AWO
Mrz 091992
 

Ausgekrabbelt

Arbeiterwohlfahrt schließt Krabbelgruppen

(hk) „Nach längeren Gesprächen und einer Grundsatzdiskussion über defizitäre Einrichtungen im KV WHV erging einstimmig dieser Beschluß durch den Vorstand des KV „Aufgabe der Krabbelgruppen zum 31.3.92.“ Dieser Beschluß des Kreisverbandes der Arbeiterwohlfahrt Wilhelmshaven traf die Eltern von 38 Kindern wie ein Schlag aus heiterem Himmel.

Aufgeteilt in mehrere kleine Gruppen treffen sie sich einmal pro Woche im Pavillon der AWO in der Blumenstraße: Wilhelmshavener Mütter und ihre ein- bis dreijährigen Kinder. Und daß dieser Nachmittag mehr als nur eine Abwechslung ist, bringen die Eltern in einem Protestschreiben gegen die beschlossene Schließung an die AWO zum Ausdruck. „Für unsere Kinder, aber auch für uns Mütter ist die Krabbelgruppe längst mehr geworden als nur eine Abwechslung am Rande. Unsere Kinder lernen den Umgang miteinander und fühlen sich wohl in der Krabbelgruppe und wir Mütter haben Gelegenheit uns auszutauschen und Probleme zu besprechen.“

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Pavillon der Arbeiterwohlfahrt # Foto: Gegenwind

Schon im letzten Jahr sah es bedrohlich um den Fortbestand der Krabbelgruppen aus. Die damaligen Schließungsbestrebungen endeten am 16.6.91 mit einem Brief des AWO-Vorstandes an die Eltern, in dem in dicken Lettern zu lesen stand: „Wir machen weiter! “
So ist es nicht verwunderlich, daß die Eltern ihre Enttäuschung über den neuerlichen Beschluß offen zum Ausdruck bringen.In ihrem bereits oben erwähnten Brief an den AWO-Vorstand heißt es weiter: „In der Wilhelmshavener Zeitung stand kürzlich zu lesen, inwieweit die Arbeiterwohlfahrt ihr Angebot erweitert hat. Wie sollen wir da an Geldmangel als Grund für die Schließung der Krabbelgruppe glauben? Oder gehen die Neuerungen auf Kosten der Krabbelgruppe? Haben Kinder keine Lobby?“
Nachdem die Frauen glaubten, lange genug auf eine Antwort des AWO-Vorstandes auf ihren Brief gewartet zu haben, entschloß sich eine Abordnung von 3 Frauen mal im Büro der AWO nachzufragen. Den Frauen wurde mitgeteilt, daß ihr Brief nicht formgerecht geschrieben war – es fehlte die Adresse. Aus diesem Grunde sah man sich nicht genötigt, den Brief zu beantworten!
Doch ganz ohne Ergebnis waren die Bemühungen der Frauen dann doch nicht: Die AWO schlug der Gruppe vor, daß sie den Raum jeweils Mittwochs für 2 bis 3 Stunden mieten könne. Im Losverfahren könnten dann 20 bis 25 Kinder „gezogen“ werden, die dort spielen können. Eine der Frauen zum GEGENWIND: „Das ist schon eine Frechheit – der Raum reicht gerade aus, wenn wir mit 13, 14 Kindern und den dazugehörigen Müttern da sind. Aber 40 bis 50 Leute – das geht überhaupt nicht. Durch das Losverfahren sind dann auch noch die Altersgruppen gemischt – wie soll denn ein Einjähriger mit einer Dreijährigen spielen?“
Auch Frau Ursula Angst, Geschäftsführerin des AWO-Kreisverbandes bedauert die Aufgabe der Krabbelgruppen. Frau Angst zum GEGENWIND: „Wir haben aus dem Pavillon ein Defizit von 17.000 DM und mußten überlegen, was wir leisten können und was nicht. Wir können den Verband doch nicht in die Pleite führen. Wenn wir ein Defizit haben, dann muß das weg. Wir müssen mit solchen Entscheidungen leben. Was meinen Sie, wie leid es uns tut, notwendige Dinge nicht machen zu können. Die AWO finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden und aus dem, was unsere Mitarbeiterinnen durch ihre Aktivitäten erarbeiten. Für die Krabbelgruppenarbeit bekommen wir, im Gegensatz zu anderen Aktivitäten, auch keine Zuschüsse von der Stadt. “
Frau Angst forderte in unserem Gespräch die Mütter auf, selbst aktiv zu werden und die Krabbelgruppe in eigener Initiative und Regie weiterzuführen. Der Raum im Pavillon würde dafür einmal wöchentlich zur Verfügung stehen. Frau Angst weiter: „Wenn wir die defizitären Krabbelgruppen weiterführen, müßten wir dafür andere Bereiche wie z.B. die Behinderten- oder die Altenarbeit aufgeben – das geht nicht! Unsere Entscheidung richtete sich nicht gegen die Krabbelgruppen, es war eine Entscheidung für den Erhalt anderer Gruppen.“
Die Misere liegt nach Meinung von Frau Angst nicht bei der AWO. „Weil wir kein Geld haben trifft uns jetzt ein Vorwurf. Das Problem liegt darin, daß nicht genügend Plätze für die Kinder geschaffen werden – und das kann nicht die AWO lösen, das ist Sache der Kommune!“
So verständlich die Misere der freien Wohlfahrtspflege durch die Ausführungen von Frau Angst auch wird – den 38 Kindern und ihren Müttern ist damit kaum geholfen. Denn ganz so einfach ist es wohl doch nicht, plötzlich eine solch große Gruppe in eigener Regie und Verantwortung weiterzuführen. Eine der betroffenen Frauen zum GEGENWIND: „Wir haben durch unsere Bindung an diese Gruppe ja auch den Kontakt zu anderen Bereichen aufgegeben und in eine bestehende Krabbelgruppe kommen wir jetzt auch nicht mehr rein. Es ist, als würden wir durch den Beschluß der AWO in ein tiefes Loch fallen.“

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