Marinemuseum
Jun 011988
 

Grundsätzlich nicht

Förderverein Marinemuseum gegründet. DGB bleibt im Abseits

(woku) Die Wilhelmshavener Linke tut sich schwer mit einem Lieblingsprojekt des sozialdemokratischen Oberstadtdirektors Arno Schreiber, dem „Deutschen Marinemuseum“, das an der alten „Südzentrale“ unterhalb der Kaiser-Wilhelm-Brücke entstehen soll.

Am 13. April war es soweit. Um drei Uhr nachmittags trafen sich im Ratssaal auf Einladung des Wilhelmshavener Verwaltungschefs Arno Schreiber 18 prominente Persönlichkeiten aus Marine, Wirtschaft Verwaltung und Politik. Ziel und Ergebnis des von der Öffentlichkeit unbeachteten Treffens: Die Gründung des „Fördervereins Deutsches Marinemuseum“. Gewählter Präsident: Vizeadmiral a.D. Günter Fromm, Vizepräsidenten: Arno Schreiber und Lutz Baumeister vom Wirtschaftsverband. Weiterhin mit von der Vorstandspartie sind Stadtrat Jens Graul, Rechtsamtsmitarbeiter Jens Stoffers, Konteradmiral a.D. Hans-Arend Feindt, Marinearsenalchef Horst Eggert und Werbefachmann Rolf D. Voss aus Bremen. In einer pluralistisch intonierten Nachwahl kamen Sparkassendirektor Eberding und SPD-Chef Klaus Vogel hinzu.

SüdzentraleÜberschattet wurde die friedliche Gründerstimmung von einem erneuten vergeblichen Vorstoß der Gewerkschaftsvertreter Manfred Klöpper und Hartmut Büsing, dem frisch geborenen Museumskind den Namen „Werft- und Marinemuseum“ zu verpassen, um den Anteil der Arbeiterschaft an der Marine besser hervortreten zu lassen. Die DGB-Vertreter wurden – wie schon bei einer Vorbesprechung des Gründungsaktes am 23.3. – überstimmt und verließen verstimmt den Ratssaal. Hartmut Büsing, Leiter des „Historischen Arbeitskreises“ des DGB: „Der DGB macht grundsätzlich nicht mit.“

Bestärkt sieht sich Büsing auch durch die Einladungspraxis des Verwaltungschefs. Den zehn geladenen Marinevertretern (fast ausnahmslos im Admiralsrang) und sechs Vertretern der Wirtschaft standen die beiden Gewerkschaftler etwas verlassen gegenüber. Weil sie auf die Unterstützung der anwesenden SPD-Prominenz (Schreiber und Graul) nicht rechnen konnten, holten sie sich Schützenhilfe vom SPD-Parteitag am 23. April. Die Genossen bliesen lautstark zum Halali gegen Schreibers Lieblingskind, wollten dem Neugeborenen aber in sozialdemokratischer Kompromissbereitschaft dann schließlich doch noch nicht gleich das Lebenslicht ausblasen. Sie schlossen sich Büsings Konzept an, das die politische und soziale Geschichte der Marine zusammen mit der Hafen- und Werftgeschichte unter einem Dache vereint sehen will. Ein von den Jungsozialisten durchgebrachter Antrag sieht für den Genossen Schreiber sogar eine Sprachregelung vor, derzufolge er als SPD- Mitglied nur noch vom „Werft- und Marinemuseum“ sprechen darf.

Aber ähnlich, wie auch in den Einzelgewerkschaften des DGB unterschiedlich über die unbewegliche Haltung der Werftarbeitervertreter in der IG-Metall -u. DGB-Spitze in Sachen Namensgebung gedacht wird, so werden auch in der SPD Zwischentöne lauter.

So fand in einer Versammlung des als links geltenden SPD-Ortsvereins Mitte, der in Parteikreisen nicht gerade als rechtsstehend angesehene sozialdemokratische Marinespezialist Rolf Schaper Gehör, als er seine Genossen dazu aufrief, sich nicht selbst die Chance zur Mitsprache zu nehmen. Ein Teilnehmer zu der vorangegangenen Diskussion: „Viel nebelhaft – emotionale Ablehnung des Museums, viel Herzblut-Sozialismus (‚Wir als Arbeiterpartei‘ …), aber wenig Argumente.

Die Befürworter einer Mitarbeit sehen sich bestärkt in der Haltung der offiziellen Marinevertreter. Vereinspräsident, Vizeadmiral a.D. Günter Fromm, sieht eine Mitarbeit des DGB „prinzipiell positiv“ und verweist darauf, daß auch in der Marine kontrovers diskutiert werde. Fromm: „Die Kaiserliche und Marinewerft sind immer Teil der Marine gewesen. Da muß natürlich der Anteil der Werftarbeiter stärker berücksichtigt werden.“ Ähnlich äußerte sich Vorstandsmitglied Hans-Arend Feindt, zugleich Chef des „Deutschen Marinebundes“. In einem Gespräch mit dem GEGENWIND bekannte sich Feindt zu dem offenen Konzept der von der Verwaltung herausgegebenen Museums-Denkschrift. Gleichwohl: Auseinandersetzungen sind vorprogrammiert. Weder Fromm noch Feindt wollen im Museum z.B. eine kritische Darstellung des Justizmordes an den Matrosen Max Reichpietsch und Albin Köbis dulden. Die beiden wurden im September 1917 hingerichtet wegen ihrer Rolle bei Meutereien im vorangegangenen Sommer, dem ersten spürbaren Wellenschlag der revolutionären Ereignisse zwischen 1917 und 1919, die in die Weimarer Demokratie mündeten.

Aber inhaltlich sollen z.Zt. weder der Verein noch der zu bildende Vereinsbeirat diskutieren. Die Erstellung eines Konzeptes soll zunächst Sache einer an die Verwaltung angebundenen Projektgruppe unter der Leitung der ABM-Kraft und studierten Historikerin Ellen Mosebach-Tegtmeier sein – und in der wiederum überwiegt das Element der „Werft- und Marinemuseums“-Fraktion aus Sozialdemokraten und Verwaltungsleuten.
Die Marine ist hier nur durch den Korvettenkapitän a. D. Hans·Jürgen Seeger vertreten, der als Mitglied der „Grünen“ sicherlich nicht in allen Punkten die Ansichten der Marine vertritt.
Grün ist man sich allerdings auch in der Projektgruppe nicht ganz. Projektgruppenmitglied Dr. Waldemar Reinhardt blockt weiterhin gegen das Projekt, so gut es geht. Er fürchtet nämlich zu Recht, daß sein Museum zu einer Sammlung von Küsten-, Marschen- und Wurtenmodellen schrumpft. Die Schiffsmodelle, das große Stadtmodell und die Ausstellung zur Novemberrevolution z.B. würden nämlich ausgezeichnet in das geplante Marinemuseum passen. Eine völlige Verschmelzung beider Museen wäre die andere Alternative. Lehrt die Projektgruppe Reinhardt das Fürchten, so läßt sie den DGB-ler Hartmut Büsing hoffen. Büsing: „Man muß ausloten, welche Einflussmöglichkeiten die Projektgruppe auf die Museumsgestaltung hat. Ich würde da gerne mehr Arbeit reinstecken.


Kommentar

Die Angst vor der anderen Seite

Die Wilhelmshavener Sozialdemokratie ist schon ein ganz spezieller Verein: jahrelang akzeptiert sie vor Ort ohne offizielle Reaktion ein Museum, das in Konzeption und Präsentation – bei wohlwollender Wertung – nur als traditionspflegerisch konservativ bezeichnet werden kann. Erinnert sei nur an die noch 1985 mit Glanz und Gloria vorgenommene Aufstellung des Modells der „Tirpitz“, damals von der WZ unwidersprochen als Ausdruck der großen Vergangenheit der Stadt gefeiert.

Jetzt bietet sich endlich die Möglichkeit, im Rahmen einer anderen Museumskonzeption ein differenziertes Bild von der Vergangenheit dieser Stadt zu entwerfen, ein Bild, in dem der Beitrag der Arbeiter und ihrer Organisationen beim Aufbau dieser Stadt und der Marine nicht länger zu kurz kommt. Das paßt aber einigen Genossen nun auch wieder nicht. Zu tief sitzt die Angst, die „andere Seite“ könnte sich durchsetzen. Statt offensiv und selbstbewusst in die vorbereitende Diskussion um inhaltliche Schwerpunkte und Präsentation einzugreifen, verbringt die Partei Zeit in der Diskussion über die Namensgebung des neuen Museums. Als könne man durch die Umbenennung des „Marinemuseums“ in „Werft- und Marinemuseum“ bereits die notwendige inhaltliche Schwerpunktsetzung garantieren!
Wie so häufig darf die SPD froh sein, daß die politische Impotenz der Parteigremien wenigstens zum Teil ausgeglichen wird durch die Verwaltung. Die dort eingerichtete Projektgruppe konnte auf einer öffentlichen Veranstaltung des Ortsvereins Mitte eine Konzeption und einen Zeitplan mit Hand und Fuß vorlegen. Sie konnte damit zwar nicht die tief sitzenden emotionalen Vorbehalte der Museumsgegner aus der Welt schaffen, aber das war auch kaum zu erwarten: Die Mühlen der Wilhelmshavener Sozialdemokratie mahlen auch in diesem Fall langsam. Die älteste Partei Deutschlands denkt eben in Jahrzehnten, wenn nicht in Jahrhunderten.

Rolf Schaper

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