Rechtsbeugung
Justizbehörden unter dem Verdacht der Rechtsbeugung. WZ beschwichtigt
Ende Dezember 1986 knallte es im „Rigoletto“ in der Marktstraße. Zwei Häuser wurden durch die Explosion vernichtet. Die WZ schrieb damals: „Neue brandheiße Nahrung für „Rigoletto“-Verfahren?
Genauso – vor allem mit Fragezeichen – überschrieb am 11.05.1988 die WZ einen Artikel über die Explosion in der Marktstraße vom 29. Dezember 1986. Allerdings waren der WZ dokumentarisch in Fotokopie alle Aktenvorgänge vorgelegt worden, aus denen sich haarsträubende Erkenntnisse über eine fehlsame Sachbearbeitung der Staatsanwaltschaft in Oldenburg ergaben. Diese Fehlsamkeiten haben nach sicheren juristischen Erkenntnissen wahrscheinlich die Grenze der behördlichen Kriminalität – § 336 StGB Rechtsbeugung – erreicht. Dennoch berichtet die WZ in einem Stil, der die mündigen Staatsbürger wissen läßt, die Justiz arbeitet mal wieder famos!
Um jedem Vorurteil vorzubeugen: Auch bei der Justiz sitzen nur fehlsame Menschen und grundsätzlich müssen wir daher euch Fehlentscheidungen tolerieren. Es gibt jedoch auch hier Grenzen. Im Rigoletto-Verfahren sind sie überschritten. Aufgabe einer verantwortungsbewußten Presse wäre es gewesen, darüber zu berichten und nicht zu beruhigen!
Die offensichtlichen Brandstifter – der Rigoletto-Pächter und sein Freund – waren im Januar 1987 festgesetzt worden. Gegen sie wurde im Sommer 1987 Anklage erhoben. Eine Strafkammer ließ die Anklage nicht zu. Der unmittelbar agierende Freund besaß nämlich ein Alibi durch das die Berechtigung der Anklage in der Tat fragwürdig wurde. Die ablehnende Entscheidung der Strafkammer war daher juristisch vertretbar.
Im August 1987 wurde die Zeugin, die das Alibi geliefert hatte, wiederholt von ihrem Freund, der die Explosion im Auftrag des Pächters herbeigeführt hatte, körperlich mißhandelt. Nunmehr gab sie am 17. August 1987 in allen Einzelheiten und mit sehr viel Hintergrundmaterial (wodurch eine Aussage glaubhaft wird) zu Protokoll, wie die Explosion vom 29. Dezember 1986 in der Marktstraße herbei geführt wurde. Täter waren Pächter und der misshandelnde Freund, die bereits angeklagt gewesen waren. Amtsgerichtsdirektor Dr. Reinhardt gab in einem ausführlichen handschriftlichen Vermerk die Vorgänge an den Staatsanwalt Schulz in Oldenburg weiter. Er wies darauf hin, daß nunmehr neue Tatsachen gemäß § 211 StPO vorliegen und erneut Anklage möglich sei.
Nichts geschah bis heute! – Vor allem aber: In einem Zivilprozeß vor dem Oldenburger Landgericht wurden die Strafakten des Rigoletto-Falls im Juli 1987 angefordert. Sie wurden endlich im Dezember 1987 erst bruchstückhaft und in nichtssagenden Fotokopien zur Verfügung gestellt. Die Originalakte war angeblich unentbehrlich. Sie wurde den Anwälten des Zivilprozesses erst im Februar 1988 zugänglich gemacht. Und siehe da: Der Staatsanwalt Schulz hatte den Hinweis des Amtsgerichtsdirektors Dr. Reinhardt mit dem Hinweis auf § 211 StPO nicht nur gelesen. In einem handschriftlichen Vermerk von ihm vom 28. August 1987 heißt es hierzu wörtlich: „Es entstand beim Unterzeichner (Schulz!) der Eindruck, daß die tatsächlichen Angaben der Zeugin zutreffend sind.“
Damit endet die Akte. Keine Anklage wurde sofort erneut erhoben. Die offensichtlichen Täter wurden auch nicht sofort festgesetzt, nicht einmal zum Schutz der nach orientalischer Art misshandelten Zeugin, einer wahrhaft bedauernswerten Perserin. – Verständlich, daß Staatsanwalt Schulz sich scheute, derartige Vorgänge in die Hände von Anwälten fallen zu lassen, denen auch bekannt war, warum der Pächter des Rigoletto mit seinem Freund die schwere Explosion in der Marktstraße herbei führten. Der Haupttäter und Rigoletto-Pächter verlangt nämlich heute von der Brandversicherung (Allianz) eine Entschädigung von 110.000,-DM, obwohl nur Werte von bis zu 3.000,- DM vernichtet waren. Kurz vor der Brandstiftung hatte der Rigoletto-Pächter seinen Versicherungsvertrag auf eine Schadenssumme von 110.000,- DM erhöht. Ferner verlangt dieser Täter von demjenigen, dessen Haus er vernichtete, 5.150,- DM Kaution zurück. Seine Prozeßchancen sind nicht schlecht. Wegen der Arbeitsweise des Staatsanwalts Schulz gilt der Täter bei der oldenburgischen Justiz noch als Ehrenmann.
Der WZ ist das bekannt. Man fragt sich, warum sie sich mit der Wiedergabe einer Auskunft des Sprechers der Justiz begnügte, dieser Fall sei gut und gründlich bearbeitet worden. Verantwortliche Presseleute sollten auch wissen, daß das Beamtendelikt der Rechtsbeugung seit über 100 Jahren nicht angewendet wurde, obwohl es häufiger begangen wird als Mord und Totschlag. Justiz bleibt bei uns nur deswegen vermeintlich saubere Justiz, weil sie sich selbst kontrolliert. Man stellt sich innerhalb der Institution – und das gehört zur institutionellen Ethik – gegenseitig die notwendigen Persilscheine aus. Nur so sind die Sauberkeit der Justiz und damit auch die Ungesühntheit von zehntausenden von Justizverbrechen insbesondere aus der Zeit von 1933 bis 1945 zu erklären.
Wir dürfen gespannt darauf sein, ob der in den Fall Rigoletto-Verfahren eingeschaltete Petitionsausschuß des Landtags diesmal eine ausreichende Kontrolle darstellt. Wir wollen jedenfalls nicht hoffen, daß unsere Volksvertretung der hohen Justiz und ihren vermeintlich einleuchtenden Argumenten zu Füßen fällt. Brandstiftern und ihren Justizgönnern sollten Volksvertreter es nicht zu leicht machen!
Verf. d. Red. bek.
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