Werner Biehl
Jul 232002
 

Mensch, Werner!

Mit Wirkung zum Juni gab der Grüne Fraktionsvorsitzende Werner Biehl auf sein Ratsmandat zurück – mit Rücksicht auf seine Familie, für die er mehr Zeit benötigt. Für ihn rückte Gerda Kümmel nach.

Werner Biehl

Werner Biehl

In 16 Jahren Ratsmitgliedschaft (mit Unterbrechung) verzichtete Biehl damit zum dritten Mal auf eine Funktion im Stadtparlament, dem er ab November 1986 erstmals angehörte. Ab Dezember 1987 bekleidete er dort die gehobene Position eines Beigeordneten, bis er im März 1992 erstmals – ebenfalls aus familiären Gründen – auf den Sitz im Rat verzichtete. Bis dahin war er Mitglied im Schul- und Finanzausschuss, zeitweise im Bau-, Grundstücks-, Gesundheits-, Krankenhaus-, Kultur-, Sport- und Ältestenausschuss sowie stellvertretendes Mitglied im Ausländerbeirat und im Stadtwerkeausschuss. Zudem vertrat er die Stadt in Gremien u. a. in der Wohnungsbaugesellschaft Jade. Da er im Rat stets zu den Informierteren und Engagierteren gehörte, ist es leicht nachvollziehbar, dass die Familie (und er selbst) dabei zu kurz kam.
Viereinhalb Jahre später hatte er wieder Kraft, um bei der Kommunalwahl im November 1996 erneut in den Rat einzuziehen. Der Vorsitz des Ausschusses für Umweltausschusses (einschließlich Landwirtschaft) war mit ihm optimal besetzt. Sein überdurchschnittliches und auch emotional geprägtes Engagement für sein Steckenpferd Natur und Umwelt führte letztlich (im Juli 1998) zu seinem Rücktritt von dieser Funktion. Auslöser waren die Querelen um die Ökosiedlung, die von engagierten WilhelmshavenerInnen geplant und vorangetrieben, von den Grünen unterstützt und schließlich von den Betonköpfen im Rat gekippt wurde. „Solange ein Umdenkungsprozess auch politisch verhindert wird, solange stehe ich als Vorsitzender eines Ausschusses, dessen Aufgabe ja darin besteht, die ökologischen Belange dieser Stadt zu vertreten und PRO zu handeln, nicht mehr zur Verfügung. Einen CONTRA-Ausschuss will ich nicht mehr leiten. Das sollen andere tun. (Aus Biehls Rücktrittsbegründung an OB Menzel, komplett nachzulesen im GW Nr. 148 v. September 1998).Diesmal behielt Biehl aber sein Ratsmandat und kehrte im Februar auf den Stuhl des Ausschussvorsitzenden zurück, den er bis jetzt inne hatte. Ob zwischenzeitlich der erwähnte „Umdenkungsprozess“ stattgefunden hatte, ist allerdings fraglich.
Seit 1996 arbeitete Biel wieder zeitweise in insgesamt sieben Ausschüssen mit und vertrat die Stadt in verschiedenen Gremien (u. a. Verein Nationalparkzentrum, Stadtwerke).
Nun hat er (endgültig?) das Handtuch geworfen, was wir unterm Strich ausdrücklich bedauern. Was wiederum viele (einschließlich Biehl) wundern wird, denn seit die Grünen mit den „Etablierten“ koalieren, haben sie von uns überwiegend Schelte kassiert.
Das ist aber kein Wilhelmshavener Phänomen. Seit die Grünen, ob auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene, von den etablierten Parteien als zahlenmäßig wichtige Koalitionspartner akzeptiert werden, stecken sie in der Zwickmühle, Beschlüsse mit abnicken zu müssen, die ihren eigentlichen Wurzeln konterkarieren – oder vom großen Brüder wieder ins Abseits gestellt zu werden.. Auf Bundesebene sind solche Entscheidungen z. B. die Kriege gegen die Serben oder Afghanistan, auf kommunaler Ebene ist es der JadeWeserPort. Macht ist verführerisch, auch wenn sie gar nicht mehr für die ursprünglichen Ziele genutzt werden kann Entsprechend kassieren die Grünen bundesweit Ohrfeigen von der grün-links-alternativen Presse.
Zunächst taten sich unsere Grünen im Rathaus mit der CDU zusammen und waren hellauf begeistert: „In der Gruppe CDU/Grüne gibt es keinen Gruppenzwang. Darum mussten wir bisher auch keine Kröten schlucken. Wenn wir nicht zusammenkommen, dann stimmen wir so ab, wie wir es für richtig halten … Im Gegensatz zur SPD gibt es bei der CDU viel weniger ideologische Scheuklappen. Die sind bereit zu diskutieren, zu lernen, dazuzulernen … „ so die grüne Ratsfraktion in einem Interview mit dem Gegenwind (Nr. 144 vom Februar 1998), wo Biehl feststellte: „Wir sehen aber auch, dass Niedersachsen auf dem Weg in die ökologische Steinzeit ist. Es wird alles gemacht, um die Wünsche der Industrie zu erfüllen – Stichwort: Ems-Sperrwerk.“ Und dann hatten sie die CDU plötzlich gar nicht mehr lieb und wechselten zum Partner SPD – und überholten diese fast in ihrer Euphorie für den JadeWeserPort.
2001 erinnerte sich Biehl dann aber verschärft und öffentlich seiner grünen Wurzeln und beklagte „eine immer stärker werdende Tendenz contra Umwelt in den Köpfen von Ratsmitgliedern und der Verwaltungsspitze“. (GW 167 v. April 2002). Und erkennt ein wesentliches Problem, wodurch die „grüne Stadt am Meer“ häppchenweise und daher nahezu unauffällig in eine graue verwandelt wird –durch all die vielen Bebauungspläne, durch die nach und nach jede Freifläche in der Stadt vernichtet wird und „deren ökologische Festsetzungen nicht kontrolliert und nicht umgesetzt würden“ (Biehl, ebda.). In einer ausführlichen Dokumentation, die er uns damals zur Verfügung stellte, wird deutlich, wie kritische, ökologisch denkende Ratsmitglieder und Verwaltungsmitarbeiter hingehalten und hintergangen werden.
Im Rat war Biehl zunehmend kaum noch von einem SPD-Ratsherrn zu unterscheiden. Doch im Umweltausschuss und vor allem hinter den Kulissen hat er einiges bewegt oder zumindest ans Tageslicht gebracht, was ihn als Grünen auszeichnete. In dieser Hinsicht wird er schwer zu ersetzen sein.
Fraglich ist nur, ob er das nicht auch – oder sogar besser und ohne seine Wurzeln zu verleugnen und dadurch auch stressfreier – in der Opposition gekonnt hätte. Wesentlich war allein die Ratsmitgliedschaft, die ganz andere Möglichkeiten der Recherche und Öffentlichkeitsarbeit bietet, als Bürger(initiativen) sie haben.
Wir wünschen Werner – und seiner Familie – alles Gute. Und vielleicht kommt er ja doch noch mal zurück.

Die Redaktion

Sorry, the comment form is closed at this time.

go Top