Ratsneuling Koût
Mrz 091992
 

Paradiesvogel

Andreas Koût bringt Farbe in den Kulturausschuß

(hh) Die Kommunalwahl vom November letzten Jahres hat nicht nur zu veränderten Mehrheitsverhältnissen geführt. Es haben auch einige Ratsneulinge die politische Bühne betreten. Einer von ihnen ist der Grüne Andreas Kout. Der Gegenwind befragte ihn nach seinen noch frischen Erfahrungen mit der Ratsarbeit.

Gegenwind: Mit welchen Erwartungen bist Du in den Rat gegangen und was hat Dich dort erwartet?
Andreas: Ich war nicht so naiv zu glauben, man könnte die Welt bewegen. Ich bin mit ganz bestimmten Vorstellungen und einigen Klischees, die ich auch bestätigt fand, in den Rat gegangen. Früher habe ich mich oft darüber geärgert, dass man im Jugend- und Kulturbereich so wenig bewegen kann. Das war ein wichtiger Grund für meine Kandidatur.
Es ist leider sehr wenig Spielraum vorhanden, was die Verfügungsmasse des Haushalts betrifft. Viele große und kleine Entscheidungen sind schon im Vorfeld in den Fraktionen abgemacht worden. In den Ausschüssen wird noch ein wenig mehr diskutiert, aber auch da sind die Spielräume sehr gering. Die Mehrheiten sind ja sehr eindeutig verteilt.
Die SPD/FDP-Gruppe kann natürlich, falls nicht irgendwelche Krankheitsfälle auftreten, alle überstimmen. Wir müssen möglichst viel an Basisarbeit leisten. Im Rat selber läßt sich nicht so viel bewegen. Man kann nur immer wieder etwas erzählen, Dinge rüberbringen. Eine Mitwirkung ist bestenfalls bei Detailfragen möglich. In der letzten Ratsperiode war das anders, da gab es erheblich mehr Spielräume.

Gegenwind: Du bist Vorsitzender des Kulturausschusses. In welchen anderen Gremien wirkst Du noch mit?

Karikatur: Erwin Fiege

Karikatur: Erwin Fiege

Andreas: Ich arbeite im Gesundheitsausschuß und im Jugendhilfeausschuß mit. Die meisten Erfahrungen habe ich allerdings im Jugend- und Kulturbereich. Meinem Gefühl nach werde ich dort als so eine Art Paradiesvogel betrachtet. Die Tatsache, daß ich z.B. immer noch in einer Wohngemeinschaft lebe, scheint viele zu verunsichern. Die wollen mich erstmal ein bißchen testen.

Gegenwind: Man kennt Dich aus dem Bereich Rockmusik. Ein Bereich, der bislang keine große Rolle im Kulturetat spielte. Wird sich da jetzt etwas ändern?
Andreas: Es ist für mich leichter, dort als Interessenvertreter die Art von Kultur, sei es Musikkultur, Theater oder einige selbstorganisierte Prozesse zu vertreten. Ich bringe das immer wieder ein. Ein wichtiger Punkt ist momentan die Musikschule, wo Popularmusik immer noch ein rotes Tuch ist, obwohl es die Möglichkeit gibt, Landeszuschüsse für diesen Bereich zu beschaffen. Die Verantwortlichen lassen sich einfach nicht bewegen. Ich versuche jedoch, dies immer wieder mit allem Mut zum thematischen Schwerpunkt zu machen.
Die Auseinandersetzung mit Musik und Musikkultur ist seit den 60er Jahren ein wichtiger Bestandteil der Orientierung Jugendlicher in ihrer Welt. Dazu gehört nicht nur die Cassette, die sie sich anhören oder die Musik, die sie selber machen, auch ihre Treffen, wo sie sich ihre gesellschaftlichen Eindrücke mitteilen und alles, was sie belastet, mit Texten zu arrangierter Kunst umwandeln. Dazu gehören auch die Leute, die zu den Konzerten gehen, die T-Shirts, das gesamte Outfit.

Gegenwind: Zum Bereich Kultur gehört ja auch das Theater. Welche Vorstellungen hast Du dazu?
Andreas: Ich habe die Vorstellung, dass das Theater weiterhin seinen Freiraum behalten muß, auch insofern, daß kritische Stücke im Abendplan angeboten werden. Es gab ja eine Diskussion, die immer wieder, besonders in der WZ auftaucht, dass das Theater publikumsorientierter arbeiten sollte.
Theater sollte immer auch ein Stückchen Zeitkritik oder auch Zeitgeist enthalten. Ich finde auch die Arbeit des Jungen Theaters, die Herr Immelmann stützt und schützt, erhaltenswert und förderungswert, weil sie aktuelle gesellschaftliche Anlässe skizziert, thematisiert und auch provokativ umsetzt. Diese Stücke gehören meiner Meinung nach auch auf den Abendspielplan.
Man sollte nicht immer von einer ominösen Erwartungshaltung, die ein Abonnentenpublikum haben soll, das niemand richtig einschätzen kann, ausgehen. Auch sollte man sich nicht davon abhängig machen, was einzelne Leute in Zeitungskritiken schreiben.

Gegenwind: Wie sieht Deine Arbeit an der grünen Basis aus? Gibt es in Wilhelmshaven eine grüne Kulturpolitik?
Andreas: Die gibt es schon seit einer ganzen Zeit. Ich denke da an Werner Biehl, der bereits in den letzten Jahren solche Projekte wie Musikerinitiative und Perspektive aktiv unterstützt hat. Durch mich wird das Ganze jetzt intensiviert, da ich an dem Bereich wahnsinnig interessiert bin und mich immer wieder damit beschäftige. Basisarbeit bedeutet, daß ich die Orte, wo Leute sich zusammensetzen, Musik machen, ein Theaterstück proben oder Bilder malen besuche, mich mit den Leuten treffe, mich da hineinfühle. Diese Erfahrungen kann ich dann bei sich bietender Gelegenheit in den Kulturausschuß oder den Jugendhilfeausschuß hineintragen.

Gegenwind: Wie gefällt Dir die Zusammenarbeit mit den bei den anderen grünen Ratsmitgliedern?
Andreas: Sehr gut. Ich denke, wir ergänzen uns auch gut. Ich bin ja neu und muß eine Menge Formalkram lernen. Derjenige, der langfristig im Rat sitzt, zeichnet sich oftmals nicht dadurch aus, daß er inhaltlich völlig bestechend ist, sondern daß er die formal taktischen Winkelzüge alle perfekt beherrscht. Das muß ich noch lernen.

Gegenwind: Warum werden die GRÜNEN als Partei so wenig sichtbar bei Problemen, wie z.B. Ausländerfeindlichkeit?
Andreas: Beim Antifaschistischen Aktionsbündnis sind die GRÜNEN durch mich vertreten. Im übrigen wird zu dieser Problematik intensiv diskutiert. Diejenigen, die etwas machen, sind natürlich durch viele Termine gebunden.

Gegenwind: Schmoren die GRÜNEN im eigenen Saft?
Andreas: Wir bemühen uns, möglichst viele Leute zu den Sitzungen zu bekommen, vor allem junge Leute neu anzusprechen. Es wäre wünschenswert, daß der Vorstand und die Mitgliederversammlung eine Eigendynamik entwickeln und Sachen machen, die völlig unabhängig von dem sind, was die Vertreter im Rat praktizieren. Dadurch gibt es auch erst Diskussionen.

Gegenwind: So etwas hat es ja schon einmal gegeben. Allerdings sind nach und nach die Linken in der Partei ausgegrenzt worden.
Andreas: Damals war ich nicht mit dabei. Ich schätze Transparenz und Offenheit. Bei uns hat sich eine Menge geändert. Wir sind zu einer ziemlich offenen Arbeitshaltung gekommen und freuen uns über alles, was an neuen Diskussionsprozessen auf uns zukommt.

Gegenwind: Wir danken für das Gespräch.

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