“ seien nicht ausreichend. Trotzdem hielt der Richter ihn für glaubwürdiger als die Dame, die das Job-Center vertrat, und erlegte letzterem auf, ihm die seit November jeden Monat einbehaltenen 40 € nachzuzahlen.

Hilfe vom Richter

Am schönsten war für Christoph Winter jedoch, was während der Gerichtsverhandlung geschah. Der Richter blätterte in der Akte und fragte die Vertreterin des Job-Centers, was denn die 100%ige Kürzung des Alg II für einen Zeitraum von zwei Wochen zu bedeuten habe. Der Krankenhausaufenthalt, den Frau Th. als Grund angab, rechtfertigt jedoch keineswegs eine völlige Streichung des Alg II für diesen Zeitraum, und der Richter erinnerte Frau Th. daran, dass das dem Job-Center doch schon einmal deutlich gemacht worden war. Und Herrn Winter ermunterte der Richter, dagegen auch noch vorzugehen. Auch dieses Geld wird Herr Winter nachträglich ausbezahlt bekommen müssen, und, so das Urteil, das am 06.08. gesprochen wurde, ebenso die einbehaltenen Mietanteile seit November. Na siehste!
Riskant!
Christoph Winter hat wegen der Unsicherheit, ob er tatsächlich sein Recht bekommen würde, auf die Hilfe der ALI und eines Rechtsanwaltes verzichtet. Er wusste, dass er im Fall eines Misserfolges eine Rechnung des Anwaltes bekommen würde, und das wollte er nicht riskieren. Wie gut, dass er nicht wusste, dass er im Falle eines Misserfolges außerdem auch noch die Gerichtskosten zu zahlen gehabt hätte! Denn dann hätte er womöglich gar nichts unternommen.
Es ist in keinem Fall nötig, sich der Belastung durch ein Sozialgerichtsverfahren allein auszusetzen. Wenn die Arbeitsloseninitiative Wilhelmshaven/Friesland (ALI) nach Sichtung der Unterlagen zu dem Schluss kommt, dass das Job-Center nicht nach Recht und Gesetz gehandelt hat, vermittelt sie den Kontakt zu einem kompetenten Fachanwalt für Sozialrecht. Und gleichzeitig mit der Klageschrift wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung dieses Anwaltes beantragt.
Prozesskostenhilfe wird gewährt, wenn der Kläger bedürftig ist (was bei Hartz IV-Beziehenden klar ist) und die Klage Aussicht auf Erfolg hat. Bevor also Gerichts- oder Anwaltskosten entstehen, bekommt der Kläger vom Sozialgericht einen Hinweis darauf, ob es einen Sinn hat, sein Begehren zu verfolgen: Er bekommt einen Bescheid, in dem die Prozesskostenhilfe entweder mangels Erfolgschancen abgelehnt wird (und wird dann besser von einer Klage absehen), oder die Prozesskostenhilfe wird gewährt, so dass er sicher sein kann, dass sein Anwalt sein Honorar von der Staatskasse bekommt.

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