HilfslehrerInnen
Mrz 091992
 

Lehrkräfte light

LehrerInnenausbildung im Schnellverfahren

(noa/gg) Nach dem Krieg gab es sie schon einmal, die „Hilfslehrerinnen“. Damals waren sie notwendig, weil es zu wenige vollausgebildete Lehrkräfte gab. Heute sollen sie im Schnellstverfahren „ausgebildet“ und eingestellt werden, obwohl es arbeitslose PädagogInnen gibt.

Große Empörung unter arbeitslosen LehrerInnen, SozialpädagogInnen und ErzieherInnen und auch vielen Eltern von Schulkindern löste deshalb die WZ-Überschrift „Hilfslehrerinnen sollen Pädagogen entlasten“ (19.2.92) aus.
20 arbeitslose Frauen aus unterschiedlichen Berufen sollen nach einem sechswöchigen Kursus bei der Volkshochschule in Wilhelmshavener Schulen geschickt werden, um die Lehrkräfte pädagogisch, organisatorisch, technisch und im Bereich der Aufsichtsführung zu entlasten. Zwei Fliegen sollen mit einer Klappe geschlagen werden: Mit ABM-Mitteln sollen Frauen nach der Kinderpause wieder ins Arbeitsleben integriert werden, und dem „Personalmangel “ an den Schulen soll begegnet werden.
Daß an den Schulen Lehrermangel herrscht, ist den SchülerInnen und Eltern bekannt. Den Lehrermangel „Personalmangel“ zu nennen, eröffnet die Möglichkeit, diese Lücken mit nichtpädagogischem Personal zu stopfen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft witterte denn auch diese Gefahr und wandte sich in einem offenen Brief an die Ratsfrauen und -herren sowie an die Mitglieder des Schul- und des Verwaltungsausschusses, um klarzustellen, daß diese Hilfskräfte auf gar keinen Fall eigenständigen Unterricht gestalten oder eine eigenständige Betreuung von lernschwierigen und verhaltensauffälligen Kindern vornehmen dürfen. Der Schulausschuß erfuhr erst durch diesen offenen Brief von der geplanten Maßnahme und schloß sich auf seiner Februar-Sitzung einstimmig diesen Grundsätzen an.
Die Befürchtungen, daß die „Hilfslehrerinnen“ eben doch für pädagogische Aufgaben herangezogen werden, sind jedoch durch einen solchen Beschluß nicht ausgeräumt. In der Beschreibung der Aufgabengebiete steht unter dem Punkt „Tätigkeiten zur (pädagogischen) Unterstützung des Lehrpersonals“ u.a.:

  • Betreuung von Seiteneinsteigern (Ausländer/Aussiedler) nach Vorgaben der Lehrkräfte,
  • Unterstützung der Lehrkräfte bei Gruppenarbeit,
  • zusätzliche Betreuung einzelner behinderter Kinder.
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Herr Pauluschke, Schulaufsichtsbeamter und beratendes Mitglied im Schulausschuß, sieht in diesen Punkten noch keinen Unterricht (und somit keinen Grund, die Maßnahme zu stoppen). Ins Grübeln kam er erst, als eine besorgte Mutter ihn darauf hinwies, daß die Stundentafel des Vorbereitungskurses als größten Block eine „didaktisch-methodische Unterweisung“ der Frauen vorsieht, und fand dies „fragwürdig“.
Bei der Volkshochschule ist man mit der ganzen Maßnahme nicht gerade glücklich. Man weiß dort, daß ein sechswöchiger Vorbereitungskursus nicht gerade eine solide Grundlage für eine Tätigkeit in der Schule ist. Die VHS hat sich bereit erklärt, den Kursus durchzuführen, um Schlimmeres zu verhüten: Der städtische ABM-Beauftragte, Klaus Grimminger, hatte die Absicht, die Frauen ohne jegliche Vorbereitung in die Schulen zu schicken.
Mit oder ohne Vorbereitungskursus – „Hilfslehrerinnen“ gehören nicht in Schulen, solange es landesweit Zehntausende arbeitsloser Lehrer und Lehrerinnen gibt. Zwar versichern alle mit der Maßnahme befaßten Stellen, daß das Land damit nicht von der Verpflichtung entbunden werde, den Lehrermangel zu beseitigen. Die GEW weist jedoch in der letzten Ausgabe ihrer Zeitung „Rohrstock“ darauf hin, daß an allen Ecken und Kanten Lehrerstunden für Fördermaßnahmen fehlen und daß damit die Verlockung, die Hilfskräfte da einzusetzen, doch recht groß ist. Und wenn dann die schlimmsten Löcher erst einmal gestopft werden, fällt der Lehrermangel gar nicht mehr so auf.
Die Wilhelmshavener Stadtverwaltung scheint mächtig viel Wert darauf zu legen, die Maßnahme gegen alle Bedenken durchzusetzen. Der Verwaltungsausschuß hat, wie der „WZ“ zu entnehmen ist, „grünes Licht“ für den Einsatz der Frauen gegeben, und nach der städtischen Planung sollte der Schulausschuß sich erst in seiner März-Sitzung damit befassen. Und in dieser Sitzung wurden vier Frauen vorgestellt, die schon in ABM -Diensten bei der Stadt Wilhelmshaven stehen und in Schulen tätig sind. Sie hinterließen bei den Schulausschußmitgliedern einen guten Eindruck. Diese Frauen allerdings haben – im Unterschied zu den 20 angehenden „Hilfslehrerinnen“ – eine pädagogische Ausbildung. Sie als Beispiele für die kommenden Hilfskräfte auszugeben, grenzt an Etikettenschwindel, und dazu paßt die Tatsache, daß die Schulausschußmitglieder den „Lehrplan“ für den Vorbereitungskursus nicht vorgelegt bekamen.
Dieser Kursus ist schon angelaufen. Unter Umständen wird die Stadt die Teilnehmerinnen aber doch anders als geplant einsetzen müssen: Der LehrerInnen-Bezirkspersonalrat ist nämlich mittlerweile bei der Bezirksregierung vorstellig gewesen, und dort wird gegenwärtig überprüft, ob die geplante Maßnahme überhaupt zulässig ist.

Karikatur: Erwin Fiege

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